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Das grosse Geschäft mit den Muskeln

Auch in der Region Bern setzen Firmen auf den Fitnessboom. Das Unternehmen Sensopro aus Münsingen hat den Durchbruch geschafft und ist ­bereits international tätig. Andere backen wortwörtlich noch kleinere Brötchen.

| Fabian Christl | Wirtschaft
Kraftakt
Das Fitnesszenter Kraftakt hat sich zwei Jahre nach Gründung bereits etabliert. (Foto: Nik Egger)

Ein Mann sitzt am «Latzug», eine Frau wärmt sich auf dem Laufband auf, eine andere auf einem undefinierbaren Gerät, bestehend aus einem Metallgerüst, gefederten Bahnen für die Füsse und zahlreichen Gummiseilen. Noch ist nicht viel los an diesem Nachmittag im Fitnessstudio Kraftakt in Deisswil (Gemeinde Stettlen), doch das wird sich bald ändern. Nach Feierabend nutzen jeweils dutzende Personen das Angebot, bestehend aus Kraftgeräten, Gruppenkursen, Functional Training und Weiterem.

Die Zeiten, in denen man Krafträume mit dumpfen Muskelprotzen assoziierte, sind längst vorbei. Fitness liegt im Trend; immer mehr Schweizerinnen und Schweizer verfügen über ein Fitnessabo. Ideale Voraussetzungen für innovative Unternehmen, um gutes Geld zu verdienen.

Startup-Geist beibehalten

Eines davon hat seinen Hauptsitz in Münsingen. Es ist die Firma Sensopro, die mit dem «Luna Fitness», dem eingangs erwähnten Metallgerät mit den Gummiseilen, einen Verkaufsschlager geschaffen hat. Vor rund zehn Jahren als kleines Startup gegründet, beschäftigt Sensopro bereits über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hat Ableger in den Niederlanden und in Schweden und ist über Partnerfirmen in zahlreichen weiteren Ländern vertreten.

005 Stettlen Fitness Kraftakt

Der Startup-Geist ist aber erhalten geblieben, wie ein Besuch am Hauptstandort in Münsingen zeigt. Im Aufenthaltsraum steht eine grosse Bar, der Tisch ist mit Pizzaschachteln vollgestellt und in einer Ecke hat es sogar ein Bett, auf dem gerade eine Mitarbeiterin Siesta macht. Neuankömmlinge werden mit Handschlag oder Umarmung begrüsst; einige sind konzentriert am arbeiten, andere verfolgen auf dem Smartphone die erste Lauberhornabfahrt dieses Jahres – und brechen in Jubel aus, als Marco Odermatt mit Bestzeit über die Ziellinie fährt. 

Man sollte sich aber von der leicht chaotischen Atmosphäre nicht täuschen lassen. Der «Sensopro», wie die «Luna Fitness» umgangssprachlich bezeichnet wird, ist ein Premiumprodukt. Der Preis liegt bei rund 25 000 Franken, kann aber je nach Ausführung und Bestellmenge variieren. «Swiss made» und hohe Qualitätsstandards hätten ihren Preis, sagt Daniel Herzog, der bei Sensopro für das Marketing zuständig ist und den Reporter in den Räumlichkeiten rumführt.

Trotzdem gibt es im Raum Bern gefühlt kein hochwertiges Fitnessstudio, das ohne einen «Sensopro» auskommt. Im Kraftakt in Stettlen stehen sogar deren zwei. Einen hätten sie secondhand übernehmen können, erzählt Michel Mäder, der zusammen mit Ehefrau Gina und Kollege Dominik das Fitnessstudio führt. Den zweiten hat ihnen die Firma Sensopro gratis für ein Jahr zur Verfügung gestellt. «Das war clever; denn wenn wir ihn danach wieder zurückgegeben hätten, hätte es bei unseren Kunden einen Aufstand gegeben.»

