Welches Ziel verfolgt die BFH mit dem Modell für Armutsmonitoring?
Der Kampf gegen Armut ist ein wichtiges Anliegen und zeichnet eine solidarische Gesellschaft aus. In der Schweiz liegt die Hauptverantwortung für Massnahmen gegen Armut bei den Kantonen. Vielen von ihnen verfügen nicht über gesicherte Angaben zu den finanziellen Verhältnissen armer Menschen. Deshalb hat die BFH zusammen mit dem Hilfswerk Caritas ein Modell erarbeitet, mit dem es möglich ist, die Entwicklung der Armut zu beobachten.
Basis sind verschiedene Daten über die Bevölkerung, die dank der fortschreitenden Digitalisierung aufbereitet und genutzt werden können. In einer ersten versuchsweisen Anwendung haben BFH und Caritas mit dem Modell die Grundlagen für ein Armutsmonitoring im Kanton Bern erstellt. Die Kantone Basel-Landschaft und Wallis haben das Modell inzwischen eingeführt und derzeit laufen Vorprojekte mit den Kantonen Schaffhausen und Solothurn.
Wie funktioniert das Monitoring genau?
Das Modell basiert auf den Steuerdaten. Es verknüpft diese Angaben mit verschiedenen anderen Daten über die Bevölkerung und Zahlen zur Sozialhilfe, die an bedürftige Menschen ausgerichtet wird. Durch die Summe dieser Daten lässt sich die finanzielle Situation der Bevölkerung zuverlässig abbilden und es wird auch möglich, die Entwicklung der Armut über die Jahre zu verfolgen und zu interpretieren.
Das Modell zeigt zudem, welche Menschen unter der Armutsgrenze leben, aber keine Unterstützung durch die Sozialhilfe erhalten oder wie viele Menschen unmittelbar oberhalb der Armutsgrenze leben und somit armutsgefährdet sind. Das Zusammenfügen aller Daten erfolgt übrigens in anonymisierter Form, um den Vorgaben des Datenschutzes Rechnung zu tragen.
Welchen Nutzen resultiert aus dem Forschungsprojekt für die Gesellschaft?
Das Monitoring liefert verlässliche Zahlen, wie viele Menschen in der Bevölkerung kaum oder nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren und in welchen Gemeinden sie wohnen. Gestützt darauf können Politik und Behörden auf lokale Gegebenheiten abgestimmte Massnahmen treffen, um bedürftige Menschen zu unterstützen und die Armut zu reduzieren. Mit dem Monitoring lässt sich auch überprüfen, ob die getroffenen Massnahmen den gewünschten Effekt haben oder nicht. Ein Monitoring kann zudem dazu beitragen, dass in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Bedürfnisse armer Menschen zunimmt.
Worin liegt die Faszination des Forschungsprojektes?
Die Armut zu bekämpfen, ist eine zentrale Aufgabe einer Gesellschaft und eines Staates. Einerseits bringt Armut Leid über Betroffene, andererseits gefährdet sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit dem Monitoring kann die BFH einen Beitrag gegen Armut leisten und der öffentlichen Hand ein Werkzeug in die Hand geben, um die Armut gezielt und wirkungsvoll zu verringern. Es zeigt auf eindrückliche Weise, wie wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Praxis verbunden werden und im direkten Lebensumfeld der Menschen Wirkung entfalten können.
Welche Herausforderungen galt es in dem Projekt zu überwinden?
Es galt Lösungen zu suchen, wie die Datenbestände unter Einhaltung des Datenschutzes wissenschaftlich genutzt werden können. Weiter ging es darum, Indikatoren zu entwickeln, welche die aus fachlicher Sicht wichtigsten Punkte beinhalten, wie Armut gemessen werden kann. Dabei orientierten sich die Forschenden an nationalen und internationalen Standards der Armutsmessung, und sie bezogen auch neuste Erkenntnisse der Armutsforschung ein.
Das Forschungsprojekt Armutsmonitoring steht unter der Leitung von Prof. Dr. Oliver Hümbelin. Er ist seit 2020 Dozent und Forscher im Departement Soziale Arbeit der BFH. Sein Fachgebiet umfasst die Themen Armut und Soziale Sicherheit in der Schweiz. Er kümmert sich schwergewichtig um Aspekte wie Armut und Ungleichheit in der Schweiz, Sozialwesen in der Schweiz, Gesundheit und Armut, Forschung mit Administrativ- und Registerdaten sowie statistische Analysen. Neben Hümbelin am Armutsmonitoring beteiligt sind Prof. Dr. Robert Fluder, emeritierter Dozent, Tina Richard, Lukas Hobi und Maurizio Strazzeri, wissenschaftliche Mitarbeitende an der BFH. www.bfh.ch