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Wie Zugvögel helfen, Probleme zu erkennen

In der letzten Woche sah man in Bern Vogelschwärme ihre Runden ziehen – obwohl wir noch mitten im Winter stecken. 

| Linda Pfanner | Gesellschaft
Bienenfresser
Die Bienenfresser brüten neu auch in der Schweiz. Foto: Unsplash

Martin Spiess, Sie arbeiten in der schweizerischen Vogelwarte Sempach und beobachten seit 50 Jahren Vögel. Was ist da los? 

Momentan kann man an verschiedenen Orten in der Schweiz Vogelschwärme der aus Nordeuropa stammenden und bei uns in der Schweiz überwinternden Bergfinken beobachten. Auch kommen die ersten Zugvögel bereits wieder aus ihren Winterquartieren zurück. Viele Zugvögel sind im Vergleich zur Situation vor 50 Jahren eine Woche bis zehn Tage zu früh zurück in der Schweiz. Das ist bemerkenswert. Natürlich kehren nicht alle Zugvogelarten zur selben Zeit zurück, da sie aus unterschiedlichen Regionen heimfinden.

Warum ist das so? 

Mit dem Klimawandel werden die Winter bei uns kürzer, sodass die Zugvögel etwas früher zurückkommen können. Dies kann jedoch nicht artübergreifend generalisiert werden.

Was ist daran problematisch? 

Normalerweise ist in der Natur alles aufeinander abgestimmt: Die Vögel brüten dann, wenn es am meisten Insekten - also genug Nahrung – hat. Wenn sie nun früher zurückkommen, brüten sie früher. Dadurch gibt es oft noch nicht genug Nahrung und die Jungtiere können sterben. Damit beginnt unser ganzes biologisches Lebensnetz auseinanderzufallen. 

An sich ist das nichts Neues. 

Nein - schauen Sie, ich beobachte seit über 50 Jahren Vögel. Das hat sich vor allem in den letzten zehn Jahren zugespitzt. Früher gab es da eine klarere Regelmässigkeit, aber heute kann man vieles nicht mehr voraussagen. Nehmen sie zum Beispiel den Bienenfresser: Dieser Vogel wäre eigentlich am Mittelmeer beheimatet. Heute brütet er aber auch in der Schweiz. Vor 50 Jahren wäre das noch kaum denkbar gewesen! 

Die Reise der Zugvögel wird ja auch zunehmend gefährlicher. 

Das stimmt, in der Sahara zum Beispiel. Diese Wüste wird immer breiter. Damit die Vögel dieses Hindernis überqueren können, fliegen sie meist nachts und tagsüber ruhen sie sich irgendwo im Schatten aus. In der Wüste gibt es aber wenig Nahrung, also müssen sie sich vor der Wüstenüberquerung Fettreserven anfressen. Weil die Sahara immer grösser wird, reicht das Fettpolster oft nicht aus, und sie können deswegen sterben. 

Und dann sind da noch die Windturbinen... 

Windenergieanlagen sind für Vögel und Fledermäuse tatsächlich problematisch, wenn sie an Orten aufgestellt werden, an denen Zugvögel durchziehen. Bei massivem Vogelzug will man sie zwar abstellen, aber da sind noch viele Probleme ungelöst.

Warum?

Die meisten Zugvögel kommen zwar im Frühling im April und Mai zurück und fliegen zwischen August und Oktober wieder ins Winterquartier. Aber da es Unterschiede zwischen den Arten gibt, sind eigentlich bis auf den Monat Juni immer Zugvögel in unserem Land unterwegs.  

Sie fordern, dass man nur im Juni Windstrom produziert? 

Nein. Die Politik müsste sich aber zumindest seriöser damit auseinandersetzen, welche Folgen ihre energiepolitischen Entscheidungen auf die Vögel und die Natur haben. Die Vögel warnen uns früh vor klimatischen Veränderungen. Es macht mir Sorgen, wie oft die Wissenschaft von der Politik nicht genügend ernst genommen wird und in der Folge Fehlentscheidungen getroffen werden.

Was muss sich denn ändern? 

Die Krise, in welcher sich das Leben auf unserem Planeten zunehmend befindet, sollte von der Politik endlich erkannt werden. Vielfach sind die ablaufenden Prozesse nur bei genauerem Hinsehen bemerkbar, aber Vögel helfen uns dank ihrer Auffälligkeit, die Probleme zu erkennen. Im September haben die Stimmbürger jetzt Gelegenheit mit einer Zustimmung zur Biodiversitäts-Initiative ein deutliches Signal zu setzen, damit der gefährliche Verlust der biologischen Vielfalt endlich gestoppt werden kann.


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