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Ein Koloss, der keinem ­Blüemli etwas nimmt

Eine Zürcher Immobilienfirma will in Zollikofen ein grosses Gewerbehaus bauen. Das weckt Ängste, aber auch Hoffnungen.

| Anina Bundi | Politik
Zollikofen.
Auf dem Zollkofner Geisshubel soll ein neues Gebäude zu stehen kommen. Foto: Nik Egger

Ein «Koloss» – das Wort fällt mehrmals in den Gesprächen zu diesem Artikel. Und es sind nicht nur die erwartbaren Kritiker, die kurz die Luft anhalten, wenn sie sich die Vermarktungs­präsentation zum «Leitwärch», einem Bauprojekt auf dem Zollikofner Geisshubel anschauen. Auch Stefan Merki, Präsident des Gewerbevereins KMU Zollikofen erschrickt ein wenig, als er die Animationen sieht. Das Gebäude sehe sehr gross aus, so sein erster Eindruck.

Der Neubau würde das Gesicht des Geisshubels tatsächlich verändern. Das Gelände liegt an der Alpenstrasse, gegenüber der Schulanlage. Heute stehen mehrere maximal dreistöckige Gewerbegebäude darauf, dazwischen Parkplätze. 

Die Parzelle 1229 gehört der LATO real estate in Meggen LU, einer Familien-AG mit Immobilienbesitz in der ganzen Schweiz. Die Berner Immobilienfirma Global Plan vertritt die Bauherrschaft und kümmert sich unter anderem um die Vermarktung. Die Bilder in der Präsentation zeigen ein voluminöses, fünfstöckiges Gebäude, das die Parzelle bis fast zum Rand ausnutzt. Eine Gebäudeecke besteht aus einer schneckenförmigen Auffahrt, über die alle Geschosse befahren werden können. Rund 25 000 Quadratmeter Gewerbefläche und rund 140 Einstellhallenplätze sind vorgesehen. Ein wenig erschrecken kann man da schon.

Kritik von Mitte-links

Nicht erfreut über die Baupläne ist zum Beispiel Bruno Vanoni. Im Parlament hat er dem Gemeinderat per Interpellation Fragen gestellt, nachdem verschiedene Leute auf ihn zugekommen seien. Er sei schockiert gewesen, als er sich die Bilder angeschaut habe, erzählt er. In seinem Vorstoss, für den er auch Vertreter und Vertreterinnen der GLP und der SP ins Boot geholt hat, fragt er nach dem Stand der Dinge, nach der Meinung des Gemeinderats, nach dem Verkehr und dessen Auswirkungen auf die Schulwegsicherheit und wirft die Grundsatzfrage auf, ob allenfalls Korrekturen der Bauvorschriften nötig seien.

Denn innerhalb der bau- und planungsrelevanten Vorschriften, das macht der Gemeinderat in seiner Antwort klar, ist die Gemeinde gesetzlich verpflichtet, einem Baugesuch stattzugeben. Die Parzelle befindet sich in einer Arbeitszone A3. Gestattet sind hier nur Arbeitsaktivitäten und, in begrenztem Ausmass, Personalwohnungen oder Laden- und Ausstellungsflächen, die für die Betriebe notwendig sind. Weiter schreibt der Gemeinderat, er kenne das Projekt nicht, ein erster Kontakt zwischen Bauherrschaft und Gemeinde habe stattgefunden, und es seien dabei auch Mängel zur Sprache gekommen. 

Wasem: kein Logistikhub

Diese betrafen offenbar die Erschliessung und wurden bereits bereinigt, wie Beat Wasem, CEO und Inhaber von Globalplan bestätigt.

Allerdings, so Wasem, sei mitnichten ein «Logistikhub» geplant, wie ein anonymer Kritiker das «Leitwärch» bezeichnete. «Wir wollen in erster Linie Handwerksbetriebe, Dienstleister und das produzierende Gewerbe aus der Stadt und Region Bern ansprechen.» Zwar gebe es freien Gewerberaum in der Region Bern. «Aber was im Erdgeschoss liegt, ist jeweils schnell weg.» Darum die Idee mit der «Schnecke», die alle Stockwerke für bis zu sieben Meter lange Lieferwagen erschliessen soll, als lägen sie ebenerdig. Für knapp 15 000 Quadratmeter, also rund 60 Prozent der Gesamtfläche, gibt es laut Wasem schon Interessenten oder Absichtserklärungen; auch für das angedachte Restaurant im Attikageschoss gibt es bereits einen Interessenten. Die bisherigen Mieter und Mieterinnen seien zumeist schon ausgezogen, als sie Ersatz fanden. Einige wollten aber zurückkehren, wenn der Neubau stehe.

Nach Mieter- oder Käuferschaft suche man auch aktiv in Quartieren, in denen Gewerberaum vor dem Verschwinden steht, etwa im Weyermannshaus in Bern.

Das töne grundsätzlich gut, sagt Stefan Merki von KMU Zollikofen. «Es stimmt, dass es vor allem Büroräume gibt auf dem Markt. Das Gewerbe hat es schwieriger.» Ganz überzeugt von den Bauplänen auf dem Geisshubel sei er allerdings nicht. «Wenn ich ganz alleine bestimmen könnte, wie sich Zolli­kofen entwickeln soll, würde ich dort oben Wohnungen bauen und das Gewerbe entlang der Bernstrasse und der Bahnlinien platzieren. Aber das wäre natürlich ein sehr langer Prozess und so nicht möglich, das ist mir klar.»

Werden rechtliche Vorgaben geritzt?

Nicht weit von der Arbeitszone an der Alpenstrasse entfernt liegt das «Webergut». Auch hier war bis vor Kurzem noch Gewerbe. Bei der letzten Ortsplanungsrevision wurde es umgezont, damit Wohnungen gebaut werden können. Nicht so die Arbeitszone an der Alpenstrasse. Hier seien für die Gemeinde wichtige Betriebe wie die GEWA oder die Securitas-Gruppe, erklärt Gemeindepräsident Daniel Bichsel. Mit dem konkreten Projekt befasst habe er sich noch nicht, sagt er und verweist auf die schriftliche Antwort des Gemeinderats auf die Interpellation. Doch grundsätzlich begrüsse er den Bau von Gewerberaum. «Wir haben in Zollikofen null freie Flächen in Arbeitszonen zum Bauen.»

Die Ortsplanungsrevision wurde 2017 vom Zollikofner Stimmvolk angenommen. Damals habe die betroffene Arbeitszone nie zur Diskussion gestanden, sagt Gemeindepräsident Bichsel. Mit seiner Interpellation wolle er in erster Linie auf das Projekt aufmerksam machen, sagt Bruno Vanoni. Dass die Gemeinde ein Baugesuch bewilligen muss, wenn es den Vorgaben entspricht, ist ihm klar. «Das ist legitim. Aber es wäre auch legitim, dagegen Einsprache zu erheben. Denn hier drohen die rechtlichen Vorgaben wenn nicht verletzt, so doch bis ins Extreme ausgenützt zu werden.» 

Für Beat Wasem ist es nicht das erste Bauprojekt, das er betreut. Dass es Einsprachen gibt, die den Prozess bremsen, ist er sich gewohnt. Grosse Sorgen mache er sich allerdings nicht, sagt er. «Ich bin von unserem Konzept überzeugt. Ausserdem ist das Land ja jetzt schon mit Gewerberaum überbaut. Selbstverständlich werden wir auch die vom Baureglement geforderte Grünflächenziffer einhalten. Wir nehmen keinem Blüemli etwas weg.»


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