Skip to main content

-


Anzeige

Anzeige


BEA

«Es ist etwas Grosses, so einen Stier zu zeigen»

In diesen Tagen sind an der BEA die schönsten Stiere und Kühe zu sehen, die der Kanton Bern zu bieten hat. Unter ihnen auch «Polar» von Peter Wittwer aus Boll. Ein Besuch.

| Hanspeter Bundi | Gesellschaft
Der Boller Bauer Peter Wittwer ist stolz auf seinen «Polar». Fotos: Linda Pfanner
Der Boller Bauer Peter Wittwer ist stolz auf seinen «Polar». Fotos: Linda Pfanner

Am Eröffnungstag der BEA, Nachmittag um eins, hat Polar seinen ersten grossen Auftritt. Es ist fast wie im Finale eines Films. Eben noch ist der kastanienbraune, mächtige Stier im Sonnenlicht gestanden, und jetzt wird er  durch einen hoch geöffneten Zelteingang in die halbdunkle Arena geführt, die Vorführhalle der BEA. Polar wirkt athletisch, und er ist nervös. Er wirft den Kopf zurück, verdreht die Augen, schnaubt. Er bleibt stehen, will seitwärts ausbrechen, doch Peter Wittwer hält mit angespannten Muskeln dagegen. Der 57-jährige Bauer aus Boll wirkt entschlossen, kräftig und streng. Aber geschlagen werde nie, hat er mir gesagt.  Hinter den beiden geht schlaksig und noch etwas unsicher Res, der in einigen Jahren den Hof seines Vaters übernehmen wird. 

IMG 3526

IMG 3948

IMG 3920

Wie wohlig fühlen sich Kühe?

Jedes Jahr bringen mehr als 35 Bauern – und dazu zwei oder drei Bäuerinnen – aus dem ganzen Kanton ihre sauber gestriegelten Kühe an die «Ausstellung für Gewerbe, Landwirtschaft und Industrie», wie die BEA offiziell heisst. Einer nach dem andern parkieren sie mit ihren Subarus oder Toyotas und den kleinen Anhängern für das Vieh auf der kleinen Allmend. Einige Tiere scheuen, wenn sie über die Aluminiumrampen ans Sonnenlicht treten, und auf der kleinen Brücke über die Autobahn stellt der eine oder die andere sich vor, was wohl passieren würde, wenn sein Tier ausgerechnet hier ausbrechen würde. 

Im Duschzelt werden dann auch die nervösen Tiere ruhig. Einige biegen sich dem fein zerstäubten Wasser entgegen. Wohlig, könnte man sagen, aber können Kühe tatsächlich Wohligkeit empfinden? Sie werden in das Zelt, die Halle Nummer 12, geführt, wo  jedes Tier bis zum Abschluss der BEA seinen festen Platz hat.  

IMG 3653

IMG 4029

IMG 4078

Unterwegs im Herzen der BEA

Für viele Menschen aus Stadt und Agglomeration sind die Hallen 12 und 13 das Herz der BEA. Es ist ein muhendes, blökendes, meckerndes, wieherndes und grunzendes Herz. In der 13, der Pferdehalle, liegt ein Geruch von Zirkus, und in der 12 mit ihren Kühen, Schafen und Geissen riecht es nach Bauernhof. Es ist Vormittag. Die vielen Kinder sind noch frisch und neugierig. Wenn im Streichelzoo die Tür eines Gatters geöffnet wird, bilden sie davor eine Traube, und wenn die rosafarbenen Ferkel hinaus ins Freiland gebracht werden, zücken die Eltern ihr Handy. Die Bauern im Publikum erkennt man daran, dass sie breitbeinig unterwegs sind, dass sie ihre Oberkörper von links nach rechts wiegen oder sie nach vorne beugen. Man erkennt sie auch an den Kappen mit Werbeaufschriften oder am Sennenmutz, einer schwarzen Samtjacke mit Puffärmeln und roten Borten.

