Skip to main content

-

current

Anzeige


Das Bargeld muss erhalten bleiben

Bargeld ist nicht nur nützlich, wenn man den Kellner für den aufmerksamen Service belohnen möchte, findet «Anzeiger»-Kolumnist Rudolf Joder. Es ermöglicht auch ein letztes Stück Anonymität in einer stets digitaleren Welt. 

| Rudolf Joder | Wirtschaft
Rudolf Joder
Rudolf Joder. Foto: zvg/Ruben Ung

Es geschah im vierten Untergeschoss des Casinoparkings in Bern: Wegen einer Unachtsamkeit fiel mein Funk-Auto­schlüssel zu Boden. Die Folge war, dass ich den PW nicht mehr starten konnte. In misslicher Lage suchte ich Hilfe beim Personal der Tank- und Waschanlage. Einem sehr hilfsbereiten und fachkundigen Mitarbeitenden gelang es, mit einer gezielten Intervention mein Fahrzeug in kurzer Zeit wieder funktionstüchtig zu machen. Meine Erleichterung war gross. Der Bedienstete der Garage schützte mich vor Unannehmlichkeiten und mehreren Terminproblemen an diesem Tag. Ich empfand das echte Bedürfnis, ihm nicht nur verbal zu danken, sondern mich auch mit einem Geldschein als sogenanntes Trinkgeld erkenntlich zu zeigen.

Ähnliche Situationen ergeben sich im Alltag fortlaufend, zum Beispiel beim Coiffeur nach einem gelungenen Haarschnitt, im Restaurant zum Abschluss eines feinen Essens mit auf- merksamer Bedienung oder wenn der Sanitär-Installateur zu Unzeiten die verstopfte WC-Spülung erfolgreich repariert. Unmittelbarer und persönlicher Dank kann bargeldlos per Kreditkarte nicht optimal ausgedrückt werden.

Der Zahlungsverkehr ohne Bargeld für kleine Beträge ist zwar momentan sehr trendy, en vogue, supermodern und chic, hat aber weitere Nachteile. Bei technischen Störungen der Zahlungssysteme entstehen an den Kassen des Einkaufszentrums sofort Warte- schlangen, oder die ausgewählten Waren müssen ins Regal zurückgestellt werden, weil sie nicht bezahlt werden können. Dies ist für die Betroffenen in der Regel mit einer grossen Portion Peinlichkeit nahe an der Grenze zur Lächerlichkeit verbunden.

Hinzu kommt, dass Bargeld anonym ist und keine digitalen Spuren hinterlässt. Bargeld benötigt keine technischen Geräte mit Störungspotential. Und der Zahlungsverkehr mit Bargeld verhindert, dass im Zuge der Digitalisierung noch mehr undurchsichtige Preis- und Tarifsysteme zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten entstehen.

Der bargeldlose Zahlungsverkehr für Kleinbeträge eignet sich offensichtlich nicht für eine Anwendung ohne minimale Vernunft. Bargeld ist die einfachste und praktikabelste Form für die tägliche Teilnahme am Wirtschafts- und gesellschaftlichen Leben und ist sicherzustellen. Es ist deshalb zu begrüssen, dass der Bundesrat zu der am 15. Februar 2023 eingereichten Volksinitiative «Bargeld ist Freiheit» einen direkten Gegenentwurf ausgearbeitet hat. Präziser als das Volksbegehren garantiert der Vorschlag der Landesregierung eine umfassende Bargeldversorgung für die Schweiz auf der obersten Rechtsstufe in der Bundesverfassung. Dies entspricht einem gesellschaftlichen Bedürfnis, auch in Zukunft. Das Bargeld muss erhalten bleiben!

 

Zur Person:

Rudolf Joder ist Dr. iur. Fürsprecher und präsidiert den Schweizerischen Verband für Seniorenfragen. Er war Nationalrat, Grossrat, Präsident der SVP Kanton Bern und Gemeindepräsident von Belp.


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


Über die Disziplin

In dieser Kolumne spricht die Autorin Saskia Winkelmann über Disziplin und wie uns Routine hilft. 

Die 13. Augenwischerei

Statt fünf Milliarden Franken mit der Giesskanne auszuschütten, sollte man die Ergänzungsleistungen deutlich erhöhen, fordert «Anzeiger»-Kolumnist Peter Stämpfli. 

Politische Mathematik

Die Gegnerinnen und Gegner einer 13. AHV-Rente hätten ihr soziales Herz etwas spät entdeckt, findet «Anzeiger»-Kolumnistin Regula Rytz. Vor allem sei höchst ungewiss, ob die nun formulierten Pläne zur Entlastung Geringverdienender eine Ablehnung der Initiative überdauern würden.