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Berner Frauenhäuser klagen über Platzmangel

Die Berner Frauenhäuser sind stark ausgelastet, teils müssen Betroffene von häuslicher Gewalt ausserkantonal untergebracht werden. Der Kanton will mit einem Ausbau von Folgeangeboten Abhilfe schaffen. Laut der Leiterin des Frauenhaus Bern reicht das aber nicht.

| Susanne Grädel | Politik
Symbolbild.
Kinder machen rund die Hälfte der Bewohnenden von Frauenhäusern aus. Symbolbild: Pixabay

Auf dem Instagramkanal der «Stiftung gegen Gewalt an Frauen» wurde kürzlich der Aufruf gepostet: «Die Frauenhäuser sind stark überlastet. Die Situation in der Schweiz ist prekär. Die Überlastung wirkt sich sowohl auf die gewaltbetroffenen Frauen und deren Kinder aus als auch auf den Betrieb und die Betreuung.» Laut der Leiterin des Frauenhaus Bern, Ines Bürge, trifft dies auch auf die Region Bern zu. 

Im Jahr 2023 waren die beiden Berner Frauenhäuser der Stiftung gegen Gewalt an Frauen zu 86 Prozent ausgelastet. Für eine Kriseninterventionsstelle bedeute der Mangel an freien Zimmern eine grosse Herausforderung. Die Hotline «AppElle!», welche von den drei Frauenhäusern im Kanton Bern betrieben wird, habe in den Jahren 2022 und 2023 rund 25 Klientinnen ausserkantonal unterbringen und zwischen 140 und 150 Unterbringungen in Hotels organisieren müssen, sagt Bürge. Dies stelle eine hohe Belastung für die Mitarbeiterinnen und die Betroffenen selbst dar. «Die Absprachen zwischen den Kantonen ist schwierig, die Finanzierung der Plätze ist unterschiedlich geregelt», sagt Bürge. Das führe dazu, dass Frauen mit ihren Kindern mehrmals den Aufenthaltsort wechseln müssten.

Über die Hälfte der Bewohnenden in den Frauenhäusern sind die Kinder der gefährdeten Frauen, mehrheitlich im Vorschulalter. Die Betreuungskosten der Kinder seien nur zum Teil gedeckt, sagt Bürge. Finanziert werden die Zimmer in einem abgestuften System. Je länger ein Zimmer belegt ist, desto weniger finanzielle Unterstützung erhalten die Frauenhäuser dafür. Die Kinderbetreuung sei so nicht im benötigten Ausmass möglich. 

Pro Familiensystem sind jeweils zwei Fachberaterinnen zuständig, eine davon hat den Fokus vor allem auf dem Kindswohl. Durch das Erlebte hätten die Kinder oft besondere Bedürfnisse und benötigten Therapieplätze, so Bürge. Oder ein Schulwechsel müsse organisiert werden. «Das kann sehr intensiv werden.» Der Kanton sei aber gemeinsam mit den Fachstellen an der Ausarbeitung eines neuen Finanzierungssystems. Dieses stehe noch ganz am Anfang.

Mädchenhaus gefordert

Eine weitere Forderung von Bürge und den Frauenhäusern ist ein Mädchenhaus. «Jugendliche und gewaltbetroffene Mädchen haben andere Bedürfnisse als Erwachsene und Kinder, sie brauchen andere Strukturen.» Gerade Minderjährige benötigten mehr Betreuung, da sie beispielsweise keine Verträge unterschreiben könnten. Das Personal in den Frauenhäusern sei zudem nicht auf Jugendliche spezialisiert. 

Laut Opferhilfestrategie des Kantons ist ein Mädchenhaus jedoch nicht vorgesehen. «Vier zusätzliche Plätze für Mädchen und weibliche Jugendliche sollen in einem Frauenhaus für kurze Aufenthalte zur Verfügung stehen», heisst es dazu. Diese Plätze müssten durch bisherige ersetzt werden. 

Bürge reicht das nicht. «In der aktuellen Situation wäre dies auch aus fachlicher Sicht so nicht umsetzbar», sagt sie. Der Mediendienst der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion GSI, die für die Umsetzung der kantonalen Opferhilfestrategie zuständig ist, schreibt auf Anfrage: «Diese Lösung erlaubt es, Synergien zwischen den Frauen- und Mädchenplätzen im Frauenhaus zu nutzen und sie steigert die Flexibilität im Umgang mit Belegungsspitzen.» Wichtig sei dabei die
Sicherstellung der entsprechenden Betreuung der Minderjährigen. Eine eigene Institution mit vier Plätzen könne man betriebswirtschaftlich nicht kostendeckend führen.

Keine weiteren Schutzplätze

Der Kanton verweist in seiner Antwort ebenso an die zahlreichen Angebote des Kantons für Jugendliche, wie beispielsweise die Kindernotaufnahme­gruppe Kinosch, mehrere Wohnheime wie «Das Haus» in Biel, sowie das Kompetenzzentrum «Jugend und Familie Schlossmatt». Es gebe zudem sehr wenige Fälle von gewaltbetroffenen Mädchen, schreibt der Mediendienst weiter. Nur Zürich habe ein Mädchenhaus mit sieben Plätzen, alle anderen Kantone erachten die Schaffung nicht für angezeigt. «Es sind nicht nur die Frauenhäuser, die sich um Betroffene kümmern und diese betreuen.», schreibt die Medienstelle des GSI.

Auch zusätzliche Schutzplätze in den Frauenhäusern sieht der Kanton derzeit nicht vor. Um die Situation zu entspannen, fokussiert die zuständige Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern auf die Schaffung von Folgeangeboten, wie betreute Wohnungen und Wohngemeinschaften für die von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder. Das Ziel dabei sei es, die Aufenthalte zu verkürzen und so die Auslastung der Frauenhäuser zu verringern. 

Wenig effiziente Betriebe

Ines Bürge hält die geplanten Folgeangebote für «wichtig, aber noch nicht ausreichend». Es brauche mehr Schutzplätze schweizweit. Der Kanton sehe die Schaffung weiterer Schutzplätze jedoch als nicht zielführend, da er die hohe Auslastung nicht generell auf fehlende Schutzplätze zurückführt. «Eine vermeintlich hohe Auslastung kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden, z. B. historisch gewachsene, wenig effiziente Betriebsstrukturen, Nichtnutzen von Synergien, Fehlanreize der Finanzierung oder die im Kanton Bern im Vergleich mit anderen Kantonen hohe Verweildauer der Frauen in einem Teil der Frauenhäuser», schreibt die GSI. Der Kanton wolle zuerst die Ursachen lösen, bevor ein Bedarf an Plätzen neu evaluiert werden könne. 

Der Grosse Rat habe Teile der Opferhilfestrategie in der Frühlingssession 2023 nicht zur Kenntnis genommen, weitere Anpassungen seien vorzunehmen, heisst es seitens des Kantons. Der Regierungsrat habe die Strategie nun zu überarbeiten.


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