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YB-Sportchef von Bergen: «Ich habe nicht das Gefühl, dass die Spieler mental kaputt sind»
YB-Sportchef Steve von Bergen glaubt nicht, dass die sparsame Transferpolitik mitverantwortlich für den schlechten Saisonstart ist.
Herr von Bergen, nach neun Runden steht YB mit sechs Punkten in der Super League auf dem letzten Platz. Was sind die Gründe für den verpatzten Saisonstart?
Unsere Situation ist in der Tat nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Die Gründe dafür sind vielseitig. Wir sind uns der Situation bewusst und nehmen sie an. Wir arbeiten jeden Tag auf und neben dem Platz daran, um wieder auf die Erfolgsspur zu kommen.
Aktuell scheint fehlendes Selbstvertrauen eines der Probleme zu sein.
Klar, man spielt nicht auf seinem besten Niveau, wenn man sich in einer solchen Situation befindet. Wenn man mehrmals verliert, fängt man an zu überlegen und ist oft einen Schritt zu langsam. Aber das Team ist nach wie vor konzentriert und hat eine gute Einstellung. Gerade die Trainingsleistungen stimmen zuversichtlich. Es geht nach der Nationalteampause darum, dass wir die geforderte Intensität auch in der Meisterschaft auf den Platz bringen.
Nutzt YB Methoden wie autogenes Training, oder gibt es eine systematische Zusammenarbeit mit einem Mentaltrainer?
Es gibt YB-Spieler, die privat mit einem Mentaltrainer arbeiten, aber das ist eine individuelle Sache. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass die Spieler mental so kaputt sind, dass das nötig wäre. Dass wir Mentalität und Qualität haben, zeigte sich etwa in den Champions-League-Playoffs gegen Galatasaray Istanbul. Nun müssen wir es aber auch in der Meisterschaft abrufen.
Wie geht es Ihnen dabei? Dass Sie als Sportchef ausserhalb der Transferperiode kaum direkt eingreifen können, dürfte es für Sie nicht einfacher machen …
Die Transferperiode ist zwar ein relevanter Teil meines Jobs, ich arbeite aber auch die restlichen zehn Monate im Jahr. Es ist derzeit natürlich für alle nicht leicht, auch für mich nicht. Und wie die anderen mache ich mir viele Gedanken, wie ich Mannschaft und Staff unterstützen kann, damit wir das nächste Spiel gewinnen werden.
Ist die Entlassung des Trainers bereits ein Thema, über das Sie sich Gedanken machen?
In so einer Situation ist es normal, dass alles infrage gestellt wird.
Häufig wird Ihre Transferpolitik für den schlechten Saisonstart verantwortlich gemacht. War YB in den letzten Transferperioden zu geizig?
Nein, es war nicht in erster Linie eine Frage des Geldes. Natürlich hinterfragen wir in unserer Situation auch uns selbst. Aber ich glaube an die Spieler, die wir verpflichtet haben. Sie haben alle eine gute Qualität. Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass sie diese auch im richtigen Moment auf den Platz bringen können.
Allein in der letzten Saison hat man die Stammspieler Fabian Rieder, Christian Fassnacht, Cédric Zesiger, Ulisses Garcia, Jean-Pierre Nsame und Aurèle Amenda ziehen lassen. Konnte der Qualitätsverlust ausgeglichen werden?
Wenn man Titel gewinnt, verliert man in der Regel die besten Spieler. Natürlich würden wir einen Rieder am liebsten für immer bei uns behalten. Aber alleine von den Fernsehrechten können wir nicht leben. Es gehört auch zu unserer Philosophie, dass wir Spieler entwickeln und sie, wenn sie so weit sind, weiterziehen lassen. Aber wir haben in diesem Sommer mit Virginius, Pfeiffer und Zoukrou auch vielversprechende Spieler geholt, um die Abgänge von Amenda und Lustenberger zu kompensieren. Ich glaube nicht, dass die Qualität des Kaders schlechter geworden ist.
Häufig heisst es, es fehlten Leaderfiguren. Waren Sie auf der Suche nach so einer Figur?
