Skip to main content

-


Anzeige

Anzeige


Schatten aufs Solardach

Die zuständige Grossratskommission lehnt die Solarinitiative der Grünen sowie die beiden Gegenvorschläge ab. Ein weiterer Rückschlag für die Energiewende?

| Fabian Christl | Politik
Solarstrom
Braucht es trotz des Solarbooms weiteren Druck der Politik? Symbolbild: Pixabay

Projekte für alpine Solaranlagen fallen derzeit reihenweise in sich zusammen. Jüngst kippten die Stimmberechtigten etwa die Projekte in Hasliberg BE, Albinen VS und Surses GR. Es sei ohnehin sinnvoller, argumentieren Landschafts­schützer, auf einen dezentralen Ausbau zu setzen. Häuserfassaden und -dächer böten ein viel grösseres Potenzial – und ganz ohne Eingriff in unberührte Natur.

Doch auch diese Strategie erlitt letzte Woche einen Rückschlag. So versenkte die bernische Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission (BAK) nicht nur die Solar-Initiative der Grünen, sondern gleich noch die beiden Gegenvorschläge dazu. Bemerkenswert: Einen der beiden Gegenvorschläge hatte die BAK selbst erarbeitet.

Während die Solar-Initiative eine Solarpflicht auf allen geeigneten Dächern und Fassaden selbst bei bestehenden Gebäuden bis 2040 will, gehen die beiden Gegenvorschläge weniger weit. Sie verlangen zwar auch eine Nachrüstung, verzichten aber auf eine Frist. Zudem werden Fassadenflächen weitgehend ausgeklammert (Kasten).

SP hat sich verspekuliert

Die Grünen reagierten in einer Mitteilung enttäuscht über den Entscheid. Offensichtlich habe die Mehrheit der Kommission die Zeichen der Zeit nicht erkannt, schrieben sie. Zwar sehe die Partei ihre Initiative als richtigen Weg, um die Energieziele des Kantons Bern zu erreichen, sagt Grossrat Beat Kohler (Grüne) dazu auf Anfrage. Die Grünen hätten sich aber einen Gegenvorschlag gewünscht, um die Chance auf einen Teilsieg zu erhöhen.

Erfreut sind dafür die Wirtschaftsverbände. Sie sprachen sich bereits Ende 2023 gegen einen Gegenvorschlag aus. Es bestehe kein Handlungsbedarf, und die Initiative sei so radikal formuliert, dass sie ohnehin scheitern werde, so die Wirtschaftsverbände.

Ob der BAK-Entscheid als Zwischenerfolg für die Wirtschaftsverbände einzustufen ist, ist allerdings schwierig abzuschätzen. Für gewöhnlich haben Empfehlungen der zuständigen Kommission im Rat ein hohes Gewicht. Wie BAK-Präsident Casimir von Arx (GLP) auf Anfrage aber ausführt, sei der kommissionseigene Gegenvorschlag nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus «formalen Gründen» bekämpft worden.

Entklausuliert bedeutet das, dass sich Teile der Linken (laut «Bund» und Berner Zeitung waren es SP-Vertreter) aus strategischen Gründen gegen den BAK-Gegenvorschlag gestellt hatten – und nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter von FDP und SVP, die es wie die Wirtschaftsverbände am liebsten beim Status quo belassen würden. Dies, weil die SP den Gegenvorschlag des Regierungsrats bevorzugt hätte.

Wenn die Initiative aber in der Frühlingssession vom Kantonsparlament beraten wird, dürfte sich die Linke nicht gegen einen Gegenvorschlag stellen. Ob ein solcher zustande kommt, wird indes im Wesentlichen von der Mitte-Fraktion abhängen, die in Energiefragen jeweils die Rolle der Mehrheitsmacherin innehat.

BAK-Mitglied Jürg Rothenbühler (Mitte) geht davon aus, dass sich seine Partei mehrheitlich hinter einen moderaten Gegenvorschlag stellen würde. Insbesondere eine Solarpflicht, die über die Produktion des Eigenverbrauchs hinausgehe, werde es aber schwer haben.

