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Abbau in der Psychiatrie ist noch nicht verdaut

Nach dem vor knapp drei Wochen angekündigten und zum Teil bereits vollzogenen Angebotsabbau der UPD schieben sich die Klinikleitung und der Kanton gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Für die Betroffenen ist die Schuldfrage nebensächlich.

| Anina Bundi | Politik
Die UPD haben Angebote abgebaut. Foto: zvg
Die UPD haben Angebote abgebaut. Foto: zvg

Vor knapp drei Wochen gaben die Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD) von Bern bekannt, mehrere Angebote im Bereich der Sozialpsychiatrie und der Prävention zu schliessen oder zu verkleinern. Beim Sozialdienst der Klinik werden Stellen abgebaut, die Werkstatt Holzplatz der UPD wurde per sofort geschlossen, das Freizeitzentrum Metro schliesst Ende März und die Unterstützung des «Recovery College» Bern, das Kurse und Workshops zur psychischen Gesundheit anbietet, wurde gestrichen.


Nachdem der erste Schock verdaut ist, sind sich die Beteiligten nur in einem einig: Der Abbau ist keine gute Sache. Mittelfristig wird er sogar eher mehr Geld kosten, als kurzfristig eingespart wird. Lücken bei den ambulanten Angeboten führten zu mehr stationären Aufenthalten, die die Allgemeinheit ungleich teurer zu stehen kämen, schreibt etwa eine Allianz aus verschiedenen Berufs- und Gesundheitsorganisationen in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

Ein Teufelskreis

Dieser Teufelskreis wirkt ganz besonders bei den Sozialdiensten. Patienten der UPD kämpfen oft auch mit sozialen Problemen. Dazu gehören Geldmangel und Wohnungslosigkeit. Werden die Klinikaustritte sozialarbeiterisch weniger eng begleitet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute bald wieder stationär betreut werden müssen.


Nicht einig ist man sich darüber, wer am Abbau die Schuld trägt. In der Medienmitteilung, mit der die UPD den Abbau bekannt machten, beklagen sie die «finanziell sehr kritische Situation» und nennen als eine der Ursachen, dass die vom Kanton festgelegten Tarife für Behandlungen nicht mehr kostendeckend seien. Besonders im ambulanten Bereich mache man grosse Defizite.


Der Abbau sei keine Sparübung des Kantons, sagt dagegen Gundekar Giebel, Mediensprecher der kantonalen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion GSI. «Der Kanton unterstützt die UPD in der ambulanten Versorgung seit Jahren.» Gerade in Bereichen, wo das Geld knapp sei und die Leistungen nicht über den Grundversorgungskatalog abgedeckt seien, finanziere der Kanton mit. «Wir beteiligen uns jährlich mit Millionenbeträgen genau an dieser Art Angebote, die nun gestrichen wurden.» Die Gesundheitsdirektion sei im Vorfeld nicht über die Schliessungen informiert worden. «Die Nachricht vom Abbau kam plötzlich und in einer Kurzfristigkeit, die wir nicht nachvollziehen können, da wir mit den UPD seit Monaten in einem regen Austausch stehen. Wir werden weiter im Dialog bleiben und nach Lösungen suchen.»


Die UPD verweisen in einer Stellungnahme auf die politische Vorgeschichte. Mit der Umwandlung der UPD in eine Aktiengesellschaft im Jahr 2017 habe der Kanton grosse finanzielle Risiken in Kauf genommen und diese seien unter anderem mit der Pandemie und der Teuerung alle eingetreten. Da die UPD nun wie eine Firma funktionieren müssten, benötigten sie kostendeckende Tarife oder müssten Angebote schliessen.


Als noch «junge» selbstständige Firma hätten die UPD zurzeit noch sehr hohe Kosten. «Wir kennen unsere Verantwortung und machen die UPD produktiver. Dies dauert aber Jahre. Dazu brauchen wir eben aktuell deutlich höhere Tarife. Oder eine andere Finanzierung für diese Entwicklung hin zu tieferen Kosten. Es ist ein Zusammenspiel zwischen der GSI und den UPD.»


Zur zusätzlichen Finanzierung mit dem Normkostenmodell, auf die sich Gundekar Giebel bezieht, schreiben die UPD, sie vermöge die Deckungs­lücke nur im tagesstationären Bereich zu kompensieren. «Die ambulanten Angebote sind trotz Subventionen stark defizitär. Dieses Defizit müssen die UPD selber tragen.» Mit dem Kanton stehe man andauernd in intensiven Verhandlungen. «Auf den Punkt gebracht geht es in unseren Diskussionen meistens um die Frage, ob die Tarife zu tief sind oder unser Spital zu wenig gut arbeitet.»