Jedes Team will Leaderfiguren. Wir haben solche im Kader. Als wir in der letzten Saison in einer schwierigen Situation waren, haben sie dafür gesorgt, dass wir trotzdem Meister geworden sind. Aber natürlich würden wir uns über einen Spieler freuen, der leistungstechnisch, kämpferisch, in der Kabine und betreffend Kommunikation alle überragt. Aber leider spielen solche Spieler normalerweise nicht in der Super League.
Ivan Rakitic will kurz vor der Unterschrift bei einem Schweizer Verein gewesen sein. War es YB?
Nein.
Auffällig war, wie wenig Abgänge es im Sommer gab. Der FC Basel erhielt sogar für einen Spieler einen zweistelligen Millionenbetrag, der sich nicht einmal in der Super League durchsetzen konnte. Wieso sind YB-Spieler weniger begehrt?
Ich vergleiche unsere Transferperiode nicht mit jenen anderer Vereine. Vieles ist immer sehr vom Moment abhängig. Wir haben in den beiden Wochen vor den Spielen gegen Galatasaray einen Transferstopp verhängt, weil diese Spiele einfach zu wichtig waren. Ausserdem haben wir in den letzten Jahren mehrfach Spieler zu hohen Beträgen ins Ausland verkaufen können. Und das waren mit Amenda und Rieder auch solche, die aus unserer eigenen Jugendabteilung kamen.
FCB-Präsident David Degen wird häufig belächelt, aber er hat es mit lukrativen Transfers offenbar geschafft, den finanziell angeschlagenen Club in wenigen Jahren zu sanieren. Sind Sie beeindruckt?
Wie gesagt, ich äussere mich nicht über die Arbeit anderer Vereine. Jeder hat seine eigene Philosophie.
Zurück zu YB: In welchem Mannschaftsteil sehen Sie Bedarf nach Verstärkung?
Bis zur nächsten Transferperiode geht es noch viel zu lange, um sich öffentlich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Wir haben bis zur Winterpause noch rund 15 Spiele, da kann noch so viel passieren. Wir müssen uns auf das Jetzt konzentrieren.
Anders gefragt: Wieso haben Sie das Kader im defensiven Mittelfeld nicht verstärkt? YB will ja mit zwei zentralen, eher defensiven Spielern spielen. Dafür stehen mit Niasse, Lauper und Chaiwa aber nur drei Spieler zur Verfügung, wovon keiner zur Spitze der Super League gehört. Zuletzt wurde sogar Star-Spieler Ugrinic eine Reihe zurückbeordert, um Stabilität zu verschaffen …
Das sind Ihre Einschätzungen. Wir spielen in der Regel nur mit einer klassischen Sechs. Ausnahme sind internationale Spiele gegen Spitzenteams. Und für diese Position stehen die drei genannten Spieler zur Verfügung. Ugrinic hat bereits in seiner hervorragenden letzten Saison auf der Acht gespielt – er ist sich dies also gewohnt. Und mit Imeri und Lakomy stehen noch weitere Spieler für das zentrale Mittelfeld zur Verfügung.
Apropos Ugrinic: Er überragt derzeit alle anderen. Was für Pläne haben Sie mit ihm? Steht eine Verlängerung bevor?
Der Plan ist, dass er auch im nächsten Spiel wieder eine gute Leistung bringt. Für alles andere ist es zu früh. Klar ist, dass es ein sehr wichtiger Spieler ist, der uns hilft.
Bereits verlängert haben Sie mit Loris Benito. Dies, obwohl er erst von einer langen Verletzung zurückgekehrt ist und es nicht zuletzt angesichts seines Alters offen ist, ob er an frühere Leistungen anknüpfen kann. Ein Hochrisikogeschäft?
Nein, es ist einfach Ausdruck des Vertrauens in einen super Spieler, der
die YB-Welt kennt und sich stark mit dem Verein identifiziert. Benito, das ist YB-DNA pur. Er ist ein Vorbild für unsere Spieler und genau der Leader, den wir uns in der Mannschaft wünschen.
Das Interview wurde vor Bekanntgabe der Entlassung von Trainer Patrick Rahmen durchgeführt. (Anm. d. Red.)
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