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Ein Klangbad im Wolkenmeer

Mit seinem achten Album «Drifting Clouds» schafft Mich Gerber mit Kontrabass und Loopgerät eine Klanglandschaft, die dem ewigen Entstehen und Vergehen der Wolken gewidmet ist. Der «ARB» traf den Bassisten und Komponisten zum Gespräch. 

| Bettina Gugger | Kultur
Mich Gerber
Mich Gerber Foto: Rob Lewis

Mich Gerber schaut gerne in den Himmel. «Die Wolken sind immer da, verändern sich dauernd.» Mit «Drifting Clouds» hat er die Dramaturgie am Himmel auf ganz besondere Weise eingefangen: Das neue Album ist eine einstündige Komposition, die sich ständig verändert; Tonschichten überlagern und durchdringen sich, melancholisch das erste Eintauchen in das unendliche Wolkenmeer. Mit Hilfe seines Loopgerätes erzeugt er den Effekt eines Kontrabass-Orchesters; gestrichene und gezupfte Texturen greifen ineinander. Mich Gerber entlockt seinem Instrument auch auf seinem achten Album neue Klänge wie etwa den von schreienden Möwen. Die Entdeckungsreise hört nie auf: «Mit ‹Drifting Clouds› wollte ich eine grosse Situation schaffen.» 

Und so folgen auf die ersten me­lancholischen Klangwelten düstere Klangbilder. Da braut sich was Dunkles zusammen. Erste Regentropfen fallen, lösen die Spannung und bilden einen beruhigenden Geräuschteppich, während sich die Wolken gleichermassen neu formieren. «Die Emotionalität der Komposition war mir sehr wichtig», so Gerber. 

Eingespielt hat der Bassist und Komponist das Stück letztes Jahr in einem Take. Er brauche jeweils die Distanz zu neuen Kompositionen. Es folgten weitere Aufnahmen des Stückes. Schliesslich gewann doch das Original. «Die ‹Driftigkeit› kommt bei der ersten Aufnahme am besten zur Geltung.» Das Hinübergleiten von einem Zustand in den nächsten, vom Abstrakten zum Konkreten. 

Erarbeitete Freiheit

Wie das Vorgängeralbum «Shore­line» kommt auch «Drifting Clouds» ohne Vocals aus, während auf früheren Alben Sängerinnen wie Jaël, Musikerin Bajka und Rapper Greis oder gar ein gregorianischer Chor mitwirkten. War «Shoreline» mit Perkussionist Andi Pupato noch rhythmisch geprägt, löst sich «Drifting Clouds» ganz im Atmosphärischen auf. Da ist kein durchgängiger Rhythmus mehr, keine Zeit, die sich in Schlägen pro Sekunde misst, stattdessen Ewigkeit, ein ständiges Entstehen und Vergehen. Die einstündige Komposition sei keine Auflehnung gegen Musik-Streaming-Plattformen, die ein Album zerstückeln, eher ein Gegenprinzip. «Ich werde in meiner Arbeit immer kompromiss­loser. Diese Freiheit habe ich mir im Laufe der Jahre erarbeitet», so Gerber. Möglicherweise ist «Drifting Clouds» sein intuitivstes Album, ein Klangerlebnis, das Grenzen sprengt, einen eintauchen lässt in dieses Wolkenmeer, diese Weite, in der sich Gedanken auflösen. 

Nach seinem Studium an der Musikhochschule Bern, das ihm die Klassik nahebrachte, widmete er sich der Improvisation und der Klassischen Avantgarde. Ein Meilenstein in seiner künstlerischen Entwicklung sei die Entdeckung des Loopgerätes gewesen. Er war einer der ersten Musiker in den 80er-Jahren, die damit arbeiteten. «Auf einmal hatte ich mein eigenes Orchester», erinnert sich Gerber. «Ich konnte einen neuen Stil entwickeln, dem Instrument neue Funktionen entlocken.»

Durch befreundete Musiker aus der Türkei kam er in Berührung mit orientalischen Tonreihen. «Es muss nicht immer Dur oder Moll sein», meint Gerber. So entstand sein Stil, «der irgendwo zwischen Klassik, Electronica, alter Musik und dem Volkslied zu verorten ist, zwischen Orient und Okzident», wie er selbst über seine Musik schreibt. Dabei treibt ihn die Neugierde an, denn «es gibt immer etwas Ungesehenes zu entdecken». 

Unter freiem Himmel

Mit seiner Reihe «l’heure bleue», Konzerten an magischen Orten in der Dämmerung, spielte er sich in die Herzen des Publikums. 50 Konzerte spielte er auf «seiner» Fähre auf der Aare in Muri; nach wie vor ist er etwa viermal im Monat als Fährmann auf der Bodenackerfähre im Einsatz. Für seine Konzert-Reihe hält er aber nach neuen Orten Ausschau. Jüngst spielte er etwa am Rhein in Basel. Während viele Veranstalterinnen und Veranstalter von Live-Musik den Publikumsschwund beklagen, kennt Gerber diese Sorgen nicht. Seine Konzerte sind gut besucht. Er ist auch im übertragenen Sinne ein Fährmann, einer, der dem Publikum neue Erlebniswelten erschliesst. «Ich bin froh, wenn die Leute eine schöne Zeit verbringen und es mir gelingt, eine Stimmung zu kreieren, die passt», meint er bescheiden. Konzerte selbst zu organisieren, sei aber auch nicht ohne, lacht er. 

Die Plattentaufe von «Drifting Clouds» wird aber ganz traditionell im Bierhübeli stattfinden. Das akustische Naturspektakel soll aber dennoch einen visuellen Charakter haben. Projektionen von Rob Lewis, der auch das Video zum Excerpt gemacht hat, begleiten das Konzert; Bilder von Wolken, die sich während eines Tages in der Wüstenlandschaft des Joshua-Tree-Nationalparkes formiert haben.

Nach «Drifting Clouds» schaut man anders in den Himmel.

 

Bierhübeli Bern, 11. Oktober, 20.00 Uhr

michgerber.ch

bierhuebeli.ch


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