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Tablets im Kindergarten – Fluch oder Segen?

Tablets und Co. gehören bereits für Vorschulkinder zum Alltag. Auch im Lehrplan der Basisstufe sind Medien sowie Informatik fest im Lehrplan verankert. Ist das nötig? Pascal Zaugg von der PHBern spricht über Chancen und Herausforderungen der frühen Nutzung digitaler Geräte in der Schule.

| Yolanda Buerdel | Gesellschaft
«Gemäss MIKE-Studie spielen Kinder zwischen vier und acht Jahren am liebsten ohne digitale Medien drinnen und draussen», weiss Pascal Zaugg, Dozent an der PHBern im Bereich Medien und Informatik. Foto: Nik Egger
«Gemäss MIKE-Studie spielen Kinder zwischen vier und acht Jahren am liebsten ohne digitale Medien drinnen und draussen», weiss Pascal Zaugg, Dozent an der PHBern im Bereich Medien und Informatik. Foto: Nik Egger

Pascal Zaugg, welche Kompetenzen sollen Kinder in den ersten Kindergarten- und Schuljahren im Bereich Medien und Informatik erwerben?

Der Lehrplan 21 verfolgt im Bereich Medien und Informatik drei Hauptziele: Zum einen sollen die Kinder lernen, Medien verantwortungsvoll und produktiv zu nutzen, deren informatische Grundkonzepte zu verstehen und die Geräte zu bedienen. Zum anderen sollen sie insbesondere ihren eigenen Umgang mit Medien reflektieren und ihre Gefühle in diesem Zusammenhang erkennen und einordnen können. In der Stadt Bern stehen dafür allen Basisstufen-Klassen mehrere Tablets zur Ver­fügung.

Wie werden diese Tablets von den Schülerinnen und Schülern konkret genutzt? 

Häufig fotografieren die Kinder damit gelungene Mal- oder Bastelarbeiten. Einige Lehrpersonen realisieren mit den Schülerinnen und Schülern auch grössere Projekte, wie beispielsweise Stop-Motion-Filme. Dabei basteln die Kinder zunächst ein Daumenkino, überlegen dann, wie sie dieses als Film umsetzen können, und machen mit dem Tablet die nötigen Fotos, etwa von einem Spielzeugzug. Den fertigen Film vertonen sie dann mit den passenden Geräuschen. So erleben die Kinder ­Medien auf mehreren Ebenen. Für Deutsch und Mathematik gibt es einige sinnvolle Übungsapps, die genutzt werden; Spiele setzen die Lehrpersonen hingegen eher zurückhaltend ein. 

Das klingt spannend, aber sollte der Fokus in den ersten Schuljahren nicht eher auf der Förderung der Sozial- und Selbstkompetenzen liegen? 

Bei einer sinnvollen Unterrichtsplanung spielen genau diese Aspekte eine Rolle. Entdeckt ein Kind in der Pause eine schöne Blume, kann es diese mit dem Tablet fotografieren und gemeinsam mit anderen herausfinden, um welche Art es sich handelt. Auch die erwähnten Stop-Motion-Filme bieten viel Raum für Kreativität. Werden Tablets sinnvoll eingesetzt, gewinnen die Kinder eher zusätzliche Lernzeit, anstatt sie zu verlieren. 

Fachpersonen kritisieren einen übermässigen Gebrauch von Bildschirmen bei Kindern und Jugendlichen. Wie häufig werden die Tablets in der Basisstufe verwendet?

Wie ich bei Schulbesuchen beobachtet habe, arbeiten die Kinder ungefähr einmal pro Woche mit den Tablets, was maximal 30 Minuten pro Kind entspricht. Dabei ist aber nicht nur die Bildschirmzeit entscheidend, sondern vor allem die Art der Aktivitäten. Bei einem produktiven Medieneinsatz sitzen die Kinder nicht nur passiv vor dem Tablet, sondern entwickeln aktiv Medienkompetenz und sammeln Erfah­rungen. 

Müssen die Kinder das bereits in der Basisstufe lernen? 

Medien sind Teil der Lebensrealität der Kinder und viele von ihnen machen zu Hause nicht nur positive Erfahrungen damit. In der Schule können wir die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Medien unterstützen und auch bei negativen Erfahrungen ausgleichend wirken. Dies geschieht nicht nur vor den Bildschirmen, sondern auch durch Gespräche und Diskussionen in der Klasse. Daher wäre es meiner Meinung nach eine verpasste Chance, erst später damit anzufangen. Auch, da wir sonst einen wichtigen Teil ihrer Lebensrealität aus ihrer Bildung ausschliessen würden und es die Aufgabe der Schule ist, den Schülerinnen und Schülern gewisse Fähigkeiten mitzugeben, mit dieser Realität auch ausserhalb der Schule umzugehen, und sie so zu starken Menschen auszubilden.

Die Arbeit mit digitalen Geräten erfordert aber auch Selbstständigkeit. Diese müssen die Kinder in der Basisstufe erst noch erlernen. Kann das nicht eine Überforderung für sie sein?

Die Schülerinnen und Schüler werden bei der Arbeit mit Tablets nicht einfach sich selbst überlassen. Die Lehrpersonen sind qualifiziert und entwickeln sinnvolle didaktische Konzepte. So arbeiten die Kinder beispielsweise in Kleingruppen und teilen ihre Erfahrungen anschliessend mit der ganzen Klasse. 

Der Einsatz von Tablets und Co. in der Basisstufe ist nicht unumstritten. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine kontroverse Diskussion?

Sehr wichtig. Aktuell bestehen noch keine fixen sozialen Normen im Umgang mit den digitalen Geräten. Diese müssen wir aushandeln und dafür braucht es verschiedene Ansichten und auch Forschung zu unterschiedlichen Aspekten. Die Schule muss sich überlegen, welche Werte sie vertreten will und welchen Umgang sie mit den Geräten haben möchte. Dadurch, dass wir wissen, wie wichtig das Elternhaus für den schulischen Erfolg ist, teilen wir die Verantwortung und können versuchen, diese kooperativ zu gestalten – beispielsweise indem wir einen Elternabend zum Umgang mit Medien organisieren. 


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