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Hundert Rosen und ein grosser Hofstaat sind ihr Fitnessprogramm

Im Garten von Johanna Kurzen blühen unzählige verschiedene Blumen. Jede wird beachtet, und immer findet die Hobbygärtnerin, ihr Paradies sei genau jetzt am schönsten.

| Anina Bundi | Gesellschaft
Johanna Kurzen im oberen Teil ihres Gartens. Fotos: Nik Egger
Johanna Kurzen im oberen Teil ihres Gartens. Fotos: Nik Egger

«Der Garten ist mein Fitnessprogramm», sagt Johanna Kurzen, als sie die Treppe zur unteren der beiden Etagen ihres Hausgartens in Boll hinabsteigt: Treppe runter, Treppe hoch, Kniebeugen beim Jäten und Gewichtheben beim Kompostieren. Rund zwei Stunden pro Tag investiert die 85-Jährige in ihren Garten. Auch die emotionale Fitness gewinnt dabei: «Wenn ich ein Down habe, muss ich in den Garten, dann geht es mir besser.» Johanna, die hier beim Vornamen genannt werden möchte, ist dazu noch eingebettet in ein Netzwerk von Gartenfreundinnen und -freunden. «Das tut wahnsinnig gut», sagt sie dazu. Man besucht einander, auch über weite Distanzen, und tauscht Pflanzenableger und Komplimente. «Unter Gartenfreundinnen weiss man immer, was reden.» Dass jeder Garten seinen Charakter hat, ist klar. Zwischen fein gepützelt und naturnah können Welten liegen. Aber schön ist jeder, solange Liebe drinsteckt. Unter Gartenliebenden sei das Konsens. «Jeder hat seine Vorlieben, und das wird respektiert.» Sie persönlich habe sich auf Gartenreisen nach England inspirieren lassen.

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Zwei Stunden Fitness pro Tag

Ihren Garten pflegt Johanna praktisch alleine. Einmal im Jahr kommt ein Gärtner und schneidet die beiden Halbstamm-Apfelbäume und die grösseren Sträucher. Ihr Mann helfe mit dem Kompost und auch sonst bei Gelegenheit. «Der Garten ist nicht sein Hobby. Aber er freut sich, wenn Gäste kommen, und führt sie gern durch den Garten.»

Obwohl schon ihre Eltern und Grossmutter leidenschaftlich gegärtnert hatten, entdeckte Johanna es erst spät für sich. Kurz vor ihrer Pensionierung lernte sie in den Ferien in Ägypten eine Bernerin kennen, die ihr von ihren Rosen vorschwärmte. Zurück in der Schweiz besuchte Johanna sie in ihrem Garten. «Und da hat es mir den Ärmel reingenommen», erzählt sie. Schon davor hatte sie sich um den Garten gekümmert: Gemüse gepflanzt, den damals noch grösseren Rasen gepflegt, auf dem erst die Kinder und dann die Grosskinder spielten; es war aber mehr Pflicht als Lust. Als die Enkelkinder den Sandkasten nicht mehr brauchten, wurde er aufgehoben. «Ich habe zu meinen Kindern gesagt: ‹Ab jetzt gehört der Garten mir.› Das war vor über dreissig Jahren.»

Heute ist der Garten ein Paradies. Über 100 Rosensorten findet man hier, dazu unzählige ein- und mehrjährige Blumen, gepflanzt und erronnen, in allen möglichen Farben. Nur Gemüse und Beeren sind nicht mehr viele da – die Nutzpflanzen müssen nach und nach weiteren Blumen weichen, weil diese ein bisschen weniger zu tun geben. Eine Lieblingsblume habe sie nicht, sagt Johanna. Sie sage immer wieder «so schön wie jetzt ist der Garten nie». Etwa wenn, wie bei unserem Besuch, der hochgiftige Fingerhut in die Höhe ragt, wenn die Mohnblumen ihre farbigen Tupfen in den Garten malen, oder wenn die eine oder andere Rose aufblüht und mit ihrem «Hofstaat», wie Johanna die Nachbarinnen der Rosen nennt, besonders schön harmoniert. 

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«Ich kann auch loslassen»

Obwohl sie Mitglied der «Schweizer Rosenfeunde» ist, liebt sie nicht in erster Linie die prächtigen und besonderen Blumen, sondern die Vielfalt. Da werden die Spanischen Gänseblümchen genauso gefeiert wie das wildwachsende Mädesüss oder die zartblauen Jungfern im Grünen. «Bei mir gab es schon Biodiversität, als noch niemand wusste, was das ist.» Dass im Garten nicht gespritzt wird, erwähnt sie nur nebenbei – dabei gelten Rosen, speziell die historischen, als besonders anfällig auf Pilzkrankheiten und Blattläuse. Trotzdem gerate sie nicht in Versuchung, sagt Johanna. «Werden – Sein – Vergehen», so sei das Leben und so sei es auch mit den Rosen. Wenn eine ihre Lebenszeit erreicht habe, dann sei das so, und es komme etwas Neues. Auch ihr Gartenparadies als Ganzes werde sie nicht für immer haben. «Ich bin für jeden Tag dankbar, an dem ich fit genug bin für den Garten. Aber wenn ich oder mein Mann irgendwann nicht mehr mögen, verkaufen wir das Haus und dann werde ich halt auf einem Balkon Blumen pflegen. Ich bin eine, die loslassen kann.»

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Sirup für den Polizistenenkel

Loslassen, aber auch weitergehen. Dass ihr Sohn seit einiger Zeit auch gärtnert, freue sie ganz fest. Und ihm tue es gut. Auch die jüngere Generation profitiert von den gesund- und frohmachenden Fähigkeiten eines Gartens. So füllen Goldmelissenstauden ein halbes Gartenbeet im unteren Teil. Die Blüten pflückt Johanna den Sommer durch täglich ab, trocknet sie und mischt violette Malvenblüten dazu. Daraus kocht sie Sirup. Extra für ihren Enkel, der Polizist ist und die beruhigende Wirkung der Blüten schätzt.

Und auch Johannas Vater ist präsent. «Er liebte Gladiolen und hat mir immer wieder welche geschenkt. Die habe ich jeweils bald wieder herausgenommen und weiterverschenkt, weil sie mir einfach nicht gefallen.» Eigentlich sind Gladiolen nicht winterhart. Die Knollen müssen im Herbst eingelagert werden, damit sie nicht erfrieren. «Und trotzdem wächst jedes Jahr irgendwo wieder eine. Er setzt sich durch.»

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Offene Gärten:

 

Wer den Garten von Johanna Kurzen besichtigen möchte, kann das zum Beispiel am nationalen Wochenende der Offenen Gärten am 15./16. Juni. Sie wird Blütentee und ein Zvieri auftischen und freut sich über einen Besuch am Rüdenweg 24 in Boll.

www.offenergarten.ch 


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