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Meine Rechte, Deine Rechte, oder so …

Bei gruppenspezifischen Rechten, etwa für Kinder, Frauen oder Transpersonen handelt es sich laut «Anzeiger»-Kolumnist und Rechtsprofessor Marcel Niggli nicht um Menschenrechte. Hinfällig würden diese damit aber nicht. 

| Marcel Niggli | Politik
Marcel Niggli. Foto zvg
Marcel Niggli. Foto zvg

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es in jüngster Zeit von Rechten nur so wimmelt, und damit sind nicht politisch rechts stehende Menschen gemeint, sondern tatsächlich Rechte, im Sinne von Berechtigungen. Alles, was existiert, scheint Rechte zu haben, natürlich die Menschen, die haben sie ja erfunden, aber auch Tiere, die Natur und sogar Ungeborene (Rechte künftiger Generationen). 

Daran ist einmal irritierend, dass zwar Rechte behauptet oder eingefordert werden, aber kaum je die Rede ist von entsprechenden Pflichten. Tatsächlich aber unterscheidet das Recht Rechtssubjekte von Rechtsobjekten. Typisch für die Rechtssubjekte ist, dass sie Träger sein können von Rechten und Pflichten, während das auf die Rechtsobjekte nicht zutrifft. Kann jemand oder etwas keine Pflichten haben, zeigt das üblicherweise an, dass auch mit der Eigenschaft als Rechtssubjekt etwas nicht ganz stimmt. In der Tat ist es schwierig, sich vorzustellen, dass die Natur oder ungeborene Generationen Pflic hten haben sollten, und die Vorstellung, dass Tiere Pflichten hätten, haben wir längst aufgegeben. Die Vorstellung von Trägern oder eben Subjekten, denen nur Rechte, aber keine Pflichten zukommen, erinnert fatal an überkommene Vorstellungen von Gott oder einem gottgleichen Herrscher im Absolutismus, zutiefst metaphysische Vorstellungen also. Um das zu erkennen, reicht es, sich darüber klar zu werden, dass es in dieser Vorstellung ein Dürfen gibt, das ganz ohne Bezug zu irgendeinem Sollen oder Müssen besteht, eine ganz einseitige und darin doch recht herrschaftliche Vorstellung also.

Das aber ist erst die eine Hälfte der Fragen, die sich aus der beinahe schrankenlosen Vervielfältigung von Rechten (und Ansprüchen) ergeben. Vielleicht noch verwirrender ist die Vorstellung, dass es Rechte einzelner Gruppen von Menschen geben solle, wie z.B. Frauen, Kinder, Transsexuelle etc. Verwirrend daran ist natürlich nicht, dass bestimmte Gruppen spezifische Rechte haben oder haben sollen. Das erscheint geradezu als selbstver-ständlich. Ein Mieter hat andere Rechte als ein Vermieter, ein Käufer andere als ein Verkäufer und so weiter. Irritierend ist, dass all diese gruppenspezifischen Rechte als Menschenrechte verstanden werden. Denn das ist nicht eigentlich möglich, vielmehr stehen Gruppenrechte – was selten erkannt und jedenfalls nicht gerne zugestanden wird – in direktem Gegensatz zum Konzept der Menschenrechte, widersprechen ihnen also. 

Der Grund ist schnell erklärt: Was wir heute als Menschenrechte verstehen, hat seinen Ursprung in der Aufklärung (obwohl zuvor schon Hobbes und Locke Beiträge geleistet haben), also im 18. Jahrhundert. Die eigentliche Leistung des Konzeptes bestand in der Abstraktion: Allen Menschen, unabhängig davon, ob sie schön, gescheit oder reich waren, sollten diese Rechte zukommen, einfach deshalb, weil sie Menschen waren. Ein Menschenrecht ist ein Recht, das jedem Menschen zukommt. Und damit ist das Problem auch schon umschrieben. Denn natürlich kommen Frauenrechte oder Kinderrechte nicht allen Menschen zu. Ein gruppenspezifisches Recht kommt eben nur dieser bestimmten Gruppe zu, nicht allen Menschen. Und damit ist es eben notwendig kein Menschenrecht. Das spricht natürlich nicht gegen Kinderrechte, denn warum sollten die Rechte einer bestimmten Gruppe allen zukommen? Aber es widerspricht unmittelbar und direkt einer Klassifika­­­tion als Menschenrecht. Kurz und knapp: gruppenspezifische Rechte sind keine Menschenrechte, sondern – so berechtigt sie auch sein mögen – das Gegenteil davon.

Zur Person:

Marcel Niggli ist Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg.


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