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«Ich bin sehr harmoniebedürftig»

Stefan Hofmänner kommentiert im Schweizer Fernsehen Schwingen, Kunstturnen und Ski Alpin der Männer. Im Interview kurz vor den Weltcuprennen im Berner Oberland, gewährt er Einblick in seinen Job und verrät, wie viele Schweizer Skifans die Rennen lieber bei der österreichischen Konkurrenz schauen. Viele sind es nicht.

| Anina Bundi | Sport
Stefan Hofmänner wohnt in Bolligen mit Blick auf die Stockhornkette. Foto: Nik Egger
Stefan Hofmänner wohnt in Bolligen mit Blick auf die Stockhornkette. Foto: Nik Egger

Stefan Hofmänner, in der Woche vor unserem Gespräch haben Sie in drei Tagen drei Rennen kommentiert. Wie streng ist das?
Am Samstagabend war ich richtig müde. Man muss während dem Rennen ganz viele Quellen filtern und bündeln und daraus schnell etwas Schlaues formulieren. Dazu kam, dass es das erste Mal war mit Beat Feuz als Co-Kommentator und Experte.

Wie war das mit ihm? Haben Sie gut harmoniert?
Super, ja. Wir haben noch etwas zu viel geredet, das ist Anfang Saison gern so, wenn man alle die neuen Infos loswerden will. Aber er hat es super gemacht. Er hat die absolut göttliche Fähigkeit, sich null zu verändern, wenn das Mikrofon läuft. Er ist immer 100 Prozent sich selber.

Welche Disziplinen kommentieren Sie am liebsten?
Da habe ich keine Präferenz. Aber zum Beispiel die Rennen im Berner Oberland sind emotional sehr schön, da bin ich schon näher dran. Ich bin ja ein Märchenonkel, der Geschichten liebt, und in Adelboden und Wengen gibt es viele Geschichten zu erzählen.

Kommentieren Sie die Rennen unterschiedlich? Worauf muss man achten?
Wichtig ist, nicht zu hohe Erwartungen zu haben an die Schweizer. Sonst ist man enttäuscht, wenn es ihnen nicht gut läuft, und das hören die Leute. Besser ist, wenn man eher neutral einsteigt und sich dann freuen kann, wenn sie gut fahren.

Können Sie sehen, wie gut einer fährt? Oder anders gefragt, könnten Sie auch ohne Zwischen­zeiten kommentieren?
Ganz ohne Zeiten ist es schwer, auch wenn ich recht viel sehe. Bei den Experten und Expertinnen denke ich manchmal, die wüssten fast mehr zu erzählen und könnten präziser analysieren, wenn sie etwa nicht immer auf diese neue Zeitlinie rechts am Bildschirm schauen müssten und sich auf die Fahrer konzentrieren würden.

Sie kommentieren in der Kabine ab TV-Bildern und haben auch schon aus der Ferne kommentiert. Wie gut geht das?
Rein technisch wäre es manchmal fast gäbiger im Studio. Es ist warm, man hat Platz und schön grosse Bildschirme. Aber das ist nicht, was zählt. Das Gefühl ist nicht gut. Man muss als Reporter erzählen, was vor Ort passiert, ohne dass man wirklich dort ist. Mir fehlt auch die Streckenbesichtigung. Ich will sehen und spüren, wie die Strecke ist. Das hat auch mit Respekt vor den Athleten zu tun. Man kann leicht kritisieren, wenn einer eine Kurve nicht schafft. Wenn man das Eis dort selber gespürt hat, ist man zurückhaltender.

Tauscht man sich unter Medienleuten aus oder sucht man den Primeur?
Der Primeur ist für mich unwesentlich. Ich bin extrem offen. Für den Austausch habe ich eine Whatsapp-Gruppe mit allen internationalen Kommentatorinnen und Kommentatoren gegründet. Da habe ich von Anfang an alles reingeschaufelt, was ich erfahren habe, und die anderen haben mitgezogen. Da erfahren alle alles.

Durchschnittlich verfolgen gegen 400 000 Personen die Weltcuprennen, bei der Lauberhorn­abfahrt oder der Ski-WM sind es über eine Million. Was sind das für Leute?
Es gibt die Hardcore-Fans, die jedes Rennen schauen. Die findet man in der ganzen Schweiz, aber häufiger in den bergigen und ländlichen Regionen. Beim Lauberhornrennen dagegen, da schaut praktisch die ganze Bevölkerung mit. Die dortige Abfahrt ist Kulturgut und spiegelt die schweizerische DNA wie sonst kaum ein Sportanlass.

Haben Sie schon einmal versucht, eine Rennstrecke schnell abzufahren?
Eine Abfahrt mit normalen Skis, das ist wahnsinnig schnell und viel zu gefährlich, um es ziehen zu lassen. In Lake Louis ist der Einstieg extrem steil. Den umfahren wir bei der Besichtigung normalerweise. Einmal ging das nicht, weil daneben kein Schnee lag, und wir hatten die Vorschrift, dass wir fahren müssen und nicht seitwärts rutschen dürfen, weil wir sonst das letzte bisschen Schnee weggekratzt hätten. Ich bin kein schlechter Skifahrer, aber da war mir nicht wohl.

