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Gemeinderat verrechnet sich bei der Tramverlängerung um mehrere Millionen

Köniz rechnet neu mit Kosten in Millionenhöhe für die dritte Phase der Verlängerung nach Kleinwabern. Im Parlament stösst das sauer auf. Durchkommen wird die Vorlage wohl trotzdem.

| Léonie Hagen | Politik
Mit der Umgestaltung sollen auch Verbesserungen für den Langsamverkehr erzielt werden. Visualisierung: Köniz
Mit der Umgestaltung sollen auch Verbesserungen für den Langsamverkehr erzielt werden. Visualisierung: Köniz

Die Gemeinde Köniz hat sich in der ­Investitionsplanung verschätzt. Das dritte Teilprojekt für die Verlängerung der Tramlinie 9 nach Kleinwabern kostet die Gemeinde voraussichtlich fünfmal so viel wie gedacht. 

Die sogenannte «Neugestaltung Morillon-Sandrain» ist ein Teilprojekt der Sanierung entlang der Seftigenstrasse. Mit der Sanierung will man den Verkehr an der Seftigenstrasse zugleich sicherer und freundlicher für ­Velos und Fussgänger gestalten. 

Die Sanierung beinhaltet drei Teilprojekte. Einerseits die Verlängerung der Tramlinie selbst: Es sollen zwei neue Haltestellen sowie ein S-Bahn-Anschluss in Kleinwabern entstehen. Zudem soll das Zentrum in Wabern «sanft» saniert werden. Sprich: Der Verkehr soll auf Tempo 30 verlangsamt und die Haltestellen hindernisfrei werden. Der Strassenraum bleibt in diesem Abschnitt gleich. 

3,5 Millionen für Anschlüsse an eine Wendeschlaufe

Im dritten, nun diskutierten Sanierungsabschnitt soll die Tramlinie stadteinwärts im sogenannten Mischverkehr fahren. Auf der gleichen Strasse wie der Autoverkehr also, damit mehr Platz für Velos und Fussgänger bleibt. Damit der öffentliche Verkehr dann auch bei Störungen weiter aufrechterhalten werden kann, braucht es eine Wendeschlaufe im Sandrain. Diese ist mit dem dritten Teilprojekt geplant – und zwar in der Umgebung des Schulhauses Morillon. Einmal gebaut, soll sie in den Besitz der Gemeinde übergehen. 

Insgesamt kostet dieses dritte Teilprojekt allein 60 Millionen Franken. Den Grossteil davon bezahlen Bernmobil sowie der Kanton Bern. Dieser hat im vergangenen Herbst eigens ein Finanzpaket für solche Agglomerations-Anschlussprojekte verabschiedet. Dieses Geld fliesst in Köniz in die Verlängerung der Tramlinie und die direkte Infrastruktur. 

Die Gemeinde Köniz ist dafür zuständig, die sanierte Strasse in ihr bestehendes Wegenetz einzubinden. Auch die Haltestellen müssen zu Fuss und mit dem Velo gut erreichbar sein. Ausserdem ist die Gemeinde für die Begrünung der Schleife zuständig – vor allem, damit die Zone auch im Sommer nicht zur Hitzeinsel wird. 

Dafür sah die Gemeinde in ihrem «Integrierten Aufgaben- und Finanzplan» (IAFP) in einer ersten Schätzung 700 000 Franken vor. Nun kommt das Teilprojekt erstmals als konkreter Vorschlag vor das Gemeindeparlament. Der berechnete Kostenpunkt: 3,5 Millionen Franken. 

Hauptgrund für den Unterschied zu den angedachten Kosten seien vor allem die Vorgaben zur Hindernisfreiheit, sagt der zuständige Gemeinderat Christian Burren (SVP). Diese ist vom Behindertengleichstellungsgesetz vorgegeben: Alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen des Verkehrssystems müssen barrierefrei sein. Das gilt auch für die neue Wendeschlaufe. Auch vom Schulhaus Morillon her. 

«Völlig normale» Differenz – trotz finanzieller Schieflage

Das Problem dabei: Zwischen dem Schulareal und der Seftigenstrasse liegen sechs bis sieben Meter Höhenunterschied. Um diesen rollstuhlgerecht zu überbrücken, darf die Wegsteigung nicht mehr als sechs Prozent betragen. Was wiederum bedeutet, dass der Zugang länger werden muss. «Für uns war aber klar, dass wir die Aussenplätze der Schule nicht einschränken wollen», so Burren. Damit der Sport- und der Pausenplatz nicht verkleinert würden, müsse man einen Umweg um eine geschützte Hecke machen. Und das koste. 

