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«YB zeigt das Gesicht einer grossen Mannschaft»

«Radio Gelb-Schwarz»-Moderator Gabriel Haldimann nimmt die Spielweise von YB in Schutz. Und er erklärt, wieso Filip Ugrinić so sensationell ist.

| Fabian Christl | Sport
Die YB-Spieler feiern ihren Sieg gegen Belgrad mit ihrem Anhang.
Die YB-Spieler feiern ihren Sieg gegen Belgrad mit ihrem Anhang. Foto: fac

Bereits vor dem Spiel am Mittwochabend gegen Leipzig ist klar: YB beendet die Champions-League-Gruppenphase auf dem dritten Platz. Maximalziel erreicht, oder doch enttäuscht, dass es zu keinem Exploit gekommen ist?

Wir waren bei der Auslosung in Topf vier und haben mit Belgrad ein besser rangiertes Team hinter uns gelassen. Es wäre vermessen gewesen zu glauben, dass wir gegen Leipzig und Manchester City punkten werden. Daher: Maximalziel erreicht. 

Aber die Überraschung war dann schon sehr weit entfernt. Leipzig war zwei und Man City vier Klassen besser als YB.

Bei Manchester City sind es mindestens vier Klassen. Aber gerade in den beiden Heimspielen konnten wir lange mit­halten – das weckt grosse Lust auf
die kommenden Europa-League-Spiele. Die Teams werden grosse Namen haben, aber wohl nur eine Klasse besser sein. Die viel gescholtene Spielweise von YB mit dem schnellen Umschaltspiel ist für solche Spiele wie gemacht. 

YB soll mit der Champions League rund 30 Millionen eingenommen haben – und will das Geld etwa in die Innenverdichtung und zusätzliche VIP-Logen stecken. Da müssen dem Vollblutfan doch die Haare zu Berge stehen … 

Überhaupt nicht. Ich sehe Potenzial in der Idee, das Wankdorf mit baulichen Massnahmen attraktiver zu gestalten. Im Stadion ist es wegen des Durchzugs gefühlt fünf Grad kälter als überall sonst in Bern. Ich träume ausserdem davon, dass man im Fansektor D Tribüne und Parkett miteinander verbindet. An einem teureren Team, das jede Meisterschaft mit 30 Punkten Abstand gewinnt, habe ich eigentlich gar kein Interesse. 

Sind YB-Fans dem Verein einfach treu ergeben?

Das stimmt nicht generell. Als YB-Verwaltungsrat Urs Siegenthaler vor der Muttenzerkurve sagte, dass der FC Basel unerreichbar sei, kam es zu Protesten, die sogar zum Rücktritt Siegenthalers führten. Seit Christoph Spycher die Geschicke leitet, gibt es einfach nicht mehr viel zu kritisieren.

Die Spielweise ist teilweise nicht so berauschend. Das 2:0 gegen Belgrad zu Hause war ein typisches YB-Spiel unter Raphael Wicky: Man war nicht besser, hat aber trotzdem gewonnen.

YB zeigte das Gesicht einer grossen Mannschaft: Sie ist im richtigen Moment parat und effizient. Das war bereits gegen Maccabi Haifa so. 

Auch in der Meisterschaft gab es bereits viele solcher Spiele. Wenn man sich nicht mehr Chancen erarbeitet, als man hinten zulässt – was auch die Statistiken zeigen –, ist es am Ende doch einfach nur Glück. 

In dieser Häufung kann es nicht nur Glück sein. Ich glaube, es ist ein Zeichen von Reife und der Geduld, den richtigen Moment abzuwarten. Man kann schon aus dreissig Metern abziehen und dann in der Statistik einen weiteren Torschuss verzeichnen, aber das hilft letztlich auch nicht weiter. Das ist auch schön an St. Gallen zu sehen, die stets unermüdlich nach vorne rennen, sich Chancen erarbeiten – und sie dann doch nicht verwerten. Es ist zwar attraktiv, aber verschleisst viel Energie und ist etwas naiv. Da ziehe ich die Spielweise von YB vor.

Trotz der guten bis sehr guten ­Ergebnisse wurde der Vertrag von Wicky noch nicht verlängert. Ein Zeichen des Misstrauens?

Das ist eine sehr boulevardeske Zuspitzung. Angesichts der zahlreichen europäischen Wochen und der Komplexität solcher Verträge ist es nachvollziehbar, dass man bis zur Winterpause abwartet. Aber ich zweifle nicht an der Vertragsverlängerung. 

Wicky mag bleiben. Aber Elia ist nach dieser Champions-League-Kampagne kaum mehr zu halten, oder?

Ja, spätestens im Sommer ist er weg, er ist wohl zu gut für diese Liga. Ich denke aber, dass er nicht schon im Winter geht. Einerseits wegen des Afrika-Cups wird ihm die Zeit für Transferverhandlungen fehlen, andererseits sind Wintertransfers risikobehafteter, weil man in eine fertige Mannschaft hineingeworfen wird. 

