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Parlament will keinen griffigen Gegenvorschlag zur Solarinitiative
Eine Solarpflicht für Bestandesbauten scheitert an Mitte-rechts. Damit sei der Gegenvorschlag seiner Wirkung beraubt, moniert die Regierung.

Monatelange Kommissionsarbeit, drei Gegenvorschläge, stundenlange Parlamentsdebatte und nun: nichts. Oder jedenfalls nicht viel.
Die Rede ist vom Gegenvorschlag zur Berner Solarinitiative, den das bernische Kantonsparlament in der laufenden Frühlingssession behandelt. Dass die Debatte harzig werden dürfte, war absehbar. Bereits stellte sich die vorberatende Baukommission gegen zwei Varianten eines Gegenvorschlags – einen hatte sie selbst erarbeitet.
Doch auch der dritte Vorschlag, es handelte sich um eine Kompromissvariante des Regierungsrats, hatte es im Rat nicht leicht. So unterstützte die Parlamentsmehrheit, bestehend aus SVP, FDP, Mitte und Teilen der GLP, einen Rückweisungsantrag, der den Gegenvorschlag laut der Regierung jeglicher Wirkung beraubt. Es stelle sich die Frage, ob man zur Entlastung von Verwaltung und Kommission nicht besser die Diskussion um einen Gegenvorschlag ganz einstelle, sagte der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann (SP) in der Debatte.
Knacknuss Bestandesbauten
Konkret geht es um die Frage, inwiefern Bestandesbauten von einer Solarpflicht betroffen sein sollen. Geht es nach den Initianten, müssen bestehende Gebäude bis 2040 mit Solarzellen nachgerüstet werden. Der Gegenvorschlag des Regierungsrats sah vor, die umstrittene Frist zu streichen. Eine Nachrüstung wäre nur obligatorisch, wenn das Dach «umfassend saniert» würde und das Ganze wirtschaftlich nicht unverhältnismässig wäre.
Nun hat das Parlament den möglichen Gegenvorschlag weiter abgeschwächt. Der überwiesene Rückweisungsantrag sieht vor, anstelle einer Pflicht zur Nachrüstung lediglich eine Pflicht zur Einholung einer Offerte
im Gegenvorschlag vorzusehen. «Die Branche lechzt nach Null-Effekt-
Arbeit», kommentierte GLP-Grossrat Simon Ryser ironisch.
Eigentumsfreiheit in Gefahr
Die Befürworter des Rückweisungsantrags begründeten diesen damit, dass eine Pflicht zur Nachrüstung bestehender Bauten einen krassen Eingriff in die Eigentumsfreiheit darstellen würde. «Für uns lag da immer die rote Linie», sagte etwa SVP-Grossrat Markus Aebi. FDP-Grossrätin Sandra Hess äusserte zudem die Befürchtung, dass Hausbesitzer bei einer Nachrüstungspflicht «das Dach gar nicht mehr anfassen würden», also auf eine Sanierung aus Angst vor Mehrkosten verzichteten. Betreffend der Energieeffizienz wäre das laut Hess sogar kontraproduktiv.
Die Gegner des Rückweisungsantrags sahen damit den Gegenvorschlag allerdings seines Herzstücks beraubt. Zwar ist eine Solarpflicht bei Neubauten damit noch nicht vom Tisch. Allerdings sieht bereits das Bundesgesetz eine solche bei Neubauten ab einer Grundfläche von 300 Quadratmeter vor. Mehr als kosmetische Verschärfungen der Vorschriften liegen nach dem Entscheid also nicht mehr im Bereich des Möglichen.
Zudem fand bereits zuvor ein weiterer Rückweisungsantrag eine Mehrheit, der auch für Neubauten die Vorschriften im Vergleich zum Entwurf des Regierungsrats lockern möchte. Insbesondere sah dieser Rückweisungsantrag vor, bei selbst bewohnten Liegenschaften die Solarausstattungspflicht grundsätzlich auf den jährlichen Eigenverbrauch aller Bewohner eines Gebäudes zu beschränken.
Offen ist, ob eine Pflicht zur solaraktiven Überdachung neuer Parkanlagen ins Gesetz geschrieben wird. Der Regierungsrat verzichtete auf den Passus, weil er sich im Vernehmlassungsverfahren als äusserst umstritten erwies. Ausgerechnet die Parteien, welche den möglichen Gegenvorschlag stark abschwächten, möchten ihn aber wieder integrieren. Die Abstimmung dazu fand nach Redaktionsschluss statt.
Weiterer Rückschlag
Bereits zeichnet sich allerdings ab, dass die Solaroffensive einen weiteren Rückschlag erleiden wird. Schliesslich ist die Initiative so radikal formuliert, dass sie vor dem Volk kaum Chancen haben dürfte. Neben einer sehr sportlichen Nachrüstpflicht bis 2040 sieht sie auch eine Solarpflicht für geeignete Fassadenflächen vor.