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Wo Tiere zu Asche werden

In Kirchberg steht das schweizweit erste Tierkrematorium, das auch Pferde einäschern kann. Der Trend zum «würdevollen» Umgang mit Haustieren bis nach dem Tod ist auch­ Ausdruck eines Mentalitätswandels in der Gesellschaft.

| Susanne Grädel | Gesellschaft
Auch Haustieren will das Tierkrematorium ein würdiges Ende ermöglichen. Foto: Susanne Grädel

Inmitten der Industriezone von Kirchberg befindet sich das Tierkremato­rium. Bereits beim Eingang des gelben Hauses thronen zwei grosse Pferde­statuen, die den Eingang zu bewachen scheinen. Im heimelig eingerichteten Empfangsraum stehen weitere Pferdestatuen, sogar ein Karussellpferd in der Ecke. In der Mitte des Raumes verbreitet eine Kerze eine andächtige Stimmung. 

Empfangen werde ich von Brigitte Hartmann Imgrüt, der Geschäftsführerin des Tierkrematoriums. Sie führt mich in den oberen Stock des Hauses. «Hier haben wir als Familie mal gewohnt», erklärt sie mir. Das Tierkrematorium wurde 2001 gegründet, das Haus in Kirchberg 2008 gebaut. «Wir sind ein Familienbetrieb.» Heute werden die Räume als Büros genutzt. Auch hier stehen überall Pferdebüsten, hängen Bilder und Fotos von Pferden an den Wänden. Und dies nicht ohne Grund – das Tierkrematorium Kirchberg war das erste Pferdekrematorium in der Schweiz.

«Wir sind eine Rösselerfamilie», sagt Brigitte Hartmann Imgrüt mit Stolz in der Stimme. Pferdekrematorien gebe es kaum, das erste sei 2010 in Holland eröffnet worden. In Frankreich würden Pferde am Laufband mit anderen Tieren kremiert, in Industrieöfen. Seit 2013 ist die Pferdekremation auch in Kirchberg möglich. Mittlerweile hat die Familie Hartmann in Küssnacht am Rigi zusammen mit dem deutschen
Familienbetrieb «Rosengarten» ein weiteres Tierkrematorium eröffnet, in dem Pferdekremationen möglich sind. Heutzutage seien über 50 Prozent der Pferde Heimtiere. Früher seien die Tiere als Nutztiere beim Schlachter und Metzger gelandet – dies habe sich verändert. Eine Pferdekremation dauere sieben bis acht Stunden, übrig blieben dabei 20 bis 30 Kilogramm Asche. Diese werde in grosse Pferdeurnen abgefüllt, die es in verschiedenen Ausführungen gebe: Als grosse Steinkugel für den Garten, als Holztruhe oder auch als Metallbox.

Wenn das Haustier nicht zu Biotreibstoff werden soll

Aber warum sollen Tiere überhaupt kremiert und in Urnen zu Hause aufgestellt werden? Darauf hat Brigitte Hartmann Imgrüt eine klare Antwort: «Wer selbst schon mal auf einer Kadaversammelstelle war, weiss, dass das kein schöner Anblick ist! Heute weiss man, dass die Tiere dort nicht verbrannt werden, wie allgemein angenommen wurde.» 

Die Tierkadaver landen im GZM-Extraktionswerk in Lyss und werden dort geschreddert. Daraus entstehen Tierfett und Tiermehl, welche wiederum als keimfreier Brenn- und Treibstoff in der Industrie verwendet werden. Das Tiermehl wird zusätzlich in Zementfabriken zur Prozesswärmegewinnung eingesetzt oder in Steinkohlekraftwerken verbrannt. Tiermehl kann ebenso zur Futterherstellung für Heimtiere, Pelz- und Zootiere verwendet werden. Die Tiermehl-Verfütterung an Nutztiere hingegen wurde aufgrund der Rinderkrankheit BSE in der Schweiz verboten, das Tiermehl durch durch Soja ersetzt. Eine erneute Regelung für Schweine und Hühner wurde diesbezüglich im Dezember 2023 vom Eidgenössischen Departement des Innern in einer Vernehmlassung eröffnet. Bei den jährlich 90 000 Tonnen Rohware, die das GZM Lyss verarbeitet und umwandelt, handelt es sich nämlich nicht nur um tote Haustiere, sondern vor allem um Abfallprodukte aus der Schlachterei. 

Das geliebte Haustier soll aber im Gegensatz zu geschlachteten Rindern, Schweinen oder Hühnern nicht wiederverwertet werden. «Unsere Kunden und Kundinnen machen sich heute mehr Gedanken darüber, was mit ihren Haustieren nach dem Tod passiert. Sie wünschen sich einen würdevollen Abschied», sagt Brigitte Hartmann Imgrüt.

Abschied nehmen

Ihren Kunden und Kundinnen sei es ein Bedürfnis, in ihrer Trauer verstanden zu werden. «Uns ist es wichtig, dass wir den Menschen Trost schenken und ihnen in dieser schweren Zeit zur Seite stehen können.» Eine Möglichkeit des Abschiednehmens sei der Besuch des Gemeinschaftsgrabes, einer kleinen Gartenanlage direkt neben dem Haus. Liebevoll drapiert stehen Fotos, Spielzeuge, Kerzen und Namensschilder auf und neben einem grossen Steinblock. «Zu Weihnachten verwandelt sich das Gemeinschaftsgrab in ein Lichtermeer», sagt Hartmann Imgrüt. Die meisten ihrer Kunden und Kundinnen wünschten sich jedoch eine Einzelkremation des Tieres, um im privaten Raum des Zuhauses Abschied zu nehmen. «Oft wird die Asche im Garten verstreut oder beim Lieblingsplätzchen des Tieres.» 

