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Familie und Beruf

Unternehmen sollen die Lebens­balance ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, schreibt «Anzeiger»-Kolumnist
Peter Stämpfli. Doch nicht jede Maximalforderung könne erfüllt werden.

| Peter Stämpfli | Wirtschaft
Peter Stämpfli
Unternehmer Peter Stämpfli. Foto: zvg

Eine gute Work-Life-Balance ist eine häufig gestellte Forderung. Der Begriff bedeutet, dass Arbeit und Leben ausgeglichen sein müssen, und dass es neben der Arbeit ein Leben gibt, das erst beginnt, wenn die Arbeit zu Ende ist. Doch Arbeit und Leben sind nicht zwei unterschiedliche Teile, sondern Arbeit ist Teil des Lebens. Lebens­balance und nicht Work-Life-Balance meint, das ganze Leben ausgewogen zu gestalten. 

Die Eckpunkte der Lebensbalance sind Lebenssinn, körperliches Wohlbefinden, soziale Integration und Leistung, zu der die Arbeit zählt. Arbeit ist also Teil des Lebens. Sie steht nicht ausserhalb als losgelöster Teil. Gespräche mit Arbeitslosen zeigen, wie wichtig eine Arbeit nicht nur für das Einkommen, sondern auch für die soziale Integration und Zufriedenheit ist. Arbeit ist wesentlich, um uns den Lebensstil, den Status und die Anerkennung zu ermöglichen, die wir uns wünschen. 

Die Eckpunkte der Lebensbalance beeinflussen sich gegenseitig. Beziehungsprobleme werden von zu Hause an den Arbeitsplatz getragen und wirken sich dort auf die Zusammenarbeit aus, zum Beispiel durch Gereiztheit, durch Unaufmerksamkeit oder durch einen stillen Rückzug. Umgekehrt gilt: Wer belastende berufliche Sorgen hat, wird sie ins private Leben tragen und damit die Stimmung in der Familie mitprägen. So betrachtet, hört Arbeit am Feierabend und privates Leben bei Arbeitsbeginn nicht auf. Die Lebens­balance wird also durch mein ganzes Umfeld, meine Identität und meine Arbeit geprägt. 

Mit der Lebensbalance ist es wie mit der Freiheit: Sie geht immer nur so weit wie diejenige der Anderen. Die meine geht so weit wie die meiner Frau und die der Menschen an meinem Arbeitsplatz. Wenn ich genau das mache, was mir selbst passt, passt das höchstwahrscheinlich anderen nicht. Lebe ich die für mich ideale Lebensbalance, verhindere ich die ideale Balance der Mitglieder meines Arbeitsteams. Wir müssen unsere Balance zusammen mit den Menschen suchen, die zu unserer Lebenswelt gehören, und das bedeutet, Konsequenzen in Kauf zu nehmen, die unangenehm sein können. Wir müssen uns einschränken, ohne uns aufzugeben; das ist gerade für junge Familien eine Gratwanderung. 

Unternehmen können die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit eine gesunde Lebensbalance der Familie unterstützen. Sitzungen in Randstunden können für Eltern belastend werden und Eltern kranker Kinder benötigen Zeit, um eine Betreuung zumindest zu organisieren. Das Arbeitsumfeld kann in solchen Fällen Verständnis und Flexibilität zeigen, ein Geben und Nehmen, das für alle gewinnbringend ist. Doch die Unternehmen haben ebenfalls ihre Lebensbalance, die sie halten müssen. Nicht jedes Entgegenkommen, nicht jede Flexibilität und nicht jeder Teilzeitgrad sind möglich. Die Unternehmen wie die Mitarbeitenden müssen sich der negativen Konsequenzen, die Maximalforderungen mit sich bringen, bewusst sein. Gegenseitiges Verständnis und Kompromisse sind zwingend für eine gesunde Lebensbalance aller. 

Zur Person

Peter Stämpfli leitet zusammen mit seinem Bruder die Stämpfli Gruppe, Verlags- und Kommunikationsunternehmen, in Bern. Er engagiert sich für wirtschafts- und sozialpolitische Anliegen, u. a. als Präsident der Unternehmergruppe Fokus Bern.


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