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Frauenfussball-EM in Bern steht auf wackligen Beinen
Um Spiele der Frauenfussball-Europameisterschaft im Berner Wankdorf auszutragen, braucht der BSC YB temporär zusätzliche Trainingsfelder. Die Pläne der Stadt, diese auf der Grossen Allmend einzurichten, wecken aber Ängste vor einem Providurium. Wegen des «sportlichen» Zeitplans und kaum vorhandener Alternativen könnten Einsprachen die Stadtbehörden vor Probleme stellen.
Vom 2. bis 27. Juli 2025 findet die Fussballeuropameisterschaft der Frauen statt. Einige Spiele sollen auch in Bern ausgetragen werden. Der Kunstrasen im Wankdorfstadion wird für diese Zeit durch einen Naturrasen ausgetauscht. Damit die erste Mannschaft des BSC Young Boys aber auch in dieser Zeit vernünftig trainieren kann, will die Stadt Bern zwei temporäre Trainingsplätze auf der Grossen Allmend schaffen, wie der Gemeinderat mitteilte.
Das ist kein leichtes Unterfangen. Damit die YB-Profis ungestört trainieren können, braucht es Ballfänge und Sichtschutz. Die Bauarbeiten nehmen rund ein Jahr in Anspruch und sind bewilligungspflichtig. Während dieser Zeit sei mit Einschränkungen für den Breitensport zu rechnen, heisst es in der Medienmitteilung der Stadt. Bereits im Februar 2024 soll das Baugesuch publiziert werden, Baustart soll dann im Sommer sein, wie Gemeinderat Reto Nause (Mitte) sagt. «Der Zeitplan ist sehr sportlich.»
IG Wankdorf plant Einsprache
Für potenzielle Gegner des Vorhabens bedeutet dies, dass sie mit Einsprachen das Projekt wirksam torpedieren können. Und potenzielle Gegner hat es reichlich. Zum einen die Breitensportvereine, welche von den Einschränkungen betroffen sind. Zum anderen die zahlreichen Organisationen, die sich seit Langem dafür einsetzen, dass die Grosse Allmend gänzlich der Allgemeinheit zur Verfügung steht.
Zu letzteren gehört die Interessengemeinschaft (IG) Wankdorf. «Wir werden ‹höchstwahrscheinlich› Einsprache einreichen», sagt IG-Sprecher Hansueli Mesmer auf Anfrage des «Anzeigers». Damit solle sichergestellt werden, dass das Vorhaben zonenkonform sei. «Ich habe da gewisse Fragezeichen, weil die temporären Trainingsplätze in der Schutzzone A geplant sind.» Generell sehe die Interessengemeinschaft Wankdorf das Projekt sehr kritisch. «Wir befürchten einfach, dass aus der temporären Lösung plötzlich eine definitive werden soll.»
Sichtbarkeit für Frauenfussball
Auch «Dialog Nordquartier», eine der Quartierkommissionen, die sich mit der Grossen Allmend auseinandersetzt, zeigt sich wenig erfreut ob den Plänen der Stadt. «Wir setzen uns grundsätzlich dafür ein, dass die Grosse Allmend für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt», sagt Präsidentin Verena Näf auf Anfrage. Da aber die Frauenfussball-EM gegeben sei, könne die temporäre Lösung akzeptiert werden. Erfreulich sei, dass dadurch die Parkplätze in der Schutzzone aufgehoben würden. Für eine definitive Lösung würde man aber keine Hand bieten.
Ähnlich tönt es bei der SP Stadt Bern. Wie Fraktionschefin Barbara Keller ausführt, stellt sich die Partei hinter die gefundene Lösung, weil diese für die Durchführung der Frauenfussball-EM temporär notwendig sei. «Die EM führt zu Sichtbarkeit für Frauen- und Mädchenfussfall, das begrüssen wir», sagt Keller.
Alternativliga betroffen
Wenig Freude an den Plänen dürften auch die Breitensport-Organisationen haben, die Einschränkungen hinnehmen müssen. Laut dem städtischen Sportamt ist aber noch offen, wer genau in welchem Ausmass betroffen sein wird. Hinweise ergeben sich aus dem konkreten Lageplan der Stadt. Demnach sollen drei von sechs Fussballfelder zwischen Sommer 2024 und Herbst 2025 nicht zur Verfügung stehen. Und diese werden etwa von der Männer- und der Frauen-Alternativliga genutzt.
«Wir gehen davon aus, dass wir vom Vorhaben tangiert sind», sagt Valentin Herzog, Vorstandsmitglied der Männer-Alternativliga. Wenn es nur temporäre Einschränkungen seien, könnte man sich damit arrangieren. «Unsere grosse Angst ist, dass die Lösung plötzlich zum Dauerzustand wird.»
So weit werde es aber nicht kommen, sagt Gemeinderat Reto Nause. Sobald YB die Trainingsfelder nicht mehr benötige, würden diese dem Breitensport ab Herbst 2025 zur Verfügung gestellt. «Letztlich profitiert also auch der Breitensport von dem Vorhaben.»
Zu lange zugewartet?
Was aber macht die Stadt, wenn die Pläne durch Einsprachen so lange verzögert werden, dass die Zeit für die Erstellung der beiden Trainingsplätze nicht reicht? Gemeinderat Reto Nause verweist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit, Einsprachen die aufschiebende Wirkung zu entziehen. Gleichwohl räumt er ein, dass die Stadt «keine grossen Spielräume» habe. Es gebe kaum Alternativen zur Grossen Allmend.
Dies führt zur Frage, ob der Gemeinderat das Projekt zu spät in Angriff genommen hat. Verzögerungen sind bei solchen Projekten schliesslich eher die Regel als die Ausnahme.
Nause bestreitet das. Es sei erst seit wenigen Wochen klar, wann die Frauenfussball-EM überhaupt stattfinde und welche Partien im Wankdorf ausgetragen werden sollen. Nause will nun im Dezember persönlich das Quartier informieren. Es gilt, mögliche Einsprecher zu besänftigen - und Bern als Austragungsort für die Frauen-EM abzusichern.