Bei meiner Mini-Umfrage kam über Sie nur Positives zusammen: Der Hofmänner ist angenehm, er weiss viel, muss sich aber nicht profilieren, lässt den Experten Raum, zeigt Emotionen, aber nicht zu viele, er ist lustig …Gibt es auch Kritik?
Es gibt Leute, die finden mich zu emotional. Aber grundsätzlich sehen mich viele positiv. Sonst würde ich aufhören. Ich bin sehr harmoniebedürftig und will mich dem Publikum nicht gegen seinen Willen aufdrängen. Manchmal überlege ich mir, dass es eine wunderbare Quote wäre, wenn ich beim Lauberhorn 90 Prozent der Menschen zufriedenstelle. Das würde aber auch heissen, dass 100 000 Leute nicht zufrieden sind, und das belastet mich. Ich möchte, dass alle glücklich und zufrieden sind, wenn sie den TV abschalten, weiss aber gleichzeitig, dass das nicht möglich ist.

Weiss man, wie viele Leute in der Schweiz die Skirennen beim Österreichischen Fernsehen schauen?
Ja. Praktisch niemand, auch wenn man es oft hört. Aber für die, die es tun, ist es super, haben sie diese Möglichkeit und können den Sport dort geniessen, wenn sie mit uns nicht zufrieden sind.

Welchen Sport schauen Sie selber im TV? Sind Sie ein kritischer Zuschauer?
Ich schaue jedes Skirennen und manchmal die Schwingfeste, die ich nicht selber kommentiere, wobei ich da am liebsten mit meiner Freundin vor Ort schauen gehe. Und ja, ich bin ein kritischer Zuschauer, ganz furchtbar, aber das dürfen Sie nicht schreiben. Ich kommentiere im Geist mit und habe dann immer eine Idee, was man auch noch hätte sagen können.

Es gibt die Volksinitiative «200 Franken sind genug» aus SVP-Kreisen, die der SRG Geld kürzen will. Offenbar geniesst sie im Volk Sympathien. Sind 200 Franken genug?
Die SRG ist ja ein Verein und gehört allen. Deshalb kann das Schweizer Volk damit machen, was es für richtig hält. Allerdings erlebe ich in meinem Berufsalltag jetzt schon, dass wir immer wieder sparen und klug planen müssen, damit das Geld reicht. Für mich ist klar, dass man beim Programm ­radikal abspecken müsste, was ich sehr schade fände. Ich persönlich ­finde das Schweizer Fernsehen gut und stehe voll hinter dem, was wir machen, sonst würde ich auch nicht da arbeiten.

Sie kommentieren Skifahren und Schwingen. Beides ist in der Schweiz wichtig. Fühlen Sie sich persönlich an einem sicheren Platz?
Überhaupt nicht. Je nach Szenario müssten auch etablierte und beliebte Sendungen hinterfragt und allenfalls gestrichen werden. Ich habe mir auf ­jeden Fall schon überlegt, wie es wäre, meine berufliche Laufbahn dort zu ­beenden, wo ich sie angefangen habe, im Schulzimmer als Lehrer. Was ja, ­abgesehen von meinem Herz für SRG und SRF, auch eine schöne Aufgabe wäre


Es gibt immer weniger Schnee. Geblieben sind etwa die Bilder von Adelboden Anfang 2023, wo das Rennen auf einem weissen Band vor einem schneefreien Hintergrund stattfand. Hat der Skisport noch eine Zukunft?
Ich hoffe, es gibt ihn weiter. Aber er hat ein fundamentales Problem mit dem Klimawandel und muss sich anpassen, auch wenn ich noch nicht weiss, wie. Es heisst zum Beispiel, man müsse die Rennen weiter in die Höhe verschieben. Aber mit dem Klimawandel gibt es auch mehr Wind und weiter oben ist man dem noch mehr ausgesetzt. Für mein persönliches Leben und das meiner Tochter macht mir der Klimawandel sowieso Angst.

Sie leben in Bolligen. Sind Sie da gut integriert?
Ich habe sehr coole Nachbarn und meine Tochter wohnt ganz in der Nähe. Aber ich bin in keinem Verein und habe sowieso einen eher kleinen Freundeskreis, seit ich beim Fernsehen arbeite. Die Arbeitszeiten sind halt schon sehr unregelmässig.

Besuchen Sie die Gemeinde­versammlungen?
Leider nicht und dafür schäme ich mich. Ich habe in meinem Leben noch keine kantonale oder nationale Abstimmung ausgelassen. Aber bei der Gemeindepolitik nehme ich es mir immer wieder vor, und wenn ich dann aber mal einen freien Abend habe, bleibe ich doch lieber zu Hause oder verbringe ihn mit meinen Liebsten.

Haben Sie ausser dem Sport noch andere Hobbys?
Seit drei Monaten spiele ich Örgeli, «Langnauerli». Ich habe vorher nie ein Instrument gespielt und sah das als Defizit in meiner Biografie. Dann sah ich am Festival Buskers Thomas Aeschbacher spielen und schrieb ihm ein Mail, ob man das in meinem Alter noch lernen könne. Er fand, wenn ich mich reinhänge, geht das. Ich bringe es mir selber bei, mit zusätzlichen Video­lektionen von Aeschbacher. Es tut so gut.


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