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Warum die Kirchmatt für Widerstand sorgt

In Meikirch regt sich Widerstand gegen eine kleine Überbauung am Dorfrand. Die Sorge gilt der Postkartenidylle und hat viel mit der Vorgeschichte zu tun.

| Anina Bundi | Politik
Kirchmatt
Dieser Blick aufs Dorf wird sich verändern. Foto: Nik Egger

Ein Stück Bauland am Dorfrand, eine kleine Wohnüberbauung mit vier dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern und maximal 20 Wohnungen, die Zufahrt über einen bestehenden Parkplatz. Das klingt nach keiner grossen Sache. 

Von der geplanten Überbauung ist in Meikirch fast niemand direkt betroffen. Die Kirchmatt liegt hinter einer kleinen Gebäudegruppe, die mehrheitlich von der Gemeinde genutzt wird, unter anderem das Feuerwehrmagazin ist hier untergebracht und in einem der Gebäude ein Jugendtreff, ausserdem hat die Gemeindeverwaltung hier ihre Büros. Niemandem wird die Aussicht verbaut und niemand muss auf dem Strässli vor dem Haus Mehrverkehr fürchten. 

Trotzdem regt sich in Meikirch Widerstand. Gegen die aufgelegte Überbauungsordnung (UeO) «Kirchmatt» gingen zwar nur fünf Einsprachen ein, eine davon haben aber 154 Leute unterschrieben. Das sind rund fünf Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner.

Daniel Etter ist Mitinitiant der Einsprache mit den vielen Unterschriften und einer der wenigen, die direkt betroffen sind. Gemeinsam mit seinem Bruder bewirtschaftet er das an die Kirchmatt angrenzende Kulturland. In einer eigenen Einsprache richten sie sich denn auch gegen die Auswirkungen auf ihren Hof. «Wir sind einer der letzten Bauernhöfe im Dorfkern. Wenn hier gebaut wird, ist vorprogrammiert, dass wir wegen Geruchsabständen nie mehr einen neuen Stall bauen können.» Ausserdem werde ihr Land durch die geringen Grenzabstände und den Schattenwurf abgewertet. 

Sorge um das Dorfbild

Die Gruppeneinsprache dagegen richtet sich grundsätzlich gegen eine Überbauung an dieser Stelle. «Die meisten finden, das Land hätte gar nie eingezont werden dürfen.» Die Kirchmatt sei die letzte verbliebene «Postkartenansicht» von Meikirch. «So eine Überbauung im Herzen des Dorfs macht diese kaputt.» Auch sein Hof sei Teil von diesem Dorfbild. «Wir geben uns Mühe, dieses zu erhalten.»

Ein weiterer Punkt sei die Zufahrt über das Gemeindeland. Der Parkplatz wird heute von verschiedenen Parteien genutzt. Besucher und Besucherinnen des Gemeindehauses und der Kirche stellen ihre Autos ab, die Feuerwehr legt bei ihren Übungen die Schläuche aus, die Nutzerinnen und Nutzer des Jugendraums können sich ausbreiten, und die Kinder spielen, wenn die Erwachsenen im Kirchgemeindehaus oder im Feuerwehrmagazin zu tun haben. Wird der Parkplatz als Zufahrt zu den neuen Häusern genutzt, werde das so nicht mehr gehen, ist seine Befürchtung. «Das nimmt der Gemeinde etwas weg, umgekehrt hat aber nur die Bauherrschaft etwas davon.» 

Auch das allgemeine Wachstum der Gemeinde spiele eine Rolle für die Einsprechenden. In vielen Quartieren stehe ein Generationenwechsel an, würden in den kommenden Jahren Familien einziehen. «Das ist ein gesundes Wachstum. Mehr würde die Gemeinde unnötig belasten.» Die Einsprechenden befürchteten ein Präjudiz. «Wenn hier dank der UeO höher gebaut werden kann, wird künftig auch an anderen Orten so gebaut. Wir hätten problemlos noch mehr Unterschriften sammeln können», sagt Etter.

Gemeindepräsident Hans Peter Salvisberg (SVP) zeigt Verständnis für einen Teil der Argumente. Besonders die Einwände von Daniel Etter könne er als Landwirt sehr gut verstehen. Aber als Gemeindepräsident müsse er die Interessen der gesamten Gemeinde vertreten. «Es ist eine rechtmässig eingezonte Parzelle Bauland.»