1500 Unterschriften über Nacht

Nach der Bekanntgabe des Abbaus haben sich verschiedene Berufsorganisationen an die Medien gewandt: Die Verbände der sozialen Arbeit SAGES und Avenir Social, obgenannte Allianz von Verbänden aus Medizin, Psychiatrie, Psychologie und Pflege, die Gewerkschaft VPOD sowie eine Gruppe UPD-Angestellter.
Der VPOD startete eine Petition, in der er den Kanton auffordert, die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Angebote «erhalten, gemäss steigendem Bedarf erweitert und die Arbeitsbedingungen verbessert werden können» – und sammelte damit innert einer Woche über 6500 Unterschriften. «Wir haben die Petition sehr niederschwellig lanciert. Am Abend haben wir sie in zwei Whatsapp-Gruppen gestellt, am nächsten Morgen waren da schon 1500 Unterschriften», sagt Gewerkschaftssekretärin Meret Schindler.


Die Petition richtet sich an die Gesundheitsdirektion und deren Vorsteher, Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg. Am 1. Februar, dem Tag, an dem die Holzwerkstatt und das Freizeitzentrum geschlossen wurden, über­gaben sie die Unterschriften. Empfangen wurden sie von Gundekar
Giebel.


«Die UPD sagen, die Finanzierung sei seitens Kanton nicht gesichert. Herr Giebel sagt, das stimme nicht», sagt Schindler. Ihr sei eigentlich egal, wer genau die Verantwortung trage, sagt sie zum «Anzeiger». «Uns ist einfach wichtig, dass etwas passiert.» Auch sie spricht von einem Teufelskreis: «Die Psychiatrie ist allgemein nicht gut finanziert. Allerdings rentieren die stationären Angebote, die ambulanten Angebote dagegen nicht. Wird bei den ambulanten Angeboten gespart, landen die Leute auf der Station.»


Mit der unmittelbaren Reaktion seitens Kanton auf die Petition sei sie zufrieden. «Herr Giebel hat uns wohlwollend zugehört und signalisiert, dass ihm die gestrichenen Angebote am Herzen lägen und dass er unsere Anliegen an die Regierung herantragen werde.» Sie erwarte, dass der Kanton seine Verantwortung wahrnehme und zumindest zur Überbrückung Geld zur Verfügung stelle.


Auch der Dachverband für gesundheitsbezogene Soziale Arbeit SAGES und Avenir Social, der Berufsverband soziale Arbeit, sprechen in ihrer Mitteilung vor allem die Politik an. «Der Kanton schneidet sich damit ins eigene Fleisch», heisst es da. Es sei erwiesen, dass soziale Integration von Menschen mit psychischen Problemen der entscheidende Faktor für eine Stabilisierung sei. Sie fordern vom Kanton und von den UPD, den Abbau-Beschluss rückgängig zu machen.


«Wenn die Leute durch finanzielle und Wohnungsprobleme belastet sind, können sie sich weniger gut auf die Therapie konzentrieren», sagt auch Sabine Hobi, die als Assistenzärztin in der Psychotherapeutischen Tagesklinik der UPD arbeitet. Das gelte auch für die Angestellten, die nun wohl einen Teil der Sozialarbeit übernehmen müssten. «Das macht uns erstens keine Freude, wir haben ja einen anderen Beruf gelernt, und zweitens können wir es auch weniger gut als Leute, die das extra studiert haben.» Auf ihrer Abteilung sei man auch empört darüber, über den Abbau so kurzfristig und nur per Mail informiert worden zu sein. Es herrsche eine schlechte Stimmung. «Alle wissen, wie wichtig die Sozialarbeit ist.»


Klar ist: Die Probleme in den UPD werden nicht so schnell verschwinden. Während es nämlich an Geld und an Personal mangelt, steigt der Bedarf an Behandlungen weiter an. Davon besonders betroffen sind laut UPD Kinder und Jugendliche sowie, aus demografischen Gründen, ältere Menschen.

Wird es die Fusion richten?

Etwas Entlastung erhoffen sich die UPD von der geplanten Fusion mit dem Psychiatriezentrum Münsingen (PZM). Investitionen könnten so «einmal statt doppelt getätigt, betriebliche Doppelspurigkeiten verhindert und der Aufwand für das Management stark reduziert werden», schreiben sie. Dass in der Fusion Chancen liegen, sieht auch Meret Schindler vom VPOD so. «Da uns signalisiert wurde, dass dadurch keine Leute entlassen werden, unterstützen wir den Zusammenschluss. Ein Allheilmittel ist sie allerdings nicht.»


Gerade beim Thema Fusion zeigt sich auch, dass zwischen der GSI und den UPD zumindest kommunikativ nicht die volle Harmonie herrscht. Am 7. Februar schrieb die «Berner Zeitung», die Fusion verzögere sich. Der Regierungsrat habe den Fusionsantrag an UPD und PZM zurückgeschickt und «vertiefte Abklärungen» verlangt. In Psychiatriekreisen sehe man das als «Ohrfeige» für die beiden Unternehmen. Schon wenige Tage später folgte eine gemeinsame Medienmitteilung von UPD, PZM und GSI: Sie gaben bekannt, dass eine Absichtserklärung zum Zusammenschluss unterzeichnet sei. Die Fusion ist demnach für Januar 2025, spätestens aber für Januar 2027 geplant.


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