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Vier Visionen für die Schützenmatte
Gewalt, Drogen, Diebstähle: Die Schützenmatte im Bollwerk dominiert wieder einmal die Schlagzeilen. Doch wie erleben die vier Kandidierenden fürs Berner Stadtpräsidium die Situation? Und vor allem: Was für eine Vision haben Sie für den unwirtlichen Platz neben der Reitschule?

Alec von Graffenried (GFL): Vom Hotspot zum coolen
zentralen Platz
Die Schütz ist ein Hotspot, im Nachtleben, im Politgezänk, in der Ausgehkriminalität – und sie liegt direkt neben der Reitschule. Infolge ihres unwirtlichen Charakters zieht sie auch Randständige, die Drogenszene und allerlei Kleinkriminelle an. Sobald diese den Platz dominieren, kippt die Stimmung. Es ist daher seit langem unser Ziel, die Schütz zu beleben und ein friedliches Nebeneinander zu ermöglichen.
Nach der Pandemie gibt es weniger Partyvolk auf der Schütz. Hingegen halten sich viele ungenügend betreute junge Männer aus dem Asylbereich dort auf, die mit Drogen handeln und Messern hantieren. Dies könnte die Schütz erneut zum Kippen bringen. Mittels Betreuung, Belebung, baulichen Massnahmen, Sicherheitsdienst und Kontrollen versuchen wir, die Lage im Griff zu behalten. Das Gute ist, dass alle Stellen am gleichen Strick ziehen.
Ist das zuviel Aufwand für einen einzelnen Platz? Nein, denn wir bearbeiten damit eine Vielzahl von aktuellen sozialen Problemen. In andern Städten verteilen die sich über die ganze Stadt, bei uns konzentriert sich vieles auf die Schütz.
Wie soll sich die Schütz langfristig entwickeln? Nach der Bahnhofumgestaltung 2029 soll sie ein neues Gesicht erhalten. Aus meiner Sicht fehlt ein Platzabschluss Richtung Schützenmattstrasse. Könnte ich allein entscheiden, würde ich den Platz dort mit eingeschossigen Atelierbauten oder Marktständen abschliessen, die Begrünung verbessern und damit die Platzbelebung dauerhaft ermöglichen, damit der Hotspot zum coolen zentralen Platz von Bern wird.
Marieke Kruit (SP): Schliessungsforderungen sind politische Effekthascherei
In den letzten Monaten zeigt sich ein besorgniserregendes Bild auf der Schützenmatte mit sichtbarem, vermehrtem Drogenkonsum, Drogendeal und Kleinkriminalität. Zudem kam es kürzlich zu gewalttätigen Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten. Diese Gewalt verurteile ich in aller Deutlichkeit.
Ähnliche Probleme gibt es auch an Brennpunkten in anderen Städten in der Schweiz und Europa. Ursache sind neue Drogen wie Crack, die Perspektivlosigkeit von geflüchteten Personen oder überlastete Strukturen für die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Die Ursachen sind vielfältig und deshalb braucht es auch vielfältige Massnahmen. Die Stadt hat deshalb beispielsweise die Beleuchtung verbessert, einen sicheren Rückzugsraum geschaffen, unübersichtliche Ecken entrümpelt, einen privaten Sicherheitsdienst engagiert. Es wird aber weitere Massnahmen brauchen.
Für das friedliche Miteinander auf der Schützenmatt intensiviert der Gemeinderat nun die Gespräche mit allen – der Polizei, der Reitschule, den beteiligten städtischen und kantonalen Behörden. Forderungen, die Reitschule zu schliessen, sind politische Effekthascherei und führen uns nicht weiter. Die Probleme würden nicht verschwinden, sie würden sich höchstens verlagern. Die Reitschule ist gerade auch ein wichtiger Treffpunkt für Jugendliche.
Die Schützenmatte soll mittelfristig neugestaltet und damit aufgewertet werden. Aber auch damit wird es weiterhin gezielte Massnahmen und ein gut koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten benötigen. Da bin ich realistisch.
