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«Das Leben ist keine Dauerparty»

Gegen ein Date mit Susan Sontag oder Hannah Arendt hätte die Philosophin und Moderatorin Barbara Bleisch nichts einzuwenden. Dies, obwohl sie den Sinn des Lebens bereits kennt. Ebenso den schönsten Ort auf Erden. Doch beides behält sie für sich. 

| Anzeiger Region Bern | Gesellschaft
Barbara Bleisch. Foto: zvg / Mirjam Kluka
Barbara Bleisch. Foto: zvg / Mirjam Kluka

Über was für Eigenschaften muss ein Mensch verfügen, damit Sie mit ihm eng befreundet sein wollen?

Eine notwendige Bedingung ist sicher Selbstironie. Wer sich selbst allzu ernst nimmt, ist mir nicht geheuer. Hinreichend ist die Bedingung allerdings nicht. Ob ich mit jemandem befreundet sein will oder nicht, ist von so vielem abhängig, das lässt sich nicht erklären anhand der Eigenschaften einer Person. Ansonsten wäre die Person ja ersetzbar: Es müsste nur jemand aufkreuzen mit denselben Eigenschaften, und schon würde ich sie zur Freundin haben wollen. Freundschaft ist für mich viel mehr gelebte Geschichte, und sie zehrt vom Vertrauen, das diese Geschichte stiftet. 

Auf was sind Sie besonders stolz?

Ich denke, ich bin meistens freundlich zu anderen Menschen, und halte das für eine gute Eigenschaft. Wobei ich darauf eigentlich gar nicht stolz bin. Meine Freundlichkeit ist nämlich auch das Resultat davon, dass ich mich meist freundlich behandelt sehe. Wenn andere unfreundlich sind, kann ich auch garstig werden. 

In welchem Punkt möchten Sie sich selbst gerne optimieren?

Ich wäre gerne eine Frühaufsteherin. Wenn ich mal früh aufstehe, schätze ich die Ruhe am Morgen und das ­wunderbare Licht.

Warum tun Sie es nicht?

Weil es so schön warm ist im Bett.

In welchen Situationen ist Ihnen so richtig wohl?

Nach einer langen Wanderung in der Sonne die Wanderschuhe öffnen, die Wollsocken abstreifen und die Füsse in einem Bergsee kühlen. Wenn’s dann noch ein Butterbrot gibt, bin ich selig. 

Wie sieht Ihr perfektes Wochenende aus?

Keine Hetze, keine Termine, viel frische Luft, wenig Lärm. Wenn möglich Wanderschuhe, Bergsee, Butterbrot (siehe oben). Aber auch Essen mit Freundinnen und Freunden, Lesen, bis mir die Augen zufallen, oder an ein Konzert oder ins Museum gehen, sind wunderbare Wochenendprogramme.

In welchem Alter fühlten Sie sich am meisten zuhause? Oder denken Sie, dieses Alter kommt erst noch?

Ich habe nie verstanden, wie man sich jünger oder älter fühlen kann, als man ist. Das würde ja bedeuten, dass ein gewisses Alter mit einem verallgemeinerbaren Lebensgefühl einherginge. Das überzeugt mich nicht. Ich fühle mich also so alt wie ich bin. 50. Schön eingemittet. Natürlich fände ich schön, noch mehr Leben vor mir zu haben. Aber die Erfahrungen, die mich zu der machen, die ich heute bin, möchte ich nicht ­missen.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben, wenn Sie in die Vergangenheit reisen könnten?

Keinen. Ich habe meine Erfahrungen gemacht, und das ist gut so. Einiges tat furchtbar weh. Aber jede Erfahrung hat mich geformt. Man kann Erfahrungen nicht überspringen. Vor einigem sähe ich mich zwar gerne bewahrt, aber das sind lauter Dinge, die nicht in meiner Hand lagen.

Welcher Leitspruch nervt Sie am meisten?

Denk positiv! Man muss sich der Trauer stellen lernen. Das Leben ist keine Dauerparty. Menschlich zu sein heisst auch zu zweifeln, zu hadern, zu trauern.

