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Dreimal quer durchs Worblental

Zwischen Deisswil und Worb soll eine komfortable Veloverbindung entstehen. Drei Varianten stehen zur Auswahl – mit ihren Vor- und Nachteilen. Eine Fahrt abseits der Spur. 

| Lara Mina Christ | Gesellschaft
Die neuen Routenvarianten stossen längst nicht überall auf Vorfreude. Fotos: Lara Mina Christ
Die neuen Routenvarianten stossen längst nicht überall auf Vorfreude. Fotos: Lara Mina Christ

Der Kanton Bern will den Veloverkehr fördern. Wegen der vielen Pendlerinnen und Pendler gibt es gemäss Kanton im Worblental dazu ein hohes Poten­zial. Noch gibt es zwischen Deisswil und Worb keine durchgehende Radroute. Das soll sich ändern: Bis 2027 soll hier eine ganzjahrstaugliche Route entstehen, die an die bestehende Radverbindung nach Bern anschliesst. 

Zur Debatte stehen drei mögliche Linienführungen: «Nord», «Süd» und «Mitte». Welche davon wird «die Eine»? Das lässt sich nur herausfinden, indem man sich aufs Rad schwingt. Die bestehende Veloroute führt von Bern via Deisswil nach Stettlen. Da teilt sich der Weg zum ersten Mal. Geradeaus warten die Varianten Mitte und Nord, rechts geht es zur Variante Süd. 

Jede der Strecken durchquert Teile von Vechigen, Worb und Stettlen. Entsprechend sei eine aktive Mitwirkung der Einwohner bei Entscheidungen und Zusammenarbeit mit den Gemeinden gefordert, heisst es im Leitbild der Gemeinde Worb. Entsprechend wichtig ist die öffentliche Mitwirkung, die am Montag, 22. April, begonnen hat. Die Resultate daraus sind Grundlage für die weitere Streckenplanung. 

Warum die Wahl einer Veloroute nötig ist, erklärt Thomas Wüthrich, der zuständige Kreisoberingenieur. Der Kanton Bern will bis 2050 klimaneutral sein. Deshalb arbeitet er an der Reduktion von Treibhausgasen. Dazu kommen die Gesamtmobilitätsstrategie und das nationale Veloweggesetz, das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Es verpflichtet Kantone, Radwegnetze zu planen, realisieren und finanzieren – so wie im Worblental. Die neue Route soll 3,8 bis 4,6 Millionen Franken kosten, je nach Variante mit Abweichungen von bis zu 30 Prozent. 

Veloweg

Das «Gemeinden-Panorama» geniessen

Ein kühler Wind zieht vorbei, dick eingepackt geht es schnell wieder auf den Sattel und mit Schwung in die Pedale. Die erste Wahl fällt auf «Süd», neugierig, ob die folgende Strecke für den täglichen Gebrauch ideal ist. Schliesslich sollen gemäss Wüthrich insbesondere Pendlerinnen und Pendler später profitieren. Auf ein kurzes Stück Weg folgt ein Aufstieg, mit Kraftaufwand, die Journalistin hält sich stark an die Strassenseite, denn der Platz in der 30er-Zone wird geteilt. Auf der Spitze angekommen, eröffnet sich ein Ausblick auf die Dorfgemeinden des Worblentals. 

Fliessend folgt die Route einer 50er-Zone, vorbei an Wiese und Grün, alten Bauernhäusern und grasenden Kühen, entlang des Hügels, geschützt vor Windstössen. Allein ist man aber keinesfalls. Hier und da passiert ein Auto. Trotz reduziertem Tempo ist Vorsicht geboten. Für Radler mit Veloanhänger wirkt die Strasse besonders schmal. Er fahre die Route immer zur Arbeit, meint ein Mann mit E-Bike, der extra angehalten hat: «Sie ist aufgrund ihres Zustandes und der leichten Neigung am praktischsten.» 