Als man das Teilprojekt in den Finanzplan aufgenommen habe, sei das Ausmass dieser Kosten «unmöglich» abschätzbar gewesen, sagt Burren. Für die Investitionsplanung lag damals kein Kostenvoranschlag vor, was für diese Projektphase üblich sei. Es sei «völlig normal», dass es zu Unterschieden komme: «Vor allem, wenn wir noch keine konkrete Projektierung hatten.»

Diese Kosten kommen ausgerechnet ein Jahr, nachdem die Gemeinde Köniz zum ersten Mal seit Langem schwarze Zahlen geschrieben hat. Ein Jahrzehnt lang war die Gemeinde defizitär; erst im Sommer 2022 verhinderte sie eine Zwangsverwaltung durch den Kanton, indem sie den Steuerfuss im letzten Moment anhob. Dass es jetzt wieder zu höheren Investitionen komme, sei aber kein Problem, so Burren. Es hätten sich bereits andere Investitionen verschoben, dafür gebe es nun hier eine höhere Summe. Insgesamt gleiche sich das aus: «Im Zuge einer Investitionsplanung befinden wir uns hier in einem üblichen Rahmen.»

«Das Projekt ist schon zu weit fortgeschritten»

Im Gemeindeparlament gibt man sich nicht ganz so optimistisch. Man zeigt sich erstaunt über die deutlich unterschätzten Kosten. Bei grösseren Verkehrsprojekten sei die Kostenschätzung wegen der vielen beteiligten Stellen zwar immer schwierig, sagt etwa SP-Fraktionschef Matthias Stöckli. Aber: «Der Umfang der Mehrkosten in diesem Fall bedarf für die SP jedoch einer ausführlicheren Begründung.» 

Casimir von Arx (GLP), Präsident der EVP-GLP-Mitte-Fraktion im Gemeindeparlament, geht noch weiter. Er spricht von einem «frappanten» Unterschied und von einem «offensichtlichen Unwohlsein», mit welchem man seitens Gemeinderats versuche, die Kosten geringer wirken zu lassen. Die EVP-GLP-Mitte-Fraktion und die Grünen hätten die Betriebswendeschlaufe seit Jahren kritisiert, weil sie zu teuer und zu wenig effizient sei, so von Arx. Stattdessen habe man ein Zweirichtungstram gefordert, welches weniger Infrastruktur verlangen würde. Dass die Kosten nun so viel höher ausfallen als gedacht, hinterlasse einen schalen Beigeschmack: «Wir haben es ja immer gesagt.»

Bei der SVP sieht man das Ganze ­lockerer. Kostenunterschiede gebe es immer wieder, sagt Fraktionschefin Ka­thrin Gilgen. Mit Bezug auf die Finanzlage der Gemeinde fordere die Könizer SVP-Fraktion deshalb schon länger eine «Investitions-Priorisierung» und die dazu nötige Kostenbremse. 

Die Fraktionssitzungen finden erst im Laufe dieser Woche statt – für eine definitive Vorhersage ist es also noch zu früh. Für eine Ablehnung sei es aber zu spät, so Casimir von Arx. Das Projekt sei schon zu weit fortgeschritten: «Nun kann man wohl nichts mehr machen – oder zumindest nicht so grundlegend, wie es nötig wäre.»

Durchkommen wir die Vorlage vermutlich trotzdem. Denn der Kanton muss das Gesamtprojekt für die Sanierung umsetzen. Die Gemeinde Köniz bezahlt auch mit den 3,5 Millionen gerade einmal sechs Prozent der Projektkosten. Damit ist auch ihr Handlungsspielraum beschränkt. 

Die Gemeinde schreibt in den Parlamentsunterlagen, dass man bei einer Ablehnung eine Minimalvariante umsetzen müsse. Wie diese aber konkret aussehe, sei heute noch nicht bekannt, sagt Christian Burren. Die gesetzlichen Vorgaben zur Hindernisfreiheit werde man aber trotzdem erfüllen müssen. 

Am kommenden Montag dürfte es also trotz der Diskussionen wohl beim aktuellen Vorschlag bleiben. Die Realisierung der ersten beiden Teilprojekte hat aktuell eine leichte Verspätung von etwa einem Jahr. Stand heute soll die verlängerte Tramlinie frühestens 2028 in Betrieb gehen – mit Wendeschlaufe dann ab 2030. 


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