Kraftakt: Ziel beinahe erreicht

Clever war auch die Standortwahl des Studios. Auf dem Gelände der ehemaligen Kartonfabrik in Deisswil ist ein Quartier entstanden, mit Wohnungen, Gewerbe und Freizeiteinrichtungen. Bereits zwei Jahre nach der Eröffnung des Fitnessstudios sind die angestrebten 1000 Mitglieder beinahe erreicht. 

Neben der guten Lage hat auch das Netzwerk der drei Gründer zum Erfolg beigetragen – sie bieten bereits seit zehn Jahren Fitnesskurse an. Der Hauptgrund, wieso es so gut laufe, sei aber die freundliche und familiäre Atmosphäre sowie die intensive und qualitativ hochwertige Betreuung, sagt Gina Di Nardo. Deswegen kämen sogar Leute aus der Stadt Bern bis nach Stettlen ins Training.

Dass das Kraftakt so gut funktionieren würde, war zu Beginn nicht absehbar. Die ganze Planung fand während der Corona-Pandemie statt. In den ersten paar Wochen der Eröffnung mussten die Kundinnen und Kunden noch mit Gesichtsmaske trainieren. «Es war schon ein wenig verrückt, mitten in der Pandemie ein Fitnesscenter zu eröffnen», sagt Mäder. 

Die Pandemie hat die Fitnessbranche hart getroffen. Einige Studios haben die temporäre Zwangsschliessung nicht überlebt und vor allem ältere Leute blieben auch nach der Aufhebung der Einschränkungen den Studios fern, wie aus einer Studie von «Swiss Active», der Interessengemeinschaft Fitness Schweiz, hervorgeht. Doch die Branche erholte sich schnell. Das Vorpandemie-Niveau dürfte schon bald wieder erreicht werden, wenn es denn nicht schon erreicht wurde – aktuelle Zahlen liegen noch keine vor.

Manche Unternehmer haben die Zeit aber genutzt, um sich umzuorientieren. Der Koch Patrick Frey aus Bremgarten etwa gründete vor fünf Jahren «Paddy’s Fitmeal». Das Ziel: Fitnesszenter mit gesundem und leckerem Essen für ihre Mitglieder und Angestellten beliefern. Mit der Zeit sind weitere Kunden wie Kitas dazugekommen.

«Als viele Studios aufgrund der Pandemie schliessen mussten, hatte ich am Ende des Monats trotzdem mehr Geld in der Tasche», sagt er. Dies weil die Belieferung viel Zeit in Anspruch nahm und sich als wenig effizient herausstellte. Mittlerweile fokussiert er deshalb mehr auf gesundheitsbewusste Privatpersonen. In Köniz hat er zudem die Bar «bim NachBAR» eröffnet. «Fitness wird aber immer Teil des Konzepts bleiben.»

Nachhaltig wachsen 

Zurück nach Münsingen, zu Sensopro. Obwohl die Erfolgskurve des Unternehmens seit Gründung steil noch oben zeigt, hat es weiterhin Herausforderungen zu meistern. Eine liegt in der Qualität des Geräts begründet: Das Metallgerüst hält ewig. Zwar müssen die Gummiseile regelmässig ersetzt werden, damit verdient Sensopro nach eigenen Angaben aber kaum Geld. 

Für das Unternehmen gilt es deshalb neue Märkte zu erschliessen. Wie so manche Firma der Branche strebt Sensopro den Markteintritt in den USA an. «Aber wir wollen lieber langsam, nachhaltig wachsen, als überstürzt in neue Länder vorzudringen», sagt Marketing-Fachmann Herzog. 

Zudem ist das Unternehmen dabei, das Portfolio ständig auszuweiten. Das Entwicklerteam tüftelt derzeit an Sensoren und Applikationen, um individualisiertes Training zu ermöglichen – und dank Abo-Modellen für die entsprechende Software beständig Einnahmen zu generieren. Ausserdem strebt das Unternehmen mit kleineren, günstigeren Modellen an, Privatpersonen und Dienstleistungsunternehmen zu erreichen. Bereits existieren mehrere handlichere Modelle, die in Büros, in Schulen oder zu Hause dafür sorgen sollen, dass sich die Menschen künftig mehr und gesünder bewegen. 


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