Janosch Weyermann (SVP): Ein Hochhaus mit Pop-ups wäre ein Gewinn für alle
Die aktuelle Situation rund um die Schützenmatte ist besorgniserregend und unserer Bundesstadt nicht würdig. Ein solch zentraler Ort wie die Schützenmatte sollte besser genutzt werden und nicht Linksextremen als Spielplatz dienen. Meiner Meinung nach braucht es von Seiten der Betreiber der Reitschule die Bereitschaft, künftig mit der Polizei zu kooperieren. Die Stadt sollte zudem in den künftigen Leistungsverträgen mit der Reitschule Strafmassnahmen (wie die Kürzung von Geldern, temporäre Schliessung usw.) verankern, falls die vereinbarten Abmachungen nicht eingehalten werden.
Die Schützenmatte sollte längerfristig klar einer anderen Nutzung zugeführt werden. Davon würde am Ende auch die Reithalle profitieren. Denn so könnte sie sich künftig auf ihren Kulturbetrieb konzentrieren.
Als mögliche Idee schwebt mir ein Hochhaus mit Pop-up Flächen für Gastro und Geschäfte, Büros, Ateliers, Studentenwohnungen, allenfalls ein Restaurant mit Dachterrasse, eine Kita sowie ein Parkhaus für Autos und Velos vor. Um das Hochhaus soll ein naturnah gestalteter Park mit Baumallee, Wasserfläche und Bänken zum Verweilen einladen. Die Stadt könnte die Schützenmatte im Baurecht an einen privaten Investor abgeben, welcher den kompletten Bau finanziert. Dies hätte für die Stadt den Vorteil, dass sie in der Überbauungsordnung festlegen könnte, welcher Nutzung das Hochhaus zugeführt werden müsste, sie hätte zudem keine Investitionskosten zu tragen und würde durch den Baurechtszins sogar noch Einnahmen generieren. Eine Win-win-Situation.
Melanie Mettler (GLP): Die Schützenmatte als urbaner Ort für alle Generationen
Nach friedlichen Jahren sorgen gewaltsame Vorfälle auf der Schützenmatte für Schlagzeilen. Als Bürgerin dieser Stadt verurteile ich Gewalt ohne Wenn und Aber, und in jeglicher Form. Gewaltbereitschaft an so hoch frequentierten Orten untergräbt das Gemeinwohl. Alle Menschen sollen sich an diesem für Bern ungewöhnlich urbanen Platz aufhalten können und sollen ihn deshalb auch gemeinsam pflegen.
Die Reitschule ist dabei eine wichtige Akteurin. Sie wird manchmal lediglich als Rückzugsort für Chaoten präsentiert – sie ist aber gleichzeitig auch seit Jahrzehnten ein Ort, wo Grundsätze von Gewaltfreiheit und Vielfalt engagiert gepflegt werden. Die Reitschule ist ein fester Bestandteil von Berns Kulturlandschaft und geniesst grossen Rückhalt bei der Bevölkerung.
Die Schützenmatte hat in den letzten Jahren dank dem kreativen Engagement vieler Freiwilliger enorm an Leben gewonnen. Leider kam die Entwicklung dieses zarten Pflänzchens während der Pandemie ins Stocken. Nun müssen wir wieder investieren in die Belebung und entsprechend auch Ressourcen zur Verfügung stellen. Denn auch ein öffentlicher Platz gedeiht nur mit Pflege und Engagement.
Beton kann keine Gemeinschaft bauen. Wie wäre es, wenn wir alle, Alt und Jung, öffentliche Hand und Bernerinnen und Berner, in diesen Raum investieren? Man kann es als Problem betrachten, wenn alle Jugendlichen der Region gleichzeitig auf engem Raum über die Stränge schlagen. Oder wir können es als Chance sehen, der Vielfalt einen Platz zu geben. So kann Bern als Ganzes weiterhin gedeihen.