«Keine Einfamilienhäuser mehr»

Mit der «Aktiven Wohnbaupolitik», wie sie vom Gemeinderat beschlossen wurde, sei vorgegeben, dass man bei Neubauten eine gute Ausnützung und eine hohe Qualität der Bauprojekte anstreben müsse. «Wenn gebaut wird, dann nicht mehr Einfamilienhäuser», so Salvisberg. «Auf dieser Basis haben die Denkmalpflege, die Fachgruppe Baugestaltung und die Gemeinde die UeO Kirchmatt erarbeitet. Sie entspricht den Anforderungen des Ortsbild­schutzes.»

Gerade der erwähnte Generationenwechsel sei zudem ein Argument für die Neubauten. «Es gibt ältere Leute, die aus ihrem Haus ausziehen, aber in der Gemeinde bleiben wollen. Genau solche Wohnungen wird es auf der Kirchmatt geben.»

Wenig Verständnis hat er bei der Parkplatzfrage. «Die heutige Nutzung wird weitgehend möglich bleiben, auch für die Feuerwehr.» Bei 20 Wohnungen werde nicht alle fünf Minuten ein Auto durchfahren. Und bei grossen Beerdigungen stosse der Parkplatz bereits heute an seine Grenzen. Die wenigen Parkplätze, die aufgehoben würden, könne man durch Plätze in der Einstellhalle ersetzen.

Eher zufällig eingezont

Dass die geplante Überbauung so schlecht ankommt, hat viel mit der Geschichte zu tun, wie die Kirchmatt überhaupt von Landwirtschafts- zu Bauland wurde. Zwar ist alles rechtens, der Entscheid war aber spontan und eher zufällig. 2008 war Salvisberg noch nicht im Amt, aber an der entscheidenden Gemeindeversammlung anwesend. Traktandiert war damals die Einzonung einer anderen Parzelle. Die Einzonung der Kirchmatt als Bauland kam auf Antrag der Eigentümerschaft, einer Erbengemeinschaft, dazu, und wurde nach einer intensiven Diskussion spontan genehmigt. Das Amt für Gemeinden und Raumplanung AGR sei damit eigentlich nicht einverstanden gewesen, erzählt Salvisberg. «Aber das AGR wertete den Volkswillen höher und genehmigte die Einzonung
trotzdem.»

Als Bauland konnte die Erbengemeinschaft das Land verkaufen und eine Generalunternehmung aus Bern schlug zu. Sie plante den Bau von vier Einfamilienhäusern. Das Projekt kam allerdings nie zum Fliegen. Die Käuferin stoppte es, als sie merkte, dass sich der Bau und der Verkauf der Häuser für sie so nicht rechnete.

2015 nahm sie deshalb gemeinsam mit der Gemeinde den ersten Anlauf, die Kirchmatt aufzuzonen. Eine UeO sah vor, dass neu viergeschossig gebaut werden könnte. Das Geschäft sei im Gemeinderat umstritten gewesen, aber knapp genehmigt worden, erzählt Salvisberg. Diesmal traten das AGR und die Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) aber hart auf die Bremse. Zu hoch, zu dominant, zu wenig ins Dorfbild passend seien die geplanten Bauten, dasselbe Ergebnis zeigte sich in der öffentlichen Mitwirkung 2016 – die UeO fiel in der Vorprüfung durch.

Bauherrschaft und Gemeinde mussten über die Bücher. Die nun vorliegende Variante ist moderater. Es sind weniger Häuser, sie dürfen nur drei Geschosse hoch werden und die Fassaden müssen aus Holz sein, damit sie ins Ortsbild passen. Das AGR war mit den Änderungen zufrieden und gab nach der Vorprüfung grünes Licht.  

Neu nur noch an der Urne

Ob die Einspracheverhandlungen eine Lösung bringen, die für alle stimmt, wird sich Anfang März zeigen. Über die Aufzonung entscheiden wird letztlich das Stimmvolk an der Urne. Es wird, abgesehen von einer Ausnahme in der Coronazeit, als Versammlungen nicht gestattet waren, das erste Mal überhaupt sein, dass in Meikirch an der Urne über eine Gemeindeangelegenheit entschieden wird. Eingeführt wurde diese Möglichkeit mit einer Änderung des Organisationsreglements, die seit Anfang Jahr in Kraft ist. Zonenplanänderungen müssen nun zwingend an der Urne entschieden werden. Spontane Bauland-Einzonungen, wie an der Gemeindeversammlung 2008, wird es damit in Meikirch nicht mehr geben.


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