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Finanzdirektorin Astrid Bärtschi: «Wir sparen im Hochbau, nicht in der Bildung»

Der Berner Regierungsrat will die Steuern weiter senken und rechnet trotzdem mit einem Überschuss. Finanzdirektorin Astrid Bärtschi erklärt, wie die Rechnung aufgehen soll.

| Léonie Hagen | Politik
Finanzdirektorin Astrid Bärtschi. Foto: zvg
Finanzdirektorin Astrid Bärtschi. Foto: zvg

Im nächsten Jahr will der Berner Regierungsrat die Einkommens- und Vermögenssteuern senken, und zwar um ein halbes Steueranlagezehntel. Bis 2030 plant der Regierungsrat Entlastungen von einer halben Milliarde. Das, obwohl er erst ab 2027 wieder mit einer Gewinnausschüttung der Schweizer Nationalbank rechnet.

Der Finanzhaushalt soll trotzdem im Gleichgewicht sein: Für 2025 ist gar ein Überschuss von 246 Millionen Franken budgetiert. Gleichzeitig tritt die Regierung bei den Investitionen auf die Bremse. Mindestens 9 Hochbauprojekte will sie verschieben, auf mindestens 13 weitere will sie ganz ver­zichten. 

Astrid Bärtschi, Sie rechnen für das nächste Jahr mit einem Plus – obwohl die Steuern sinken, die Löhne des staatlichen Personals erhöht werden und der Kanton so viel investieren muss wie noch nie. Wie geht das?

Gemäss unseren Prognosen verzeichnet der Kanton in den nächsten Jahren immer mehr Steuereinnahmen. Auch die Zahlungen aus dem nationalen Finanzausgleich steigen im nächsten Jahr. Der Regierungsrat plant zudem restriktiv. Wir versuchen, die Mehrausgaben in einem vernünftigen Rahmen zu halten und regelmässig zu hinterfragen. 

Woher kommt das zusätzliche Steuergeld, wenn die Steuersätze faktisch sinken?

Wir gehen grundsätzlich von einer positiven konjunkturellen Entwicklung aus. Die Wirtschaft dürfte sich positiv entwickeln. Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch den Firmen gut und damit auch den Leuten. Dann zahlen sie auch mehr Steuern. Die Senkungen bremsen diese Entwicklung leicht, aber sie sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. 

In den nächsten Jahren sind noch weitere Senkungen geplant und konjunkturell grosse Schwankungen möglich. Das klingt etwas optimistisch …

Es gibt in dieser Planung immer Risiken. Wir haben keine Kristallkugel; wir können uns nur auf die vorliegenden Prognosen stützen. Wir wissen, dass die Konjunktur je nach Weltlage plötzlich zurückgehen kann und damit auch unsere Einnahmen leiden könnten. 

Der Investitionsbedarf ist hoch. Dafür rechnen Sie mit weiteren Schulden. Der Regierungsrat befürwortet eine Variante mit einer Neuverschuldung von 800 Millionen Franken – sagt aber, diese sei theoretisch. Warum?

Mit jeweils 10 Jahren planen wir über einen langen Zeithorizont. Da kann sich viel verändern. Allein damit ist die Berechnung streng genommen theoretisch. Ausserdem muss man die Neuverschuldung relativieren: Sieht man sich den Finanzplan an, planen wir einen Schuldenabbau um 340 Millionen Franken. Es ist also gut möglich, dass die Nettoverschuldung deutlich unter den 800 Millionen liegt. Dann müssten wir uns für weitere Investitionen nicht neu verschulden. 

Gleichzeitig beantragen Sie dem Parlament, dass die anstehenden Investitionen priorisiert werden sollen. Auf mindestens 13 Projekte im Hochbau wollen Sie ganz verzichten. Vor allem Bildungsinstitutionen kommen unters Messer. Sparen Sie am richtigen Ort? 

Der Bildungsbereich gehört zu den grössten Nutzerbereichen im Kanton. Die meisten grossen Infrastrukturprojekte, welche wir finanzieren, betreffen Bildungsinstitutionen. Aber ich muss dazu auch sagen: Wir sparen im Hochbau, nicht in der Bildung. Die Bildung findet genau gleich statt – einfach nicht in einem neuen Gebäude. 

Ein weiterer Streitpunkt dürften die Personalkosten sein. Die FDP und SVP kritisieren deren Anstieg, die Linke wiederum findet die Löhne für das Lehrpersonal nach wie vor zu tief. 

Das Kantonspersonal ist da, um die Aufgaben zu erfüllen, die uns die Politik vorgibt. Wenn das Parlament eine neue Bestimmung einführt, muss das jemand umsetzen. Der Kanton Bern als Arbeitgeber muss wiederum zusehen, dass es diesen Leuten gut geht. Gerade in Bern haben wir eine Bundesverwaltung, die deutlich höhere Löhne zahlen kann – und wir müssen zusehen, dass unsere Fachkräfte nicht abwandern. Es braucht attraktive Arbeitsbedingungen, und dazu gehört nun einmal der Lohn. Wir versuchen unser Bestes. Als Regierung achten wir stark auf den Stellenbestand. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.

Die Gesundheitsversorgung birgt ebenfalls finanzielle Risiken. Spitäler schlagen jetzt schon Alarm, der Rettungsschirm wurde eingeführt, Zeitpunkt und Kosten sind unklar. Wie viel Spielraum hat der Kanton, um diese Kosten auffangen zu können? 

Das Parlament hat den Rettungsschirm nun freigegeben. Bisher liegen aber keine konkreten Gesuche oder Zahlen vor. Damit haben wir keine Anhaltspunkte, um einzuschätzen, ob, wann und wie viel Geld wir brauchen würden. Darum haben wir auch kein Geld dafür eingestellt. Es ist aber ein Risiko, das unsere Planung belastet – und das auch die geplanten Ertragsüberschüsse beeinflussen könnte.

Gibt es ein Szenario, in dem der Kanton ins Minus rutschen könnte?

Nein. Wir versuchen, so realistisch wie möglich zu planen. Gleichzeitig kann es immer Unvorhergesehenes geben. Vor allem die Pandemiejahre waren schwierig; in einer solchen Situation hilft auch die beste Planung kaum. Aber in den nächsten Jahren rechnen wir nicht mit einem Minus.


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