Polar liegt ruhig im Stroh, das an der BEA so grosszügig bemessen ist, dass selbst der wuchtige Stier halb darin verschwindet. «Wir räumen und putzen unsere Stube ja auch besonders gut, wenn wir Besuch erwarten», erklärt eine der Bäuerinnen das Übermass an Stroh, und sie legt dar, was die Landwirtschaft ausmacht. Naturnähe. Gesunde Nahrung. Schonender Umgang mit Ressourcen. Erhaltung der Biodiversität. Sie spricht gewandt wie eine PR-Fachfrau. «In der Ausbildung haben wir gelernt, uns zu erklären», sagt sie. Peter Wittwer hingegen sagt: «Du wirst es schwer haben, wenn du mich interviewen willst. Ich bin nicht sehr gesprächig.» Und das ist noch schwer untertrieben.

Polar hat jeden Tag einen Auftritt. Eine Viertelstunde vorher striegeln Peter und Res den eh schon sauber schimmernden Stier. Sie heben die Klauen, um zu sehen, ob sie sauber sind, und mit einer fliessenden Handbewegung streicht Peter die Schwanzquaste glatt. Dann legen sie dem Stier einen Strick um Hörner und Hals und den Nasenring. Sie lösen das schwere Halsband, das den Stier in der Boxe festhalten soll. Minutenlang mühen sie sich ab und sprechen Polar beruhigend zu. «Es ist alles ein wenig komplizierter als mit den Kühen», sagt Peter. Deshalb haben nur noch wenige Bauern einen Stier im Stall. Fast alle lassen ihre Kühe künstlich besamen.

Nicht so Peter Wittwer. «Ein Muni gehört dazu», sagt er. Und: «Kühe haben Hörner.» – «Damit bist du gleich doppelt in der Minderheit», gebe ich zurück. Peter mahlt mit den Zähnen lange an einer Antwort. «Für mich ist das einfach so», sagt er dann. «Ich sage nicht, dass andere es falsch machen. Aber für mich ist es so richtig.» 

IMG 4093

«Es wird mir nahegehen, wenn ich ihn an den Metzger gebe»

Er hat auch in anderen Fragen seinen ganz eigenen Stil. Er fährt nie in die Ferien. Er geht nie in die Stadt. Für einfache Feldarbeiten wie Säen und Jäten spannt er immer noch die Pferde vor die Maschinen. Betriebswirtschaftlich rechnet sich das nicht. «Aber für mich ist das einfach so», sagt er schon zum zweiten Mal. Das alles muss ich mit vielen Fragen, in immer neuen Ansätzen aus ihm herausziehen. Miteinander lachen wir über seinen sparsamen Umgang mit Worten … die ihn ganz verlassen, wenn es um Gefühle geht.

«Liebst du deine Tiere?» Wieder kaut Peter an der Antwort, aber es kommt keine. «Gibt es Tiere, die dir ans Herz gewachsen sind?» In seinen blauen Augen blitzt etwas auf. «Die Berna», sagt er und schaut zu seinem Sohn. Res nickt. Er kennt die Geschichte von den Erzählungen her. Die Berna war eine Kuh, die 13 oder 14 Jahre auf ihrem Hof war, doppelt so lange wie eine durchschnittliche Milchkuh. Sie war gesund, gut im Fleisch und gab in ihrem Leben mehr als 100 000 Kilogramm Milch. Von den 35 Kühen, die heute in Peters Stall stehen, gehen immer noch fünf auf diese Berna zurück. 

«Macht es dich traurig, wenn du eine Kuh wie die Berna weggibst?» 

«Es ist nicht so, dass ich weine. Aber gleichgültig ist es mir nicht.»

«Und welches Tier ist dir aktuell das liebste?» Wieder dieses Aufblitzen in den Augen. «Polar», sagt er. Er sei schön. Der schönste Stier wohl, den er je hatte. «Es ist schon etwas Grosses, wenn man so einen Stier an der BEA zeigen darf», sagt er. Und: «Es wird mir sicher etwas nahegehen, wenn ich ihn an den Metzger gebe.» Das sei schon sehr viel Gefühl für seine Verhältnisse, gebe ich zurück. «Ja, vielleicht ist es halt so, dass man mit dem Alter gefühliger wird», sagt er. 


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel