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Knorzmeister!

Eine für YB-Verhältnisse unruhige Saison mündet im Meistertitel. Dank europäischem Überwintern wird sie sogar als eine der erfolgreichsten in die Clubgeschichte eingehen. Trotzdem war während der Saison viel Kritik zu vernehmen. Hat sich in Bern Dekadenz eingeschlichen? Oder ist dieses YB gar nicht so gut, wie es die Resultate vermuten lassen?

| Fabian Christl | Sport
BSC YB.
Der grösste Erfolg der Saison: Die YB-Spieler feiern mit den Fans den Sieg gegen Roter Stern Belgrad und somit das europäische Überwintern. Foto: fac

Mit dem Sieg gegen Servette ist nun auch theoretisch klar, was bereits vor dem Spiel unumstösslich war: YB ist Schweizer Meister. Zum zweiten Mal in Serie, zum sechsten Mal innerhalb von sieben Jahren. 

Die Zahlen belegen es eindrücklich: YB ist der nationalen Konkurrenz enteilt. Der Club hat die kompetenteste Führung, die grössten finanziellen Möglichkeiten und das beste Kader aller Super-League-Vereine. Und der bisher harzigste Meistertitel der Neuzeit ist eher Beleg als Gegenargument für diese These. Denn bei YB lief es diese Spielzeit alles andere als rund – und trotzdem reichte es am Ende zum Titel.

Gewinnen, ohne zu glänzen

23. Juli 2023, Auftaktspiel gegen Aufsteiger Lausanne-Sport. YB gewinnt dank eines Penaltys von Cedric Itten in der 7. Minute der Nachspielzeit. Doch das Spiel hätte auf beide Seiten kippen können.

Das erste Spiel ist bezeichnend für den grössten Teil der Saison. Die Resultate stimmen: Aus den ersten sieben Partien resultieren fünf Siege und zwei Unentschieden. Zudem qualifiziert man sich im Spiel gegen Maccabi Haifa für die Champions-League-Gruppenphase, was gleichbedeutend mit Mehreinnahmen in der Höhe von 30-35 Millionen Franken ist. Nur: So richtig Freude kommt auf der Trinbüne trotzdem nicht auf. Die Wucht vergangener Jahre? Die Dominanz? Das Spektakel? Alles Fehlanzeige.

Es geht in ähnlichem Stil weiter. Die Resultate stimmen, die Leistungen sind durchzogen. In der Champions League werden YB von RB Leipzig und Manchester City die Grenzen aufgezeigt. Aber gegen Roter Stern Belgrad holt man ein Unentschieden und einen Sieg, was zum europäischen Überwintern reicht – und einen grossen Erfolg in der Geschichte des BSC YB darstellt.

Dennoch: Die Skepsis auf den Zuschauerrängen bleibt, verstärkt sich gar, als sich im Winter sieglose Partien häufen. Liegt es am Trainer Raphael Wicky? Lässt er zu viel rotieren? Hält er zu starr am 4-4-2 mit Raute fest? Hat er es nicht geschafft, Spieler besser zu machen?

Doch auch die sportliche Führung von YB wird erstmals seit dem Meistertitel von 2018 Zielscheibe von Kritik. Im Sommer liess man mit Christian Fassnacht, Fabian Rieder, Cédric Zesiger drei unbestrittene Stammspieler ziehen. Die Neuzugänge Silvère Ganvoula, Darian Males, Łukasz Łakomy und Ebrima Colley vermochten indes nicht restlos zu überzeugen. Und im Winter kommen noch die Abgänge von Torgarant Jean-Pierre Nsame und dem bis dato besten Aussenverteidiger der Liga, Ulisses Garcia, dazu, die mit den vielversprechenden, aber unerfahrenden Joel Mvuka, Anel Husic und Jaouen Hadjam ersetzt werden.

Klar ist: Die sportliche Führung hat einen immensen Qualitätsverlust in Kauf genommen. Und das, obwohl es dank hohen Transfereinnahmen und Champions-League-Geldern an finanziellen Mitteln nicht mangelt. Es sei die Philosophie von YB, verdiente Spieler mit jungen Talenten zu ersetzen, die der Verein weiterentwickeln wolle, hiess es jeweils. Ein probates Mittel, wenn 2-3 Spieler pro Saison den Verein verlassen. Aber was, wenn es deren fünf sind? Wird die Philosophie nicht zur Ideologie, wenn man sich nicht den Gegebenheiten anpasst?

Personell zielt die Kritik vor allem auf Sportchef Steve von Bergen. Zwar ist allen bewusst, dass nach wie vor das Wort von Christoph Spycher, dem VR-Delegierten Sport, am meisten Gewicht hat, wenn es um Transfers geht. Aber von Bergen, der die Praktikanten-Aura nie ganz ablegen konnte, scheint die einfachere Zielscheibe zu sein als Spycher, der in Bern Heldenstatus geniesst.

Schleicht sich Dekadenz ein?

Aus einer gewissen Distanz betrachtet, wirkt die lauter werdende Kritik deplatziert. YB überwintert nicht nur europäisch, sondern ist auch in der Liga klar auf Meisterkurs. Nach 22 gespielten Runden liegt man mit sechs Punkten Vorsprung auf Platz 1.

Bereits macht die Rede von eingeschlichener Dekadenz die Runde. Unzufriedenheit trotz guter Resultate: Die Erwartungshaltung des Berner Publikums scheint ins Unermessliche gestiegen zu sein, heisst es etwa. Es werden Vergleiche mit dem FC Basel angestellt, der den letzten Meistertrainer Urs Fischer trotz guter Resultate entliess, einfach, weil sein Fussball als nicht so attraktiv galt. Mit der Entlassung Fischers, so sagen manche, sei das Ende der Basler Dominanz eingeläutet worden.

Allerdings: Die Berner Unzufriedenheit hat nicht nur mit fehlendem Spektakel zu tun. Dass die Leistungen schlechter als die Ergebnisse sind, zeigt sich etwa anhand der Statistik betreffend der zu erwartenden Punkte (XP). Schon Anfang 2024 – also noch vor der Schwächephase Mitte Februar/Anfang März – liegt YB in der XP-Tabelle nur auf Rang vier. Und dass nicht nur spektakelgierige Fans nörgeln, sondern auch die sportliche Führung mit dem Gezeigten nicht restlos zufrieden ist, manifestiert sich in der ausbleibenden Vertragsverlängerung mit Trainer Raphael Wicky.

Schwächelnde Konkurrenz

Dass YB im späten Winter noch auf Meisterkurs ist, hat denn auch mit der schwächelnden Konkurrenz zu tun. Der FC Basel, manche sagen, das Team mit dem theoretisch zweitbesten Kader der Liga, aber sicher der Club mit dem zweitgrössten Potenzial, erlebt eine rabenschwarze Saison und befindet sich zwischenzeitlich gar auf dem letzten Tabellenplatz. Und auch Servette und Lugano, die anderen beiden Teams, denen Aussenseiterchancen auf den Titel eingeräumt wurden, ziehen längere Schwächephasen ein. Überraschenderweise vermochte zunächst der FC Zürich mitzuhalten, bis nach 15 gespielten Runden das dünne Kader und eine überambitionierte Vereinsführung den damals bereits lange zuvor herbeigeredeten Leistungseinbruch Tatsache werden liessen.

Mitte Februar zeigt sich endgültig, was die Stänkerer schon lange ahnten: Die Resultate beginnen den Leistungen zu entsprechen. YB scheidet gegen Sporting Lissabon aus der Europa League aus, lässt sich vom unterklassigen FC Sion im Cup-Viertelfinal besiegen und verliert in der heimischen Liga in Folge gegen Servette und Zürich – und verspielt damit den erabeiteten Punktevorsprung. YB habe seine DNA verloren, urteilt die sportliche Führung.

Zur Schwächephase beigetragen hat, dass mit Loris Benito und Filip Ugrinic zwei der besten Spieler der Mannschaft verletzt sind, und dass unter anderem Ali Camara und Meschack Elia wegen des Africa Cups überspielt wirken. Doch weil sich am Kader so schnell nichts ändern lässt, erhofft sich die YB-Führung von einem Trainerwechsel die nötigen Impulse.

Neuer Trainer, neues Glück

Trainer Raphael Wicky muss also den Verein verlassen, U21-Coach Joël Magnin übernimmt interimistisch. Und sein Einstand könnte besser nicht sein: YB gewinnt mit 6:1 gegen den FC Basel. Allerdings, ein Befreiungsschlag ist es nicht. Bereits das nächste Spiel geht wieder verloren.

Aber YB fängt sich. Die Resultate werden besser und auch die Leistungen auf dem Platz stimmen optimistisch. Selbst bei der Heimniederlage gegen den FC Lugano vor gut einer Woche war das Gezeigte besser als bei so manchem Sieg in der Saison. Auch weil Servette und Lugano in der letzten Saisonphase Konstanz vermissen lassen, wächst der Vorsprung wieder an.

Bis YB den Meistertitel am Pfingstmontag, dem zweitletzten Spieltag, nicht mehr nur praktisch, sondern auch theoretisch nicht mehr zu nehmen ist. Und all die Zweifel vom Freudentaumel über den 17. Meistertitel der Vereinsgeschichte weggeblasen werden. 

Übrigens: Der 18. Meistertitel kann bereits in einem Jahr gefeiert werden. Und dann wird der Text mit "Spektakelmeister" betitelt sein. Versprochen. 

Die Hoffnungsträger im YB-Kader

Welche Spieler haben geglänzt? Welche enttäuscht? Und welche machen Hoffnung für die nächste Spielzeit? Eine Einschätzung. 

Die Überflieger

In seiner zweiten Saison beim BSC YB avancierte Filip Ugrinic zur überragenden Figur. Die Super-League-Spieler kürten den Mittelfeldakteur zum besten Spieler der Liga. Zu Recht!

Hand aufs Herz: Wer hätte Anfang Saison gedacht, dass Loris Benito in der Innenverteidigung eine solche Verstärkung ist? War er aber. Bis zu seiner schweren Verletzung im Februar.

25. Oktober 2023: Meschack Elia trifft per Lupfer zum vorübergehenden 1:1 gegen Manchester City. Es war der Moment, als klar schien, dass der schnelle Stürmer nicht über die Saison hinaus zu halten sein wird. Gegen tief stehende Gegner bekundet er zwar mehr Mühe, doch an guten Tagen ist er die grösste Attraktion der Liga. Noch?

Die Enttäuschungen

Zugegeben, mehrere Spieler entsprachen den Erwartungen vollends. Trotzdem schaffen es nur zwei in diese Liste. Nicht, weil sie schlechter als ihre Teamkollegen spielten, sondern weil bei ihnen die Distanz zu ihren Möglichkeiten am grössten war.

Das ist zum einen Darian Males Er stiess im Sommer als Topscorer (28 Punkte) des FC Basel zu YB – doch vermochte die hohen Erwartungen nicht zu erfüllen. Die Ausbeute betrug in dieser Saison nur sechs Scorerpunkte. 

YB-Routinier Sandro Lauper blieb die ganze Saison unverletzt – das ist die gute Nachricht. Spielerisch lief es dem zentralen Mittelfeldspieler aber nicht wunschgemäss. Er hatte viele solide und mehrere schwache Spiele. Nur die richtig guten waren äusserst rar.

Die Hoffnungsträger

Am Anfang gelang Silvère Ganvoula überhaupt nichts. Am Ende schoss er gefühlt in jedem Spiel ein Tor – einmal sogar spektakulär per Fallrückzieher. Wenn die Leistungskurve so weiterverläuft, wird der Stossstürmer den YB-Fans noch  viel Freude bereiten.

Er verpasste wegen einer Aussenband-Verletzung praktisch die ganze Saison. Doch nun ist Kastriot Imeri wieder einsatzfähig. Findet der Edeltechniker zur Bestform, wird er das Team deutlich verstärken.

Mit seinen unkonventionellen Dribblings hat Aussenverteidiger Jaouen Hadjam dem Publikum bereits viel Freude bereitet. Wenn er defensiv solider wird, könnte er zu einem wichtigen Baustein im Team avancieren.

Łukasz Łakomy kam zu wenig Spielzeit, obwohl der hervorragende Techniker auch im physischen Bereich Fortschritte erzielte. Mehr Einsatzzeit wäre ihm und uns zu gönnen.    (fac)


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