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Läutet ChatGPT das Ende des Uni-Essays ein?

Viele Studierende nutzen künstliche Intelligenz verbotenerweise für ihre Arbeiten. Wie handhaben die Universität und die Fachhochschule das neue Phänomen? Und was sagen die Studierenden dazu? Der «Anzeiger» hat sich umgehört. 

| Lea Schlenker | Gesellschaft
Laut der Universität Bern wird das Vorhandensein von KI längerfristig Auswirkungen auf die Leistungskontrollen haben. Foto: pixabay
Laut der Universität Bern wird das Vorhandensein von KI längerfristig Auswirkungen auf die Leistungskontrollen haben. Foto: pixabay

Eine Seminararbeit zu verfassen, dauert meist mehrere Wochen. Jedenfalls für einen Menschen. Künstliche Intelligenz (KI) ist da schneller. Mit Chat­GPT oder ähnlichen Textgeneratoren lassen sich akzeptable Arbeiten in wenigen Stunden vollständig verfassen.

Immer mehr Studierende nutzen diese Möglichkeiten – und stellen die Hochschulen damit vor ganz neue Probleme. Wie erkennt man, ob ein Text tatsächlich von einem Menschen verfasst worden ist? Und generell: Was ist ein sinnvoller Umgang mit der neuen Technologie, die ohnehin nicht mehr verschwinden wird? 

Vor- und Nachteile

Wie die Medienstelle der Universität gegenüber dem «Anzeiger Region Bern» auf Anfrage bekannt gibt, stelle die künstliche Intelligenz die Lehrpersonen vor neue Herausforderungen, was die schriftlichen Leistungskon­trollen betreffe. «Längerfristig wird das Vorhandensein der KI eine Veränderung in der Form traditioneller Leistungskontrollen mit sich bringen.» Das Vizerektorat Lehre der Universität Bern empfehle daher den Dozierenden, mit der KI zu experimentieren und die Auswirkungen von KI aktiv in den Lehrveranstaltungen zu thematisieren, heisst es von Seiten der Universität.

Die Uni Bern sieht aber auch Vorteile für die Studierenden: «Der Einsatz von KI im Studium kann für Studierende ein Mittel zur Steigerung der Effizienz sein. KI-Tools helfen etwa bei der Datenanalyse, der Strukturierung von Informationen oder können zusätzliche Denkanstösse geben. Sie ermöglichen es den Studierenden, sich noch stärker auf kritische Denkprozesse zu fokussieren.» 

Ähnlich tönt es bei der Berner Fachhochschule. «Seit der Lancierung von ChatGPT Ende 2022 hat sich die Nutzung von KI durch unsere Studierenden deutlich intensiviert. Unsere Diskussionen und Umfragen zeigen, dass viele Studierende ChatGPT täglich einsetzen», wie Ioana Gatzka, Leiterin Virtuelle Akademie an der Berner Fachhochschule, gegenüber dem «Anzeiger» erklärt. 

Wie an der Universität Bern werden auch an der Fachhochschule Vorteile der digitalen Tools wahrgenommen, wie Prof. Dr. Kerstin Denecke, Co-Leiterin Patient-centered Digital Health an der BFH, sagt: «Bei der Erstellung von schriftlichen Arbeiten können KI-Tools helfen, die Lesbarkeit zu verbessern. Dies ist gerade bei Studierenden hilfreich, welche sich mit schriftlicher Ausarbeitung schwertun. Tools wie ChatGPT können auch Inspirationsquelle sein und den Start in eine Abschlussarbeit erleichtern. Die Studierenden können sich vorab durch KI-Tools Feedback einholen und so ihre Arbeiten vor der Abgabe verbessern.» 

Klar ist, wenn Studierende Chat­GPT oder ähnliche Programme nutzen, müssen sie das deklarieren. Laut swiss­universities, der Dachorganisation der Schweizer Hochschulen, sollen KI-
generierte Inhalte als externe Quellen behandelt und sachgemäss zitiert werden. So, wie es die Studierenden auch heute schon mit externen Quellen handhaben.

Studis fordern klare Richtlinien 

Was sagen denn die betroffenen Studierenden dazu? Die Studierendenschaft der Universität Bern (SUB) sieht sowohl Vor- als auch Nachteile beim Einsatz von KI bei studentischen Arbeiten. Sie sieht es generell nicht als empfehlenswert an, sich beim Verfassen einer schriftlichen Arbeit ganz auf KI zu verlassen, gibt sie auf Anfrage des «Anzeiger Region Bern» bekannt. Allerdings könne es zu einer ersten Orientierung dienen oder auch als Anregung zur kritischen Hinterfragung von Inhalten verwendet werden. Von der Hochschulleitung wünsche sie sich eine klare Kommunikation bezüglich der erarbeiteten Richtlinien. Vor allem in der Anfangsphase kurz nach der Lancierung von ChatGPT sei es zu Unsicherheiten von Seiten der Studierenden gekommen. «Was die Studierenden brauchen, ist eine Perspektive, wie generative Chatbots sinnvoll und produktiv im universitären Alltag verwendet werden können. Die universitäre Lehre muss auf den Umgang mit dieser Technologie und deren Chancen eingehen.»  

KI kann Lehre bereichern

Grundsätzlich ist man sich in der Berner Hochschullandschaft einig – ein kritischer, aber konstruktiver Umgang mit KI kann die Lehre bereichern. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie es mit der Umsetzung läuft. Vielleicht heisst es dann bald für die Hochschulen: weniger auswendig lernen, mehr fachkundige Anwendung mit der Materie – und damit mehr Zeit zum Nachdenken. 


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