Anzeige
Mit Laufenten gegen die Schneckenplage
Amélie Lindner züchtet Enten aus Leidenschaft: Wie aus einer langjährigen Faszination ein Geschäftsmodell wird.
Während Gleichaltrige in den Sommerferien die Welt bereisen, zieht die 22-jährige Amélie Lindner jedes Wochenende aufs Neue von Leimiswil los. Im Kofferraum des Transporters: Indische Laufenten. Diese sind nicht nur eine grosse Leidenschaft Lindners, sondern auch ein lukrativer Nebenerwerb. Seit über sechs Jahren vermietet sie die Enten als biologische Schädlingsbekämpfung in der ganzen Schweiz – als natürliches Mittel gegen Schneckenplagen.
Von Berlin nach Leimiswil
Wenn man den Hof besucht, hört man die Tiere, bevor man sie sieht. Gänseschnattern, Hundebellen, Schafsglocken und Quaken, das aus allen Richtungen tönt. Unter der Woche lebt die gebürtige Berlinerin zwar in Ittigen, aber wirklich zu Hause ist sie hier:
im 400-Seelen-Dorf und bei ihren
65 Enten.
Die aufgestellte Frau führt in die heimelige Stube des Bauernhauses. «Als Kind wollte ich im Zoo nie die Elefanten oder Giraffen schauen, sondern immer nur die Enten», sagt sie mit einem breiten Grinsen. Es gebe vieles, was sie an den Tieren fasziniere: ihre Eleganz, Loyalität und dass sie so «trottelig» wirken, obwohl sie sehr intelligent sind.
Damals lebte Lindner noch in Berlin. Sie war elf Jahre alt, als ihre Familie von der Grossstadt nach Leimiswil im beschaulichen Oberaargau zog. Und da begannen auch schon die Anfänge des Verleihs. Lindners Stiefvater hatte sich spontan vier Enten zugelegt; schnell hatte aber Lindner die Verantwortung für sie übernommen. Noch in der Sekundarschule begann sie mit dem Züchten und baute sich einen Kundenstamm auf. Zu dieser Zeit sei es regelmässig vorgekommen, dass Kunden die Jugendliche nicht ernst nahmen und ihre Mutter als Geschäftsführerin ansprachen.
Alles dreht sich um die Tiere
Nach der Fachmittelschule in Langenthal zog Lindner nach Bern für die Lehre als Operationstechnikerin. Der Entenverleih nahm Fahrt auf und ihre geplante Karriere wurde von einem neuen Traum abgelöst: Tiermedizin. Für dieses Ziel besucht sie nun die Berner Maturitätsschule für Erwachsene in der Berner Länggasse.
Diesen Sommer drehte sich aber alles um die Entenvermietung. Das heisst: An Wochentagen um die fünf Stunden administrative Arbeit und komplett ausgelastete Wochenenden für Transport. Bei Strecken bis ins Appenzell ist Lindner immer froh um Vermietungen in der Nähe. Regelmässig verleiht sie Enten in der Stadt Bern und der umliegenden Region. Noch nie war die Nachfrage so hoch wie letzten Sommer. Obwohl Laufenten in Südostasien seit Jahrhunderten in der Landwirtschaft eingesetzt werden, sind sie in der Schweiz als Schädlingsbekämpfer relativ unbekannt. «Das kommt aber langsam, die Leute reagieren nicht mehr ganz so überrascht wie früher», so Lindner.
Wenn sie die Enten vermietet, so steht bei ihr das Tierwohl an erster Stelle. Zum Beispiel beträgt die Mietdauer mindestens vier Wochen, sonst seien die Tiere zu grossem Stress ausgesetzt. Das kostet bei zwei Enten 200 Franken, nicht mit eingerechnet der Hin- und Rücktransport.
Weder Streicheltiere noch Rasenmäher
Mit den Enten liefert sie jeweils ein Wasserbecken, spezielles Futter, Zäune und ein Fuchs-sicheres Häuschen. «Das sind Tiere und keine Rasenmäher, die ich vermiete», das sollte auch den Mieterinnen bewusst sein, denn sie sind unter anderem dafür verantwortlich, die Enten am Abend ins Häuschen zu bringen. Auch wenn Laufenten keine Streicheltiere sind, so gibt es Stammkunden, die jedes Jahr wieder mieten – auch aus Freude an den Tieren.
Sie mögen alles Schleimige
Die Enten laufen in der grossen Gruppe die Wiese hinter dem Haus ab. Von den Schafen, die ebenfalls hier weiden, lassen sie sich nicht stören. Was sie interessiert, sind Engerlinge, Käfer, Schnecken und deren Eier. «Vor allem alles Schleimige», erklärt Lindner, «einmal mussten zwar einige Cherry-Tomaten dran glauben.» Das sei aber sehr selten, sagt sie.
Prinzessinnen und Hauptstädte
Bei «Amélies Entenverleih» haben alle 65 Tiere einen Namen. Von Disney-Prinzessinnen über Bundesstaaten bis zu Hauptstädten. Eine Ente ist 15 Jahre alt und Lindner besonders ans Herz gewachsen. Denn sie sieht ihre Enten nicht als Nutztiere. Der Unterschied liegt für sie darin, wie viel man für die Tiere auf sich nimmt, ohne an den «Nutzen» zu denken. So spart sie sich keine Tierarztkosten und päppelt anschliessend verletzte Enten auf dem Stubentisch auf.
Da Lindner ihre Jugend über auf einem kommerziellen Bauernhof gearbeitet hat, kennt sie auch die Masttierhaltung. Dort die toten Hühner einzusammeln, war nicht angenehm, aber es sei halt der Job und somit die Lebensgrundlage der Leute hier, erklärt Lindner. In der Stadt hingegen werde man damit und mit der Landwirtschaft kaum konfrontiert. Den Kontrast zwischen diesen zwei Welten schätzt sie sehr – aber «am wohlsten ist es mir hier, bei meinen Viechern.»
Zwischen Regulierung und Unternehmertum
Tierpark-Direktorin Friederike von Houwald hat auch ein Herz für «kleine Lebewesen»
Wo Tiere zu Asche werden
Anzeige