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Hochrisikoberuf Buschauffeur

Fast alle Busfahrerinnen und Busfahrer klagen schweizweit über gesundheitliche Probleme. Bernmobil versucht mit mehreren Massnahmen,
die Situation zu verbessern. Trotzdem spitzt sich der Fachkräftemangel langsam zu.

| Fabian Christl | Wirtschaft
Fast alle Busfahrerinnen und Busfahrer klagen schweizweit über gesundheitliche Probleme. Foto: Wikipedia
Fast alle Busfahrerinnen und Busfahrer klagen schweizweit über gesundheitliche Probleme. Foto: Wikipedia

Die Befunde sind krass: 96 Prozent der Busfahrerinnen und Busfahrer geben an, gesundheitliche Probleme zu haben. Erwartbare haltungsbedingte Schmerzen wie Rückenweh und Schulter- und Nackenprobleme machen dabei nur einen Teil aus: Knapp 50 Prozent klagen auch über abnormale Müdigkeit, Schlafstörungen oder Stress. Jeder Dritte klagt zudem über Reizbarkeit, jeder Vierte über Essstörungen.

Die Zahlen stammen aus einer Befragung, welche die Gewerkschaften SEV, Syndicom und VPOD zusammen mit Unisanté, dem Universitätszentrum für Allgemeine Innere Medizin und Öffentliche Gesundheit in Lausanne, durchgeführt und letzte Woche als Broschüre veröffentlicht haben. «Angesichts des hohen Prozentsatzes einiger recht spezifischer Gesundheitsprobleme kann man davon ausgehen, dass diese Probleme mit dem Arbeitsumfeld zusammenhängen», heisst es seitens des Unisanté dazu.

Und: Es wird immer schlimmer. So handelt es sich bei der veröffentlichten Umfrage bereits um die dritte mit gleichem Setting. Gegenüber den Befragungen von 2010 und 2018 verschlechterten sich die Werte bei fast allen gesundheitlichen Problemen um mehrere Prozentpunkte.

Das kontinuierliche Sitzen sei nur einer der Gründe für die Gesundheitsprobleme, so die Gewerkschaften. Busfahrerinnen und Busfahrer seien verschiedenen organisatorischen Risiken ausgesetzt, zum Beispiel langen und unregelmässigen Arbeitszeiten, Arbeit während der Hauptverkehrszeiten, an Wochenenden und in der Nacht, Überstunden und unterbrochenen Schichten. Hinzu kommt zusätzlicher Stress auf der Strasse, verursacht durch aggressives Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmenden sowie von Kundinnen und Kunden.

«Kein Wunder, werden immer mehr Fahrerinnen und Fahrer krankgeschrieben oder verlassen die Betriebe», kommentiert die Gewerkschaft SEV. Bereits hätten zahlreiche Transportunternehmen wegen hoher Absenzen den Fahrplan ausdünnen müssen. 

Unangenehme Fahrgäste

Spezifische Zahlen für Bern liegen nicht vor. Bei Bernmobil, dem Unternehmen, das in Stadt und Region Bern zahlreiche Bus- und Tramlinien betreibt, kam es indes noch nicht zu einer Ausdünnung des Fahrplans, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilt. Auch werde der Gesundheitszustand der Fahrdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter derzeit als gut eingeschätzt. Man wolle aber die Belastungen der Tätigkeit im Fahrdienst «nicht herunterspielen», führt Bernmobil aus. Der Fahrdienst bringe etwa spezifische Belastungen «wie Schichtarbeit, dichten Verkehr, unangenehme Fahrgäste etc.» mit sich. So betrug die ­gesundheitsbedingte Abwesenheitsquote 2023 beim Bernmobil-Fahrdienst 7,5 Prozent. Über alle Branchen hinweg üblich ist in der Schweiz eine Abwesenheitsquote von rund 3 Prozent. Schweizweite Zahlen für 2023 liegen allerdings noch nicht vor.

Laut Gewerkschaften mit ein Problem an den Arbeitsbedingungen: Lange Dienstschichten, die durch Pausen unterbrochen werden. Auch bei Bernmobil dauern rund 10 Prozent der Schichten bis zu 13 Stunden (bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden). Eine Verkürzung der Dienstschichten würde das Unternehmen begrüssen, wie es ausführt. Man habe auch bereits entsprechende Anstrengungen unternommen; mit den ausgeprägten Hauptverkehrszeiten könne dies aber leider nicht oder nur begrenzt umgesetzt werden.

Dafür verweist Bernmobil auf zahlreiche Massnahmen, die es zwecks Gesundheitsförderung umgesetzt habe. Die Rede ist etwa von Ergonomiebe­ratungen, Gesundheitschecks, einem umfangreichen Kursangebot, der Förderung von Teilzeitarbeit sowie einem neuen Arbeitszeitsystem, das 2021 eingeführt wurde. 

«Uns gehen die Busfahrer aus»

Wie die Gewerkschaften schreiben, sind Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht zuletzt nötig, weil ein Mangel an Fahrerinnen und Fahrern drohe. Spätestens wenn die Babyboomer in Pension gingen, werde der Mangel akut. Dem widerspricht auch Bernmobil nicht. Ein Mangel sei aufgrund der demografischen Entwicklung und auch «der Altersstruktur unserer Mitarbeitenden» absehbar, so das Unternehmen.

Bereits sei es schwierig, genügend Nachwuchs zu finden. Dabei verdienen Bernmobil-Chauffeure in der Stadt Bern im Vergleich zu Berufskollegen an anderen Orten nicht schlecht. Die Lohnspanne geht von 4679 Franken bis zu 6553 Franken pro Monat (100 Prozent, brutto), dazu kommen Zulagen von 300 bis 500 Franken. Damit liegt der Einstiegslohn für Stadtberner Busfahrer um rund 500 Franken höher als etwa in Münsingen. 


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