Luxusangebot oder menschliches Bedürfnis 

Das Angebot an Tierurnen sei viel grösser als bei Menschen. So gibt es im Produkteangebot des Tierkrematoriums nicht nur kunstvolle Urnen, sondern eine weitere grosse Auswahl an Andenken – Schmuck, Steine, Armbänder, Pfotenabdrücke, Statuen, Schlüsselanhänger und Diamanten. In viele der Produkte kann eine kleine Menge der Asche beigefügt werden. Die Diamanten bestehen komplett aus der Asche des Tieres. Da stellt sich die Frage: Ist die Tierkremation ein Luxusangebot? «Humankrematorien sind mehrheitlich staatlich organisiert. Tierkrematorien hingegen sind privat. Da muss am Schluss die Rechnung stimmen, wie bei jeder Firma», entgegnet Brigitte Hartmann Imgrüt. Vielen Menschen sei es zudem wichtig, das geliebte Tier bei sich zu tragen. Für Menschen gebe es auch Angebote wie Diamanten und Schmuck, wenn man nur das Internet durchsuchen würde. Jedoch seien diese Angebote weniger öffentlich als die für Tiere. «Die Produkte werden nicht nur von jenen gekauft, die sich das problemlos leisten können. Es sind auch Menschen, die dafür sparen. Deswegen denke ich, es ist ein fundamentales Bedürfnis, ein Andenken zu haben. Das Tier hat heute einen anderen Stellenwert als früher. Früher waren Tiere grösstenteils Nutztiere. Der Hund als Wächter, weniger als Begleiter. Heute ist er ein Familienmitglied.» Die Menschen wollen sich um die Tiere kümmern, auch nach dem Tod.

Da wir ein Haustier nur für eine begrenzte Zeit bei uns hätten, sei der Trauerprozess ein anderer als bei einem Menschen. Die Tierhalter seien sich dieser begrenzten Zeit, und somit auch dem Tod des Tieres, bewusster. Bei einem Lebenspartner oder einem Kind beispielsweise sei der Tod weniger präsent, da wir nicht an einen Abschied denken wollten.

Nachhaltiges Kremieren

Brigitte Hartmann Imgrüt führt mich in den hinteren Teil des Tierkremato­riums, um mir die Ofenanlagen zu zeigen. Wir treten in eine riesige Halle, die Maschinen dröhnen. Diese werden aus einem Nebenraum über mehrere Computerbildschirme gesteuert und überwacht. Durch ein Guckloch im Ofen sehe ich das Feuer brennen. Gerade werde ein Hund kremiert – davon ist nicht mehr viel zu erkennen. Die Geschäftsführerin zeigt mir ebenso die Filteranlagen der Brennöfen, die deutlich mehr Raum einnehmen als die Öfen selbst. Die Rauchgasreinigungsanlagen gehören im Kanton Bern zur Vorschrift. Der Familienbetrieb achte besonders auf die Nachhaltigkeit ihres Krematoriums. So haben sie das eigene Label «Grüne Pfote» gegründet. «Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiges Thema. Auch für meine Töchter, die mit im Betrieb sind.» Obwohl die Öfen noch mit Gas betrieben werden, versucht der Betrieb dieses effizient zu nutzen. Dabei setzt das Krematorium unter anderem auf die modernsten Öfen, eine PV-Anlage auf dem Dach, die Produktion von Solarstrom und Abfalltrennung «bis zum Kugelschreiber». Das Label soll immer weiterentwickelt werden, die Idee von Wasserstoff als Energieträger steht im Raum. «In der Nachhaltigkeit visionär zu denken, ist uns wichtig. Wir streben immer Verbesserung an.»

Nach dem Verbrennen wird die Asche, die an steinigen Sand erinnert, zerkleinert und in die Urnen abgefüllt. Dabei achtet das Team akribisch darauf, dass auch das richtige Tier in die richtige Urne abgefüllt wird. Dabei helfen nummerierte Schamottsteine, die den jeweiligen Tieren zugeordnet werden. Danach werden die Urnen verpackt, damit die Kunden und Kundinnen sie direkt abholen können. Oder sie werden verschickt, entweder in eine Tierarztpraxis oder zum Kunden, der Kundin, nach Hause. In diesem Bereich erinnert kaum noch etwas an ein Tierkrematorium.

Zurück im Eingangsbereich warten bereits mehrere Kundinnen und Kunden am Empfang. Eine junge Frau trägt eine kleine Kartonschachtel vor ihrer Brust, aus der eine Sonnenblume ragt. Brigitte Hartmann Imgrüt drückt mir ein Päckchen Blumensamen in die Hand – es sind Vergissmeinnicht. «Alle unsere Kunden und Kundinnen bekommen diese Samen mit der Rechnung verschickt, damit sie Ihrem geliebten Schützling noch ein Andenken setzen können.»


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