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Uni Bern: Den gesamten Blutfluss im Gehirn abbilden

Franca Schmid entwickelt Computermodelle, um die Gefässstruktur und die Versorgung des Gehirns zu verstehen und abzubilden. Dies soll eines Tages neue Therapien gegen Schlaganfall oder Alzheimer ermöglichen.

| Universität Bern | Gesellschaft
Dr. Franca Schmid. Foto: zvg
Dr. Franca Schmid. Foto: zvg

Was versuchen Sie herauszufinden?

Meine Forschung beschäftigt sich mit den Blutgefässen im Gehirn. Wie überall im Körper sind die Blutgefässe für den Transport von Sauerstoff und Nährstoffen zuständig. Das Besondere am Gehirn ist, dass es einen sehr hohen Energiebedarf hat. Im Gegensatz zu den Muskeln hat es aber nur begrenzte Möglichkeiten, diese Energie zu speichern. Hinzu kommt, dass das Gehirn ständig aktiv ist, weshalb eine robuste Blutversorgung essenziell ist. Ziel meiner Forschung ist es, heraus­zufinden, wie genau die Gefässstrukturen des Gehirns beschaffen sein müssen, um diese Versorgung zu gewährleisten. Dazu muss man wissen, dass wir im Gehirn mehrere Millionen Blutgefässe haben. Zudem ist der Durchmesser der kleinsten Gefässe, der Kapillaren, zehnmal kleiner als der Durchmesser eines Haares. Die Gefässstrukturen des Gehirns sind also sehr komplex. 

Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?

Zum grundlegenden Verständnis des Gehirns gehört es, den Aufbau der Gefässstrukturen besser zu verstehen. Denn Gefässe und Nervenzellen sind miteinander gekoppelt. Das zeigt sich darin, dass sich der Durchmesser der Gefässe ständig an die aktuelle Aktivität der Nervenzellen und den damit verbundenen Energiebedarf anpasst. Die Gefäßstrukturen spielen also eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung des Gehirns. Ein weiterer Nutzen unserer Arbeit im wissenschaftlichen Kontext ergibt sich aus unserer
Me­thode. Wir verwenden keine her­kömm­lichen experimentellen Ansätze, ­sondern entwickeln spezielle computerbasierte Modelle. Diese ­haben den grossen Vorteil, dass wir spezifische Veränderungen in den Blutgefässen isoliert untersuchen können. Im Gegensatz zu Experimenten benötigen wir keine speziellen Mikroskope oder Tiermodelle. Insgesamt können wir so neue Erkenntnisse und ­Einblicke gewinnen, die mit kon­ventionellen Methoden verborgen bleiben.

Was für ein Nutzen für die Gesellschaft könnte daraus resultieren?

Eine intakte Gefässstruktur ist für die Energieversorgung und die damit verbundene gesunde Funktion des Gehirns unerlässlich. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Veränderungen in der Gefäss-Struktur zu Krankheiten führen können – zum Beispiel zu einem Schlaganfall, wenn ein arterielles Gefäss verstopft ist. Aber auch subtilere Veränderungen sind möglich, etwa eine reduzierte Gefässdichte bei Alzheimer. Derzeit versuchen wir herauszufinden, ob eine solch reduzierte Gefässdichte tatsächlich zu einem Energiedefizit im Gehirn führt. Ein solcher Energiemangel könnte erklären, warum bei Alzheimer Nervenzellen absterben. Der Nutzen für die Gesellschaft liegt zum einen darin, dass die erwähnten Krankheiten früher und besser diagnostiziert werden können. Zum anderen können Behandlungsmethoden verbessert oder sogar neue Therapieansätze entwickelt werden.

Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?

Die Anwendung computergestützter ingenieurwissenschaftlicher Methoden auf biologische Fragestellungen ist noch ein relativ junges Forschungsgebiet, sodass viel Potenzial für neue Erkenntnisse besteht. Ausserdem erfordert die Interdisziplinarität meiner Forschung ein breites Verständnis und viel Kreativität. Beides begeistert mich immer wieder aufs Neue. Faszinierend ist für mich auch die Komplexität des Gehirns selbst. Nach vielen Jahren Forschung auf diesem Gebiet lerne ich immer noch jeden Tag etwas dazu.

Welches ist die grösste Herausforderung, die es zu überwinden gilt?

Der Umgang mit Unsicherheiten. Wir arbeiten zum Beispiel mit Datensätzen, welche die gesamte Gefässstruktur eines Mäusegehirns abbilden. Die Erstellung solcher Datensätze ist aufwendig, und es können auch verschiedene kleinere Fehler auftreten. Ausserdem treffen wir in unseren Computermodellen auch Annahmen, die wir überprüfen müssen. Insgesamt müssen wir all diese Einflussfaktoren im Auge behalten und sicherstellen, dass unsere Ergebnisse trotzdem stimmen. Eine weitere Herausforderung ist die Interdisziplinarität des Projekts. Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams erfordert ein breites Verständnis, eine enge Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation. Nur so können wir die unterschiedlichen Hintergründe des Teams effizient nutzen und dadurch spannendes neues Wissen generieren.

Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?

Ein grosser Teil wird durch Gelder des Schweizerischen Nationalfonds finanziert, konkret durch den Karriere-Grant «Ambizione» und einen Projekt-Grant in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich. Zudem habe ich vor kurzem einen Grant der «Fondation Pierre Mercier pour la science» erhalten. 

 

 

Dr. Franca Schmid

 

Dr. Franca Schmid ist SNF Ambi­zione Fellow und arbeitet als Gruppenleiterin zur Mikrozirkulation im Gehirn innerhalb der Forschungsgruppe «Cardiovascular Engineering» am ARTORG Center for Biomedical Engineering der Universität Bern. Sie hat an der Universität Stuttgart Maschinenbau studiert und 2021 an der ETH Zürich doktoriert. Danach ging sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Universitäten Zürich, Stuttgart und zurück an die ETH Zürich. Nach ­einer Mutterschaftspause ist sie
seit 2022 als Gruppenleiterin am ARTORG Center der Universität Bern. 

Im Frühjahr 2023 besuchte sie als Gastforscherin das ICM Brain and Spine Institute in Paris. 

 

www.uniaktuell.unibe.ch 


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