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Regula Rytz: Keine Demokratie ohne Medienvielfalt!

Eine Schwächung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens diene den privaten Medienhäusern nicht, argumentiert «Anzeiger»-Kolumnistin Regula Rytz. Was dabei letztlich herauskommen könne, sehe man in den USA, wo private TV-Kanäle zu Propagandamaschinen antidemokratischer Machtpolitik verkommenen seien. 

| Regula Rytz | Politik
Regula Rytz ist Historikerin und ehemalige Gemeinde- und Nationalrätin sowie ehemalige Präsidentin der Grünen Schweiz. Foto: zvg
Regula Rytz ist Historikerin und ehemalige Gemeinde- und Nationalrätin sowie ehemalige Präsidentin der Grünen Schweiz. Foto: zvg

Wie viele Medien haben Sie abonniert? Bei mir sind es acht, darunter der «Anzeiger Region Bern», den Sie heute lesen. Lokale und nationale Medienvielfalt ist mir wichtig, für meine Arbeit, aber auch als Bürgerin. Eine Demokratie lebt von unterschiedlichen Perspektiven. Wenn alle Menschen exakt das Gleiche dächten und das Gleiche wollten, dann würde es keine Regierung, keine Gemeindeversammlung und kein Parlament brauchen. Dann müsste man nicht nach Lösungen suchen und nach Kompromissen ringen. Dann gäbe es eine einzige und ewige Wahrheit für alle – und basta. Eine «Monopol-Wahrheitszeitung» wäre für diesen Fall genug. Oder viele gleichgeschaltete, zensurierte Medien, so wie man sie in autoritären Staaten kennt.

In der demokratischen Schweiz war es um die echte Medienvielfalt lange gut bestellt. Private Verlage publizierten Zeitungen, die politische Entscheidungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet haben. Aus der Sicht der Unternehmen, aus der Sicht der Arbeiterinnen und Arbeiter, aus der Sicht der konservativen Bewahrer. 

Als die Parteizeitungen an Bedeutung verloren, begann die Blütezeit der sogenannten Forumsmedien. Diese versprechen Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit aus einer Hand, was mehr oder weniger gut gelingt. Denn die Finanzierung von Qualitätsjournalismus ist neben Abonnements auch auf Werbeeinnahmen angewiesen. Wer viel bezahlt – zum Beispiel ein Autokonzern – versucht logischerweise Einfluss zu nehmen. Umso wichtiger ist es, dass neben den privaten Medienverlagen auch das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen die sachliche Information der Bevölkerung sicherstellt. 

Mit der Digitalisierung hat sich das Geschäftsmodell der privaten Medien radikal verändert. Die Werbeeinnahmen gingen zu internationalen Online-Plattformen und «Informationen» werden zunehmend über Gratismedien wie Internetzeitungen oder Facebook verbreitet. 

Auch die SRG hat Konkurrenz bekommen. Dagegen ist auf den ersten Blick nichts einzuwenden, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Die Frage ist nur, unter welchen Umständen die Medien heute produzieren müssen oder wollen. Da ist einmal das Thema der handwerklichen Qualität. Wenn sich die schrumpfenden Einnahmen auf immer mehr neue Titel und Angebote verteilen, dann ist – ohne Selbstausbeutung der Medienschaffenden – immer weniger journalistischer Tiefgang möglich. Dass in den letzten Jahren Hunderte von Stellen in der Medienbranche abgebaut wurden, ist ein Alarmzeichen für den Zustand der «vierten Macht» in der Schweiz. Da hilft auch künstliche Intelligenz nicht weiter, denn diese versteht nichts von kritischer Reflexion.

Noch bedenklicher ist die Entwicklung bei den privaten Radio- und Fernsehstationen. In der Schweiz erhalten die meisten öffentliche Gebührengelder und müssen Qualitätsauflagen erfüllen. In Italien oder in den USA dagegen sind die privaten TV-Kanäle zu Propagandamaschinen von antidemokratischer, hassschürender Machtpolitik geworden. Mit ihren Fake-News beeinflussen sie Menschen, die keine Zeit und keine Möglichkeiten haben, die immer absurderen Lügen und gefälschten Bilder zu überprüfen. Die Spaltung der Gesellschaft wird bewusst herbeigeführt. 

In der Schweiz sind wir zum Glück noch weit von solchen Zuständen entfernt. Aber auch hier gibt es Bestrebungen, die Medienvielfalt auszuhöhlen. So will die «Halbierungsinitiative» der SVP dem öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen den Geldhahn zudrehen. Damit wäre zwar keine einzige Stelle in einem privaten Medienhaus gerettet – aber die Breite der Nachrichten und Hintergrundinformationen für eine viersprachige Schweiz bedroht. Die Allianz «Pro Medienvielfalt» gibt aktiv Gegensteuer (https://www.pro-medienvielfalt.ch/). Überlassen auch Sie die Medien nicht den Fakenews-Populisten. Engagieren Sie sich für die Medienvielfalt – politisch und mit einem Abonnement!


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