«I hate the world today.» Heute hasse ich die Welt, und hiermit ein Shoutout an Meredith Brooks, die schon manchen schlechten Tag zumindest vorübergehend gerettet hat, die auch Autofahrten und müde Morgenduschen auf eine ganz alltägliche Art glamourös machen kann, gerade wenn man sich eher klein und traurig und uneindeutig fühlt. Bitch, Lover, Kind und Mutter, Sünderin und Heilige, alles immer zusammen: «I’m your hell, I’m your dream / I’m nothing in between», singt sie in ihrem Hit «Bitch» von 1997. Vielleicht ist es sogar ein Demosong.
Letzten Freitag war der 8. März, also internationaler feministischer Kampftag, neben dem 14. Juni hierzulande das wichtigste Datum, um sich gemeinsam gegen das Patriarchat zu schütteln. Die Berner Sängerin, Künstlerin und Legende Milena Patagônia hat an diesem Tag auf Instagram auf Meredith Brooks verwiesen, weil der Song sie nämlich beim Schreiben ihrer eigenen neuen Single begleitet habe. Wassermassen, staubtrocken, Höllenqualen, heilig, grau, leicht, lieb, Hass, Neid, und alles immer zusammen: Das singt Milena in «Dodji», ein tröpfelndes, klopfendes, Blasen werfendes, eindringliches, kleines Lied. Am 8. März ist es auf die Welt gekommen. Es ist ein Song übers Gleichzeitigsein, alles auf einmal und widersprüchlich, parallel und ambivalent. Eine Absage ans Konsequentsein, vielleicht, gottverdammt, und ein grosses Ja zu all den vielen Geistern in uns drin, ja zum Schwierigsein und zum Wissen und zum Nichtwissen. «Ich bin so vielfach», wie es die Dada-Künstlerin Emmy Hennings 1922 ausgedrückt hat. Hennings–Brooks–Patagônia, es dünkt mich ein geeignetes Dreigestirn zur Orientierung in diesen komplizierten Tagen, auch wenn es bedeutet, manchmal vom Weg abzukommen, holprig, gut gelaunt, schlecht gelaunt, nicht gelaunt. «Eifach immer witer mache, es git gar ke angeri Wauh», das ist einem anderen von Patagônias Songs vorausgeschickt, es ist so banal, es ist deswegen nicht weniger wahr.
Milena Patagônia: Dodji. Royal Tea Music, 2024.
Alice Galizia schreibt über Musik, zum Beispiel im «KSB Kulturmagazin» und in der WOZ, und veranstaltet Konzerte, zum Beispiel im Café Kairo. Sie lebt in Bern.