Der zweite Spieler, den es herauszustreichen gilt, ist Philip Ugrinić. Er gewinnt viele Bälle, hat ein schnelles Umschaltspiel, ist ballsicher, verfügt über einen guten Schuss und kämpft bis zum Umfallen. Ein hervorragender Spieler. 

Das sehe ich genauso. Er baut die Spielzüge clever auf, bewegt sich gut in den Zwischenräumen und ist dadurch für die Gegner schwer zu fassen. Es ist absolut sensationell, was er abliefert. Sogar im historischen Blick ist es ein Spieler, der heraussticht. Und dann wirkt er zu all dem auch noch bescheiden. 

Beim 3:0-Sieg gegen St. Gallen von Samstag konnte ihn Wicky etwas frühzeitig vom Platz nehmen, weil das ganze Team überzeugte. Es war das bisher beste Meisterschaftsspiel in dieser Saison von YB. Einverstanden?

Sicher eines der besten. YB hat die eigentlich für die Anfangsstärke berüchtigten St. Galler von Beginn an dominiert. Die kamen kaum aus der eigenen Hälfte hinaus. Das Spiel hat richtig Freude bereitet – auch weil es die richtige Antwort auf die Kritik war, die etwa nach dem tatsächlich lahmen Spiel gegen Lausanne-Ouchy aufkam. 

Jean-Pierre Nsame hat zwei Tore erzielt – und nähert sich dem Allzeit-Rekord von Marco Streller betreffend Super-League-Tore an. Laut «Bund»/Berner Zeitung ist er der treff­sicherste, aber wohl nicht der beste Stürmer, den YB je hatte. Das entspricht auch meinem Gefühl.

Ich kann dieser Aussage nur für die Zeit nach seiner Achillessehnenverletzung zustimmen. Seither ist seine Wirkungskraft auf den Strafraum begrenzt. Vor seiner Verletzung war er aber mit seiner Explosivität und seiner Wucht mit Abstand der beste Stürmer der Super League. 

YB-Eigengewächs Lewin Blum konnte zwei Assists verzeichnen und war schon in den letzten Spielen überzeugend. Ist er einfach gut in Form, oder hat er einen Sprung nach vorne gemacht?

Das ist eine schwierige Frage. Er spielt aktuell mit sehr viel Selbstbewusstsein. Ich glaube aber, dass er nach der schwierigen Phase im Sommer, mit einer durchzogenen U-21-EM und dem Saisonstart als Nr. 2 auf seiner Position sich nochmals weiterentwickelt hat und uns weiterhin viel Freude bereiten wird.

Beeindruckend war auch die Choreo – oder besser: die Choreos – der Ostkurve. Hatte die Kurve noch eine übrig, oder wieso der Aufwand gegen einen zweitklassigen Gegner?

Mit der zweiten Choreo wurde meines Wissens das 15-Jahre-Jubiläum der Ultra-­Gruppierung Urban Squad gefeiert. Aber ich staune auch, was für eine Ausdauer die YB-Kurve an den Tag legt. 2023 wird wohl als Jahr mit den meisten Choreos in die Geschichte eingehen. Und dann haben sie noch die Energie, um in einem beliebigen Spiel wieder so etwas Aufwendiges durchzuziehen. Das macht Freude. 

Wir witzeln ein wenig über die St. Galler, weil sich zwischen YB und den Ostschweizern in den letzten Jahren eine gewisse Rivalität entwickelte. Worin gründet diese überhaupt?

Die Rivalität hat vermutlich in der Saison 2019/2020 ihren Ursprung, als beide Teams auf Augenhöhe spielten. Da­rauf folgten mehrere denkwürdige Partien zwischen den beiden Mannschaften. Nicht zuletzt hat es aber auch mit polarisierenden St.-Gallen-Spielern wie Lukas Görtler zu tun, der selbst bei YB-Spielern unbeliebt ist. 

Auch wenn es zu Sticheleien kommt – eine richtig hochemotionale Rivalität haben die YB-Fans eigentlich mit keinem Team, oder? Selbst Basel interessiert sich mehr für Zürich als für uns. 

Eine Zeitlang bestand zu Sion wegen mehreren Cupfinals eine Rivalität. Ein richtiges Derby wäre schon schön. Ich brauche aber kein Derby, um gerne ins Stadion zu gehen.

Radio Gelb-Schwarz

Die Modefans vom «Anzeiger» besprechen jede Woche das aktuelle YB-Spiel mit den Kommentatoren und Vollblutfans von Radio Gelb-Schwarz. «Anzeiger»-Redaktor Fabian Christl hat als Libero bei den F-Junioren des FC Trimbach nach eigener Angabe für Furore gesorgt und verfolgt YB seit Seydou Doumbia. Gabriel Haldimann wurde zu Neufeld-Zeiten mit YB sozialisiert. Er kommentiert seit 2010 YB-Spiele für Radio Gelb-Schwarz, wo er seine Freude an der Sprache mit jener für den Fussball verbindet. www.radio-gelb-schwarz.ch

 


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