Schon heute «Solarboom» 

Fraglich ist, ob überhaupt noch Bedarf nach weitergehenden gesetzlichen Vorschriften besteht. Die Wirtschaftsverbände verweisen auf das kürzlich revidierte kantonale Energiegesetz sowie auf die nationale Gesetzgebung, die bereits für Energieeffizienz bei Neubauten und Erweiterungen sorgten. Bereits würden so viele Solaranlagen in Betrieb genommen, dass man von «einem eigentlichen Solarboom» sprechen könne.

In der Tat sind alleine im Jahr 2023 rund 1500 Megawatt Photovoltaikleistung neu installiert worden, was einem Plus von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Laut Wirtschaftsverbänden sind grössere Sprünge aufgrund von Fachkräftemangel und Netzkapazität kaum realisierbar. 

Offen, ob der Trend anhält

Der grüne Grossrat Kohler räumt zwar ein, dass gerade im letzten Jahr viele neue Solaranlagen installiert worden seien. Der Löwenanteil gehe aber auf Einfamilienhäuser zurück. Gerade bei Bestandesbauten von Industriebetrieben sowie bei grösseren Wohnhäusern von professionellen Anlegern bestehe aber Nachholbedarf.

Ausserdem sei offen, ob der Trend anhalte, sagt Kohler. Er führt den aktuellen Boom unter anderem auf den Ukra­ine-Krieg zurück, der die problematische Seite der Abhängigkeit von ausländischer Energie offengelegt habe. Spätestens wenn sich die Situation in der Ukraine wieder beruhige, könne das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Solarausbaus wieder schwinden.

Die Sorge, dass es sich beim aktuellen Boom um einen kurzlebigen Trend handelt, teilt auch Mitte-Grossrat Rothenbühler. Er verweist zwar nicht auf den Ukraine-Krieg, so aber auf die Möglichkeit, günstigen Atomstrom aus dem Ausland zu beziehen. Es brauche deshalb den «Druck der Politik», sagt er. «Wir können nicht aus der Atomkraft aussteigen und dann jegliche Alternativlösungen bekämpfen.»

 

Solar-Initiative

 

Die Solar-Initiative verlangt, dass bei Neubauten und Erweiterungen auf sämtlichen geeigneten Dach- und Fassadenflächen Solarzellen installiert werden. Bestandesbauten müssen bis 2040 entsprechend nachgerüstet werden. Ausnahmen sind vorgesehen. Die Gesetzesinitiative der Grünen wird von SP, GLP und EVP unterstützt.

 

Vorschlag Kommission

 

Der Gegenvorschlag der Kommission verzichtet wie jener des Regierungsrats auf eine Frist für Nachrüstungen. Dafür sieht er eine Pflicht zur Solarenergienutzung für grössere Parkplätze vor. In verschiedenen Punkten gewährt er den Hauseigentümern zudem mehr Spielraum, insbesondere bei der Nachrüstung von bestehenden Bauten.

 

Vorschlag Regierungsrat

 

Der Gegenvorschlag des Regierungsrats beschränkt die Pflicht bei Neu- und Erweiterungsbauten auf die Dachfläche – die Fassaden werden ausgeklammert. Zudem verzichtet er auf eine Frist bei Bestandesbauten. Eine nachträgliche In­stallation von Solarzellen wäre nur nötig, wenn das Dach ohnehin saniert würde.


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


Das Stromnetz ist für eine Solaroffensive nicht bereit

Die BKW warnt im Zuge des Solarexpress vor einer Netzüberlastung im Berner Oberland. Ohne einen Netzausbau werde es knapp. Dafür braucht es aber Zeit. Und die ist rar. 

Gegenwind für Autobahnausbau

Am Donnerstag reicht ein Komitee das Referendum ein gegen den 5,3-Milliarden-Autobahnausbau, den das Parlament im letzten Herbst beschlossen hat. Mit Einsprachen wird ausserdem gegen das Teilprojekt Grauholz vorgegangen. Unter anderem durch die Gemeinden Bolligen, Zollikofen und Ittigen und die Sta…

Der grosse Auftritt des ausgebremsten Grünen

Eine breite Initiative stellt sich gegen den geplanten Autobahnanschluss Wankdorf. Dafür weibelt massgeblich Markus Heinzer. Das hat auch mit dem Verhältnis des Grünen Bündnisses (GB) zu den Männern zu tun.