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Die Agglo will steuergünstiger werden
In den Agglomerationsgemeinden kommt der Wahlkampf in Fahrt. Auch die FDP legt sich ins Zeug – etwa in Zollikofen oder Muri, wo die Ortsparteien tiefere Steuern fordern.
Die Zollikofner FDP will die Steuern senken. Im Mai hat sie eine Motion im Grossen Gemeinderat eingereicht, welche die Steueranlage von 1,4 auf 1,35 Einheiten senken will. Die Gemeinde stehe seit Jahren finanziell immer besser da als gedacht, argumentiert die FDP-Fraktion. Über die letzten fünf Jahre habe sie durchschnittlich um über 3 Millionen Franken pro Jahr besser abgeschlossen als budgetiert.
Die Gemeinde habe damit einen Bilanzüberschuss von 24 Millionen aufgebaut und verfüge über genügend flüssige Mittel, um Investitionen zu tätigen, sagt FDP-Fraktionspräsident Marcel Remund. «Es macht keinen Sinn, ständig mehr Steuern einzukassieren als nötig», so Remund. «Es ist an der Zeit, dass wir den Bürgern etwas zurückgeben.»
An diesem Mittwochabend wird die Motion im Grossen Gemeinderat behandelt. Der Gemeinderat selbst zeigt sich zwar offen für eine Diskussion: Er beantragt die Umwandlung in ein Postulat, damit die Senkung im Rahmen der jährlichen Budgetdebatte geprüft werden könne. Mit ihrer inhaltlichen Forderung steht die FDP in Zollikofen aber allein auf weiter Flur.
Selbst die Zollikofner SVP will die Steuersenkung nicht
Die Überschüsse der letzten Jahre seien jeweils auf ausserordentliche Erträge und Sondererträge zurückgegangen, schreibt der Gemeinderat in seiner Antwort auf die Motion der FDP. Diese liessen sich nicht wiederkehrend budgetieren. Die Planergebnisse der Finanzplanung bis 2028 zeigen gemäss Gemeinderat die «begrenzte Leistungsfähigkeit» des kommunalen Gemeindehaushalts auf. In den nächsten Jahren kämen grosse Investitionen auf die Gemeinde zu, welche sie bereits in der aktuellen Ausgangslage kaum selbst stemmen könne.
Die Zollikofner SVP, die im Gemeinderat und im Grossen Gemeinderat als Partei am stärksten vertreten ist, stützt die Linie des Gemeinderats. SVP-Fraktionspräsident Marco Bucheli befürwortet zwar die Debatte. Doch er sagt: «Wenn wir uns das Budget 2025 ansehen, dann sieht es auch dieses Jahr nicht so rosig aus.» Die SVP sehe wenig Bedarf für eine Steuersenkung. Zumal Zollikofen bereits heute zu den 20 steuergünstigsten Gemeinden im Kanton gehöre: «Wir setzen lieber auf Konstanz.»
Auch die SP Zollikofen kann der Motion wenig abgewinnen. Es gebe mehrere Investitionen im Schulbereich, deren Dimensionen man noch nicht genau abschätzen könne, sagt SP-Fraktionspräsident Markus Wüest: «In einer solchen Situation wollen wir uns nicht auf Abenteuer einlassen.» Ganz abgeneigt sei man einer Senkung aber nicht, sofern der Service Public gewährleistet bleibe. Man könne eine solche immer wieder prüfen, so Wüest.
Ohne die Unterstützung der SVP dürfte die Motion der FDP wirkungslos bleiben. Sie sei wohl vor allem ein Mittel für den Wahlkampf, sagt Wüest. Denn: Die FDP hat bisher keinen Sitz im Zollikofner Gemeinderat.
Davon will Marcel Remund aber nichts wissen. Die FDP habe bereits in der Budgetdebatte vom vergangenen Jahr versucht, für eine Senkung zu weibeln. Nun nutze man lediglich ein stärkeres Instrument, um «eine kohärente Finanzpolitik» einzufordern.
Muri: Der Steuerwettbewerb unter den Gemeinden ruft
Mit ihren Forderungen mag die Zollikofner FDP in ihrer eigenen Gemeinde wenig Anklang finden. In der Region ist sie damit aber nicht allein. Auch die Gemeinde Muri schneidet jedes Jahr besser ab als budgetiert - und das seit einem Jahrzehnt. Und auch in Muri fordert die FDP nun eine Senkung der Steueranlage.
An der letzten Sitzung des Gemeindeparlaments sammelte die Fraktion Unterschriften für eine Motion, die eine Senkung von aktuell 1,14 auf 1,09 Einheiten fordert. Schon heute gehört Muri zu den zehn steuergünstigsten Gemeinden im Kanton. Mit der Senkung würde sie von Platz sieben auf Platz vier rutschen – und damit Saanen überholen, das seine Steuern im vergangenen Jahr bereits gesenkt hat.
Es sei wichtig, in diesem Wettbewerb mithalten zu können, sagt Johannes Matyassy, Präsident der Muriger FDP. Die Investitionen der Gemeinde seien dadurch nicht gefährdet. Zumal sie dank ihrer guten Resultate in den letzten Jahren eine Reserve von 40 Millionen Franken angehäuft habe: «Da ist es absolut vertretbar, für das nächste Jahr wieder ein Defizit zu budgetieren.»
Schliesslich gingen die positiven Ergebnisse der Gemeinde gerade darauf zurück, dass sie steuerlich so attraktiv sei. Es habe viele Zuzüger gegeben, welche die Steuereinnahmen deutlich verbessert hätten. Doch diese zögen auch wieder weg, wenn die Gemeinde nicht attraktiv bleibe. «Wenn das zu oft passiert, dann fehlen uns auch die Einnahmen, die unsere Investitionen und am Ende auch links-grüne Vorhaben finanzieren», so Matyassy.
Die Forderung kommt auch in Muri gerade rechtzeitig zum Wahlkampf: Im November werden der Gemeinderat und das Gemeindeparlament neu gewählt. Gerade die FDP steht unter Druck: Im Juni hat sie das Gemeindepräsidium an die SP verloren.
Aber anders als in Zollikofen hat die Forderung in Muri reale Chancen. Die Machtverhältnisse im Parlament sind zwischen den Bürgerlichen und Mitte-Links ausgeglichen; die FDP stellt allein 14 der 40 Sitze sowie das Ratspräsidium, welches den Stichentscheid treffen könnte.
Sollte die Motion der FDP noch in dieser Legislatur behandelt werden, stünden die Chancen auf eine Volksabstimmung gut. Auch in Zollikofen müsste eine Senkung nach der Parlamentsdebatte noch an der Urne genehmigt werden. So oder so dürfte die Stimmbevölkerung das letzte Wort haben – wenn nicht bei einer Abstimmung, so zumindest zu den Wahlen.