Weniger praktisch ist diese Route für die Bewohnerinnen und Bewohner der Bauernhöfe. Die Fahrt führe teilweise «quasi durch den Hof», sagt eine Anwohnerin. Ein Schild verweist auf die Geschwindigkeit: «Schritttempo auch für Velofahrer», Katzen und Hunde seien dankbar. Ein mulmiges Gefühl bereitet auch der ­Anblick des Schiesstandes und der Gedanke, ob der mit der neuen Route bestehen bleibt. 

Weiter nach Wyler, wo sich die Süd- mit der Mitte-Variante vereint. Bei Nesselbank kommen die drei ­Varianten komplett zusammen und führen auf identischer Linie bis nach Worb. 

Bild 2

Land gegen Mobilität

Von Worb bis Wyler folgt die Variante Mitte kongruent der Strecke Süd. Dort wird auf eine Feldstrasse abgebogen, quer über eine Landwirtschaftsfläche. «Fällt die Wahl auf die Route Mitte, müssten wir ein Teil unseres Landes verkaufen», so eine Bewohnerin eines Hofes. Sie frage sich, warum nicht einfach die bestehende «Süd» ausgebaut werde: «So müsste man nicht durch das Feld asphaltieren.» 

Laut Kreisoberingenieur Wüthrich wurden die Betroffenen im Sommer 2023 über das Projekt informiert. Man habe die Anliegen ernst genommen und aktives Einbringen begrüsst. 

Die letzte Variante, Nord, unterscheidet sich nur in einem kurzen Streckenabschnitt von der Option Mitte, einer Abweichung zwischen Nesselbank und Wyler. Holprig, danach durch  Matsch, der sich aufgrund des Regens ergeben hat, führt die «Nord» über kürzere Distanz zu den Siedlungsgebieten. Praktisch. Und doch: Mitten im Talboden bläst hier der Wind um die Ohren und im Sommer könnte es brennend heiss werden. 

Für die Nord-Route spricht gemäss Wüthrich, dass sie die schnellste Verbindung zwischen Stettlen und Worb sei. Dazu biete sich mehrfach die Gelegenheit, Müll zu entsorgen und auf einem Bänkli, mit Baum als Schattenspender, eine Pause einzulegen. Nahe der Strasse rast kurz darauf ein Zug vorbei. Hat die Veloroute künftig Einfluss auf den ÖV? «Ein gewisser Anteil der ÖV-Pendler wird auf das Velo umsteigen», meint Wüthrich. «Idealerweise entlastet die Veloroute die Rushhours, nicht zuletzt die Kantonsstrasse.»

Vorrang hat … ?

Und doch kommen bei der Streckenwahl insgesamt viele Interessen, Meinungen und Herausforderungen zusammen. Es sei schwer, Landwirtschaft, Naherholung, Natur- und Hochwasserschutz und kurze Distanzen in einer Strecke zu vereinen, sagt Wüth­rich: «Die perfekte Lösung gibt es kaum.»

Es wird Kompromisse geben müssen. Deshalb sei die Mitwirkung breit kommuniziert, sodass diverse Ansichten und Fachmeinungen eingebracht werden. Zudem gibt es einen Informationsanlass (siehe Box), an welchem die Bevölkerung Fragen zur Mitwirkung stellen kann. 

Die Mitwirkung läuft bis zum 30. Mai. Danach wird sie ausgewertet, bevor ein Bauprojekt erarbeitet wird. Bis da dürfte sich eine erste Tendenz abzeichnen. Alle Varianten haben aus unterschiedlichen Gründen Potenzial, «die Eine» zu werden. Klar ist aber: Besser als heute dürfte die neue Route allemal werden. 

Infoanlass zur öffentlichen Mitwirkung:

Die öffentliche Mitwirkung zur Veloroute durch das Worblental läuft vom 22. April bis zum 30. Mai. Am 24. April um 19.30 Uhr ist im Schulhaus Stämpbach in Boll eine Informationsveranstaltung. Unter anderen wird der zuständige Regierungsrat Christoph Neuhaus anwesend sein. Moderiert wird der Anlass von Bruno Krähenbühl, dem Projektleiter der Veloroute . Alle Unterlagen zur Mitwirkung sind auf der Webseite des Kantons einsehbar:
www.be.ch/veloroute-worblental 


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