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YB-Trainerin Imke Wübbenhorst will die Fehler der Männer nicht wiederholen

YB-Frauen-Trainerin Imke Wübbenhorst schaut zurück auf die vergangene Saison und voraus auf die Zukunft des Frauenfussballs.

| Anina Bundi | Sport
Imke Wübbenhorst.
Imke Wübbenhorst. Foto: Nik Egger

Frau Wübbenhorst, die YB-Frauen standen diese Saison im Cup-Final und im Halbfinal der Meisterschaft. Sind das nur gute Nachrichten oder ärgert man sich, dass es nicht ganz gereicht hat?

Unser Saisonziel war sowohl im Cup wie auch in der Meisterschaft der Halbfinal, und das haben wir übertroffen. Aber im Cup braucht es nur ein
gutes Spiel, um weiterzukommen. Da ist es bitter, wenn man eine gute Leistung zeigt und wegen zwei umstrittenen Gegentoren verliert. Im Playoff-Halbfinal waren wir im Hinspiel nicht bereit und haben den Final somit schlicht nicht verdient, das ist ein­facher zu akzeptieren.

Wie sehr hat die Starspielerin Iman Beney gefehlt, die sich letztes Jahr verletzt hat und heuer ausgefallen ist?

Da von Anfang an klar war, dass sie die ganze Saison ausfällt, war sie auch nicht eingeplant. Es war wichtig, dass sie die Zeit hatte, um wieder 100 Prozent zu genesen. Anders bei Malaurie Granges. Da wusste man, sie kommt zurück, und dann hat sie sich gleich nochmal verletzt. Das war bitterer, sowohl für sie wie auch für das Team. 

Durchgestartet ist dafür die 18-jährige Stürmerin Naomi Luyet, die neu in der 1. Mannschaft gespielt hat.

Sie ist ein extremes Talent. Wir haben sie von den Juniorinnen hochgeholt und sie hat sich enorm entwickelt. Dass sie nach diesem Jahr für die Nationalmannschaft aufgeboten wurde, zeigt, dass wir gut gearbeitet haben. Sie hat bei uns um ein Jahr verlängert und ich bin gespannt auf die nächste Saison.

Nach einem Abstecher nach Basel war auch die Starspielerin Courtney Strode wieder zurück. Was bringt sie dem Team?

Sie ist eine typische Box-to-Box-Spielerin. Sie findet schlaue, coole Laufwege und ist vor dem Tor kaltschnäuzig. Das hat im letzten Jahr gefehlt. Wir hatten sehr viele Torchancen und viele davon ausgelassen. Strode gibt dem Team Sicherheit. Wenn man in der ersten Halbzeit schon zwei Tore schiesst, ist es auch nicht so schlimm, wenn man noch eines reinbekommt später.

Wer hat Sie sonst beeindruckt?

Unsere Kapitänin Stephanie Waeber. Sie hat elf Tore geschossen und acht Vorlagen geliefert. Sie ist unsere Schaltzentrale und hat sehr gute Führungsqualitäten entwickelt. Und sie hat uns mit einem Super-Freistoss in den Cupfinal geschossen. Sie hat übrigens auch verlängert. 

Die YB-Frauen sind ein junges Team mit vielen Schweizerinnen. Was macht sie sonst noch aus?

Der kollektive Zusammenhalt. Die YB-Werte Kollegialität, Solidarität und Loyalität leben die Frauen sehr stark. Wenn man einen Plan macht, halten sie sich daran. Sie halten zusammen, helfen einander, bügeln aus, wenn eine etwas verbockt. Sie funktionieren wie ein Schwarm. 

Die Frauen spielen die Meisterschaft im Playoff-Modus. Sportlich sei das ein Witz, haben Sie einmal gesagt. Dafür gibt es mehr Aufmerksamkeit. Wie beurteilen Sie diese Frage unter dem Strich?

Ich finde es schade. Eine Saison dauert lange und man zeigt eine konstante Leistung und dann kann doch das Team vom 8. Rang Meister werden. Durch die Rückspiele kann man zwar noch einiges ausbügeln. Aber die Tagesform spielt eine zu grosse Rolle, oder wenn eine Spielerin ausfällt. Ich finde, man müsste es auf anderen
Wegen schaffen, mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.

Sie trainieren die YB-Frauen seit zwei Saisons. Seither sei ein Professionalisierungsschub durch die Mannschaft gegangen. Ist Ihr Engagement eine Ursache oder eine Folge davon?

Ich denke, sowohl als auch. Dass man mich mit meiner Ausbildung und im Vollamt angestellt hat, zeigt, dass man investieren will. Wenn solche Entscheide breit getragen werden, ist es einfacher, Dinge zu fordern. Ich stiess mit vielem auf offene Ohren. 

Was haben Sie konkret erreicht?

Zum Beispiel, dass wir nun gemeinsam mit dem Bus zu den Spielen fahren und nicht mehr in kleinen Bullis. Oder auch, dass die Spielerinnen die Kabinensnacks nicht mehr selber finanzieren müssen. An anderem sind wir noch dran, etwa dass jede Spielerin einen Vertrag bekommt.

Seit dieser Saison spielen die Frauen im Wankdorf, letztes Jahr noch im Sportpark Wyler. Was ist besser und warum?

Dass wir im grossen Stadion spielen können, zeigt vor allem die Wertschätzung. Die Mädels finden es gut.

