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Utopien und lokale Entdeckungen

Die Cantonale Berne Jura lockt zur Weihnachtsausstellung in elf Institutionen. Bei den Jurierungen stand Diversität im Zentrum.

| Bettina Gugger | Kultur
Floyd Grimm
Floyd Grimm beschäftigte sich im letzten halben Jahr mit digitalem Design. Foto: Floyd Grimm.

 

Die Verantwortlichen der Cantonale Berne Jura freuen sich über die grosse Resonanz: 499 Künstlerinnen und Künstler haben sich dieses Jahr beworben, um ihre Werke einem regionalen Publikum zu präsentieren. «Nach der Auswahl der Werke besteht die Herausforderung darin, die Arbeiten miteinander in Dialog treten zu lassen», so Paul Bernard, seit 2022 Direktor des Centre d’art Pasquart in Biel. Er verweist auf das grosse Interesse, die Diversität und die Dynamik der regionalen Kunstszene. Bei der Auswahl der Werke habe das Centre d’art Pasquart darauf geachtet, dass auch unbekannte Künstler, die sich ausserhalb eines bestimmten Netzwerkes bewegen, Beachtung finden. Die Bieler Kunstszene beschreibt er als «experimentell, geprägt durch Off-Spaces wie Lokal-int und Espace Libre, inspiriert von der Musikszene». 

Bernard versteht das Centre d’art Pasquart mit seinem alten und neuen Gebäude als Ort der Mehrdeutigkeit, bourgeoise und moderne Architektur gehen Hand in Hand. Das Haus verfügt über eine Sammlung, bewegt sich aber zwischen der Position eines Museums und eines Kunsthauses. Während andere Institutionen ihr Jahresthema auch auf die Cantonale münzen, gibt das Centre d’art Pasquart bei der Jahresausstellung kein Thema vor.

Zwischen High und Low Art

Einer der ausstellenden Künstler ist der Bieler Floyd Grimm. Er durfte den mit 5000 Franken dotierten Prix Kunstverein entgegennehmen. «Der Preis soll eine Ermutigung sein, um ein Werk weiterzuentwickeln», so Julien Berberat, Vorstandsmitglied des Kunstvereins Biel und Präsident des Vereins Cantonale. «Bei Grimms Werken, die auf die Popkultur, aber auch auf die Kunstgeschichte referieren, gibt es immer wieder neue Dinge zu entdecken», so Berberat. Etwas Neues zu schaffen, sei gerade in der Malerei eine Herausforderung. Grimm hat angefangen, Bildnerisches Gestalten zu unterrichten. Der Preis ermutige ihn, weiter in seine Malerei zu investieren, so der 30-jährige Bieler, der sein Studium an der HKB absolviert hat. «Ohne meine eigene künstlerische Praxis fehlt mir etwas», meint er. Für die aktuelle Ausstellung liess er Leinwände bedrucken, die er im letzten halben Jahr digital gestaltet hat. In einem zweiten Schritt will er diese poppigen Bildwelten manuell weiterbearbeiten. Ihn interessiert das Ineinanderfliessen von High und Low Art, etwas, das er während eines Rechercheaufenthaltes in Japan erforschte. Aber auch die Zusammenarbeit mit Künstlerkollegen zeichnet seine Arbeit aus. 

Erforscher alternativer Welten

Auch Remo Stoller, dessen Arbeiten in der Stadtgalerie Bern zu sehen sind, lässt sich von alternativen Welten inspirieren. In Kupferplatten ätzte er Malanleitungen von Modellbau-Soldaten. Er beschreibt den Prozess als umgekehrte Zeitreise; gerne hätte er diese Platten in der Vergangenheit eingepflanzt, um sie heute zu entdecken, meint er. Stoller experimentiert mit Techniken und Materialien, bringt seinen Körper performativ in Beziehung zu nichtkörperlichen Räumen, entwickelt seltsame Gerätschaften. Er behandelt «unernsthafte Dinge ernsthaft», entwickelt Lösungen für Probleme und erweckt den Anschein von Naturwissenschaftlichkeit, wie er augenzwinkernd erklärt. Dabei begleitet ihn die Literatur als Medium der Reflexion, als möglicher Eingang in eine utopische Welt, die alle Erzählungen umfasst. «Kunst ist ein Feuer, in das man investieren muss», meint Stoller nachdenklich, während er die letzten Vorbereitungen für die Ausstellung trifft.

48 2023 web Kultur Utopien Remo Stoller2 KopieFoto: Remo Stoller

Das Kunstmuseum Thun stellt indessen 33 Positionen aus. Die Auswahl umfasst Werke der Gattungen Video, Plastik, Skulptur, Installation, Malerei und Fotografie. Der älteste Künstler Hans Hofmann experimentiert mit digitalen Medien, während sich der jüngste Künstler Philémon Léchot mit Kugelschreiber als Medium auseinandersetzt, wie Helen Hirsch, Direktorin des Kunstmuseums Thun, erzählt. So vielfältig wie die ausgewählten Medien sind auch die Themen: Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, Überwachung, Fake-Bilder, Mensch und Körper, Familie, Krieg und Gewalt, wie das Kunstmuseum Thun ankündigt. Für einen reichen Austausch ist gesorgt.

 

Die regionale Vernetzung fördern 

Seit 2012 organisiert der Verein Cantonale in elf Ausstellungsinstitutionen im Kanton Bern und Kanton Jura die kantonsübergreifende Jahresausstellung. Die Idee, die lokalen Weihnachtsausstellungen nach dem Vorbild der trinationalen Regionale Basel zu bündeln, geht auf Helen Hirsch, Direktorin des Kunstmuseums Thun, und Fanni Fetzer, Direktorin des Kunstmuseums Luzern, zurück. «Ziel war es, das Format der traditionellen Weihnachtsausstellung zu öffnen», so Hirsch. So können die Künstler ihre Werke an zwei Orten zeigen und damit eine grössere Öffentlichkeit generieren. Das Publikum profitiert von Entdeckungen und lernt auf diese Weise die einzelnen Institutionen kennen; zwei geführte Circuits verbinden die elf Institutionen, angefangen in der Kunsthalle Bern geht’s nach Thun, Steffisburg und Interlaken. Die zweite Tour führt nach Biel, Burgdorf, Langenthal, Moutier, Porrentruy und Saint-Ursanne.

Circuit 1: 6. und 13. Januar, 10.00 Uhr, Kunsthalle Bern.

Circuit 2: 7. und 14. Januar, 09.00 Uhr, Centre d’art Pasquart, Biel.

Details unter: cantonale.ch 


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