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Tramvorlage spaltet Rot-Grün-Mitte-Bündnis

Ausgerechnet die traditionell gemeinderatstreuste Partei, die Grüne Freie Liste (GFL), schert bei der Tram-Abstimmung aus. Andere Parteien vermuten darin ein Wahlkampfmanöver. Doch auch beim Grünen Bündnis (GB) gab es rege Diskussionen über die Vorlage. 

| Fabian Christl | Politik
Ersatzbus.
Wird der Ersatzbus Richtung Fischermätteli zur Dauerlösung? Foto: Wikimedia

Wenn es in Bern ums Tram geht, ist Feuer im Dach. Selten wurden in der Bundesstadt Abstimmungskämpfe so emotional geführt, wie bei den grossen Tramvorlagen Tram Region Bern und Bern West, die beide mindestens eine Zusatzschlaufe einlegen mussten. 

Im Vergleich dazu ist es vor der Abstimmung am 22. September über die Sanierung des Fischermätteli-Trams relativ ruhig. Ein bisschen Nervosität ist in der Politik wenige Wochen vor der Abstimmung trotzdem auszumachen. So gründeten die Befürworter ein Pro-Komitee, was angesichts der linken Dominanz bei Abstimmungen über Gemeinderatsvorlagen nur selten der Fall ist. Und dies, obwohl der Kredit für den städtischen Kostenanteil in der Höhe von 15,7 Mio. Franken selbst von den oppositionellen Zentrumsparteien Die Mitte und GLP mitgetragen wird. 

Extraschlaufe im Stadtrat

Grund für die Nervosität ist, dass der Kredit selbst bei den Parteien des Rot-Grün-Mitte-Bündnisses (RGM), die traditionellerweise Tram-freundlich sind, zu regen Diskussionen geführt hat. 2021 hatte die Stadtratsmehrheit den Kredit sogar noch mit der Auflage zurückgewiesen, zu prüfen, ob das Fischermätteli-Tram nicht doch durch einen Bus ersetzt werden könnte. 

So ist die Linie zwischen Bahnhof und Fischermätteli im Verhältnis sehr schlecht ausgelastet. Prognosen des Kantons gehen davon aus, dass sich dies auch nicht ändern werde. Die Gegner betonen deshalb, dass ein Neubau des Trams angesichts des geringen Passagieraufkommens heute kaum bewilligt würde. Mit einem Bus könne man einerseits Geld sparen, andererseits die Fahrfrequenz erhöhen. Ausserdem seien Tramschienen für Velofahrende ein altbekanntes Problem.

Der Gemeinderat bestellte in der Folge einen Fachbericht zur Frage, welches Transportmittel für die Strecke geeigneter wäre. Ein Vorteil der Tramlinie wäre, heisst es im Bericht, dass bei Fertigstellung des Tram Ostermundigen das Tramnetz mit fünf durchgebundenen Linien betrieben werden könnte. Ohne Fischermätteli-Tram - so der Bericht - bräuchte es im Bereich Bahnhof/Hirschengraben eine Wendeschlaufe für das Ostermundigen-Tram, was die knappen Platzverhältnisse dort zusätzlich belasten würde. 

GFL schert aus

Nach Erscheinen des Berichts hat sich die Ratsmehrheit schliesslich klar hinter das Projekt gestellt. Trotzdem scheint das Thema auch in den für gewöhnlich tramfreundlichen Parteien kontrovers diskutiert zu werden. Das GB unterstützt zwar den Kredit, hat sich aber dem Pro-Komitee nicht angeschlossen. Die GFL wiederum wirbt mit FDP und SVP für ein Nein zur Vorlage. Dies nicht zuletzt aus ökologischen Gründen, wie GFL-Co-Präsidentin Tanja Miljanovic auf Anfrage ausführt. So müsse für die Sanierung, die eigentlich einem Neubau gleichkomme, tonnenweise Stahl und Beton in den Boden versetzt. Vor allem aber findet Miljanovic, dass man zuerst die Frage nach einer weiteren Tramachse durch die Innenstadt beantworten müsse, bevor man einen seriösen Entscheid fällen könne. «Leider hatte unser Antrag im Stadtrat keine Chancen.»

Wie Miljanovic wirbt auch die Stadtberner Mitte-Grossrätin Sibyl Eigenmann unter anderem mit Umweltschutz für ihre Haltung – kommt dabei allerdings zum umgekehrten Schluss. So seien Trams insgesamt ökologischer, sagt Eigenmann. In der Vorlage sei zudem nicht nur die Tramsanierung enthalten, sondern auch die Begrünung von Plätzen, das Pflanzen von 34 Bäumen und die behindertengerechte Ausgestaltung sämtlicher Haltestellen im Projektperimeter. Nicht zuletzt sei auch die Quartierbevölkerung für das Tram, wie Umfragen gezeigt hätten. «Als Volksvertretende fühlen wir uns der Quartierbevölkerung verpflichtet.» Es sei zudem «erwiesen, dass ein Quartier durch ein Tram aufgewertet wird», so Eigenmann. 

Ein Wahlkampfmanöver?

Dass sich die GFL, die sich stets damit rühmte, die regierungstreuste Partei zu sein, für die Nein-Parole entschied, wird innerhalb des Rot-Grün-Mitte-Bündnisses kontrovers diskutiert. Hinter vorgehaltener Hand heisst es, dass die GFL die Abstimmung für ein Abgrenzungsmanöver im Hinblick auf den Wahlkampf nutze. So wird Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) von SP-Kollegin Marieke Kruit bei den Wahlen im November herausgefordert. 

Die Nein-Parole, eine Wahlkampf-Aktion? Miljanovic winkt ab. «Das Gegenteil ist der Fall», sagt sie. Die GFL habe die Nein-Parole nicht wegen, sondern trotz Wahljahr verabschiedet. So sei der Partei auch bewusst gewesen, dass ihr Entscheid ausgeschlachtet werden würde. «Aber wir sind auch im Wahljahr nicht bereit, eine schlechte Vorlage zu unterstützen.»

Präzisierung: In einer ersten Version des Aritkels hiess es, ein Vorteil der Beibehaltung des Fischermätteli-Trams sei, dass die Wendeschlaufe des Weissenbühl-Trams am Bahnhof nach Realisierung des Tram Richtung Ostermundigen hinfällig würde. Allerdings fällt laut Expertenbericht stärker ins Gewicht, dass es mit einem Fischermätteli-Tram keine neue Wendeschlaufe für das Ostermundigen-Tram bräuchte, da sämtliche Tramlinien durchgängig geführt werden könnten. Die aktuelle Wendeschlaufe fürs Weissenbühl-Tram im Bereich Bahnhof / Hirschengraben würde bei einem Busbetrieb ab sofort hinfällig.


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