Sie sind zu dritt unterwegs. Die Superschurken. Die liebsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Seit Mitte der Nullerjahre kennen sich Dadaz (Gesang, Gitarre), Beni06 (Schlagzeug) und Stude (Bass), zusammengefunden haben sie im weltoffenen Biel, das die perfekte Lebensgrundlage für eher durchgeknallte Existenzen wie die ihren bietet. Wenn zwei Anti-Christen auf einen gottesgläubigen Freikirchler treffen, der seinerseits mindestens so sehr dem Teufel vom Karren gefallen ist wie seine beiden Kumpanen: Lord help me, Jesus! Diese Musik, dieses Musikmachen, ist ihr Leben, verflochten mit allen Teilen ihrer Leben. Die Nacht lang im Übungsraum oder daheim auf dem Sofa, ausprobieren, eintauchen und schlussendlich sich hinlegen und ergeben.
Das Leben als Superschurken – die drei sind Helden in einer weit ausufernden Bieler Sippe, in der alle Heldinnen und Helden sind, alle einander tragen. Während in vergleichbaren Kleinstädten Freiräume längst abgerissen wurden, gibt es in Biel die lebensnotwendigen Orte, wo Dinge enstehen können. Dazu Auftrittsmöglichkeiten – underground, aber auch in den etablierteren Lokalen. Mit Yagwud oder der Association Bruit gibt sich die Bieler Musiker-Familie selber ein Nest, aus dem ungezählte Kollaborationen entspringen – musikalisch übers Kreuz, manche für einmalige Gelegenheiten, aus manchen gehen auch Gruppen mit langem Bestand hervor.
Und jetzt diese neue Platte der Superschurken, dieser grosse Wurf: eine mögliche Zusammenfassung, ein Destillat, von allem, was sie umtreibt. Dadaz hat sich fürs Song-Schreiben etliche Folgen «Columbo» angeschaut, um in die richtige Stimmung zu kommen –dann sind die drei für ein paar einsame Tage in den Jura gefahren, Domino spielen, zusammen trinken, Musik passieren lassen.
Den Blues weiterschreiben
Die Intensität, zuerst nicht vordergründig, ruhig angegangen – und dabei den Sog entwickelnd, in dem man als Zuhörer und Zuhörerin eingetaucht bleiben will. Gleich zum Anfangen «Better man»: Der Wunsch, es gut zu machen, besser zu machen – ist das überhaupt möglich? Getragen von einer weitschweifenden Slide-Gitarre, ist es ein Superschurken-Blues-Klassiker, dem Beni mit einem an der improvisierten Musik geschliffenen Beat den Raum weit auftut.
Im Duktus eines Gospel-Blues-Country-Gemischs gehalten, ist die musikalische Herangehensweise der drei dabei sehr unterschiedlich. Beni06, ein einmaliger und unvergleichlicher Magier und Künstler mit unfassbarem musikalischem Einfühlungsvermögen und Ausdrucksschatz, sein Schlagzeug sehr sec und dann wieder um die Harmonien herumtanzend. Studes Bass groovend, treibend und mit fantastischen Melodien die Songs stützend. Die Gitarre von Dadaz: Sie dreht in die Ekstase. Hinauf. Tiefer hinein. Und dann wieder sanft, fast beiläufig, und die Melodie trägt einen tagelang. Seine Stimme warm, sonor, liebend.
«Darling», eine Hymne: Ein Nachhängen im Gefühl, für eine Frau wohl, für die Liebe ganz sicher, und das Innig-zusammen-Tanzen wird für einen Drink abgebrochen – «you took me to the bar …». Die eigenen Lieder muten genauso als Klassiker an wie die wundervoll einfühlsam interpretierten Coversongs. Und es gibt bezaubernde Instrumentals, musikalische Spuren zu weiten Reisen, man stellt sich auch hier die Geschichten dazu vor: Gut möglich, dass Dadaz einfach vergessen hat, sie aufzuschreiben und einzusingen. Die Superschurken schreiben mit dieser Platte den Blues weiter, mit einer innigen Aufmerksamkeit, der Musik gegenüber und füreinander. Trost spendend. Mit einer Leichtigkeit tänzelnd, auch mal unbesorgt. Die Welt zu einer hoffnungsvolleren machen.
Eine zarte, wuchtige Urkraft
Diese Platte ist auch wieder ein Gesamtkunstwerk, mit einem Mitgestalten von Freundinnen und Freunden um die Musik herum: Auf dem Cover eine Büste, die Lucia Strub vom Gitarre spielenden Dadaz erschaffen hat (Hari Strub hatte für die letzte Platte die drei Superschurken in einem Ölgemälde verewigt). Sirup Gagavil wiederum war wie immer der kongeniale Zauberer im Studio, für die fantastische Aufnahme zuständig: damit das Direkte, Rohe beim Anhören der Songs körperlich fühlbar ist.
Am Konzert: sind sie eine Urkraft, eine zarte, wuchtige. Eklektisch im besten Sinn. Dadaz, zärtlich über seine Stratocaster gebeugt. Jeder einzelne für sich ein Ereignis, eine Offenbarung. Treiben dann nicht nur einfach vorwärts, sondern treiben an, hin zu einem besseren Ort. Hier möchte man für immer sein. Das ist das Gefühl, das die Umarmung der Superschurken gibt: Überhaupt nicht alles ist gut, aber wir sind zusammen, wir sind uns nah, wir verstehen uns und schauen zueinander. Einfach ein kleines Lied singen, jeden Tag.
Coupole, Biel, 15. März, 22.00 Uhr, Plattentaufe mit Reverend Dead Eye and Nicotine Sue und Roy And The Devil‘s Motorcycle, DJ Pomme & Goodman.
«Superschurken 2» ist soeben auf Motör Ed erschienen.
superschurke.bandcamp.com