In Bolligen und Ostermundigen ist ein YB-Campus geplant mit einem kleinen Stadion, in dem unter anderem die Frauen spielen könnten. Wäre das eine Verbesserung oder eher wieder ein Downgrade?

Es würde auf jeden Fall den Platzmangel entschärfen. Was die Spiele angeht, gibt es beide Seiten. Ein grosses Stadion mit leeren Rängen bringt auch nicht so die Atmosphäre. Wichtige Spiele würden aber wohl weiterhin im Wankdorf stattfinden. Auch die Trainings der 1. Mannschaft blieben wohl hier. Insgesamt wäre es sportlich der nächste Schritt, vor allem für die Juniorinnen.

Glauben Sie daran, dass die Frauen damit gefördert werden sollen, oder ist das einfach ein gutes Argument, um kritischen Stimmen zu begegnen?

Die Platzverhältnisse in Bern sind gar nicht toll und ich verstehe nicht, wie man gegen eine Verbesserung sein kann. Wenn wir für das Projekt als Zugpferd dienen, ist das ok. Ich empfinde es nicht so, dass wir als Vorwand dienen. 

Als Sie Männer trainierten, gab es dumme Fragen zum Umgang in den Garderoben, als Frauen­trainerin müssen Sie auch wieder über das Thema Geschlecht reden. Wie sehr nervt das?

Das ist halt so, weil der Männerfussball eine hohe Messlatte setzt. Das ist da, wo man hinwill, also vergleicht man. In anderen Sportarten ist das weniger Thema, weil die Messlatte viel tiefer ist. Ich bin dankbar, in einem Sport zu sein, der diesen Stellenwert hat. Es ist also ok. 

In den letzten Jahren hat der Frauenfussball in der Schweiz vorwärts gemacht, sie spielen nicht mehr vor leeren Rängen.

Ja, es wurde viel getan von den Klubs. Aber ich sehe die Entwicklung auch skeptisch. Mit dem Geld kommen auch Leute, die dem Fussball nicht nur guttun, etwa Spielerinnenberater. Es wäre vielleicht auch möglich, sich zu entwickeln, ohne die Fehler der Männer zu wiederholen. Zum Beispiel finde ich es nicht nötig, 100 Prozent Fussballerin zu sein. Wenn die Strukturen und das Drumherum professionell sind, schadet es nicht, daneben noch etwas anderes zu arbeiten. Auch im Hinblick auf die Zukunft. Es gibt Fussballer, die finden nach dem Ende ihrer Karriere nur schlecht ihren Platz, weil sie nur diese eine Taste auf ihrem Klavier spielen können. Das Leben in der Bubble führt auch zu sozialen Leichen, die nicht mitkriegen, was auf der Welt passiert.

Sie gehören zur ersten Generation Ex-Profispielerinnen, die in den Vereinen Aufgaben über­nehmen, so wie auch die YB-Frauen-Managerin Sandra Betschart. Welche Rolle spielt diese Tatsache?

Also zuerst muss ich sagen, dass ich zwar vom Fussballspielen leben konnte, aber daneben habe ich studiert und einen Master gemacht. Als ich dann als Profi nach Spanien ging und den ganzen Tag nichts zu tun hatte als Däumchen zu drehen und aufs Training zu warten, fand ich das schrecklich und habe die Übung nach zwei Monaten abgebrochen. Aber zum Thema: Ich sehe das nicht nur positiv. Man dürfte die Fussballwelt ruhig etwas öffnen und mehr auf Qualität schauen, anstatt sich nur gegenseitig die Steigbügel zu halten. Quereinsteiger können auch neuen Schwung bringen.

Nach dem Cup-Final haben Sie über die Gegnerinnen vom FC Servette geschimpft und sich danach öffentlich entschuldigt. Gab es da einen internen Rüffel oder war das gar nicht nötig?

Es gab ein kollegiales Gespräch über die YB-Kultur. Aber ich hatte ja schon selber gemerkt, dass mir die Emotionen durchgegangen sind, und habe mich eine halbe Stunde später an der Medienkonferenz bereits entschuldigt. Es ist aber auch so, dass sich verschiedene Leute unterschiedlich ausdrücken. Wenn ich sage, eine Mannschaft spielt «widerlich», empfinden die Schweizer das als grob, dabei meine ich dasselbe, wie wenn Ihr sagen würdet, sie spiele «mühsam».

Sie gelten als Person, die das Herz auf der Zunge trägt und Klartext redet. Da habe es anfangs manchmal Über­setzungsarbeit gebraucht. Haben sich die Spielerinnen mittlerweile daran gewöhnt?

Ja, auf jeden Fall. Sie kennen und verstehen mich. Ich habe mich sicher ein wenig angepasst, aber allzu sehr wäre auch nicht gut, anders zu sein bringt auch einen gewissen Schwung.

Nächstes Jahr findet die Frauen-EM in der Schweiz statt. Was erhoffen Sie sich davon?

Es werden viele Leute zuschauen und feststellen, dass das Niveau stimmt. Das wird eventuell motivieren, auch mal ein Ligaspiel zu schauen. Und wenn die Mädchen ihre Idole live spielen sehen, wird das auch die eine oder andere ermutigen, selber zu spielen. Das kann also durchaus Schub geben und für vollere Stadien sorgen.


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