Reden Sie mit Tieren? Auch wenn ein anderer Mensch zuhört?

Ja, klar. Allerdings in einem anderen Dialekt. Das ist mir peinlicher, als dass ich mit Tieren spreche. Aber ich kann nicht anders: Mit Babys und Tieren spreche ich den Dialekt, den ich als Kind erlernt habe, und das ist ein anderer, als der, den die meisten mit mir ­assoziieren. 

Was tun Sie als letztes, bevor Sie ins Bett gehen?

Lesen und Hände eincremen. Nicht umgekehrt, Fettflecken in Büchern mag ich nicht. 

Was mögen Sie an Bern?

Das Blau der Aare. Ich war übrigens noch nie schwimmen in der Aare in Bern. Wohl aber in der Aare zwischen Aarau und Olten, wo ich aufgewachsen bin.  

Welches ist Ihr Lieblingsort auf der Welt?

Den verrate ich ganz sicher nicht! Ich mag stille, menschenleere Orte, die ­lassen sich also schlecht teilen.

Wenn Sie die Gelegenheit hätten, auf den Mond zu fliegen – ­würden Sie es tun?

Geht das CO2-neutral? Und käme ich ganz sicher zurück? Dann ja. Astronautinnen und Astronauten sagen, der Blick auf unseren blauen Planeten verändere das Leben für immer.

Welche berühmte (lebende oder tote) Person würden Sie gern persönlich treffen?

Da hätte ich eine ganze Liste! Zum Beispiel den Philosophen Spinoza, der im 17. Jahrhundert in Amsterdam lebte und selbst dann an seinen bahnbrechenden Ideen festhielt, als er von seiner Gemeinde ausgeschlossen und von seiner Familie gemieden wurde. Ich hätte aber auch nichts gegen ein Date mit Susan Sontag oder Hannah Arendt.

Wer war Ihre erste Liebe? ­Erzählen Sie!

Ivo. Im Kindergarten. Wir waren neu im Dorf, und ich fand keinen Anschluss. Ausser bei Ivo und seinen Freunden, die mich grosszügig mitspielen liessen.

Erzählen Sie uns einen Witz.

Witze muss man erzählen, man kann sie nicht wirklich aufschreiben.

Wofür würden Sie viel Geld ausgeben, wenn Sie es hätten?

Für ein Jahr Auszeit.

Welcher Teil Ihres Haushaltes ist am wenigsten in Ordnung?

Die Schubladen in der Küche. Hat jemand einen Hinweis für mich, wie man das Chaos aus Kellen, Schabern, Schöpflöffeln beheben kann? Oder die ungleich grossen Plasticbehälter stapeln? 

Was soll das Ganze?

In der Schlussszene von Monty Pythons Film «Meaning of Life» wird der Sinn des Lebens enthüllt: «Seien Sie nett zu Ihren Nachbarn, vermeiden Sie fettes Essen, lesen Sie ein paar gute Bücher, machen Sie Spaziergänge und versuchen Sie, in Frieden und Harmonie mit Menschen jeden Glaubens und jeder Nation zu leben.» Nicht schlecht, oder? Ansonsten hätte ich noch ein paar philosophische Hinweise zu geben, aber das sprengt den Rahmen hier.

 

Barbara Bleisch trifft Thomas Meyer 

 

Am Dienstag interviewt Barbara Bleisch den Schriftsteller Thomas Meyer live vor Publikum in der Berner Dampfzentrale. Meyer gelang der Durchbruch mit dem Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse». In seinem jüngsten Buch «Trennt euch!» fordert er Menschen auf, Beziehungen zu beenden, die ihnen nicht guttun. Wieso, fragt Barbara Bleisch, macht sich jemand den Herzschmerz der anderen zum Geschäftsmodell und arbeitet als Trennungscoach? Und ist sich zu trennen wirklich immer besser, als zu bleiben? Immerhin sind Loyalität, Stabilität und Sicherheit auch wichtige Werte. (arb/pd)

 

Barbara Bleisch trifft

Di, 14. Mai, 20.00 Uhr

www.dampfzentrale.ch


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