Am See ist es am schönsten, wenn es regnet. Keine Boombox, kein Gedränge, dafür die schon legendären Calimochos in schicken rosafarbenen Anzügen und Gummistiefeln und sehr zufriedenen Gesichtern. Das DJ-Duo, bestehend aus Dimitri Grünig und Martin Oesch, spielt hier am Freitagmittag an der Bad Bonn Kilbi in Düdingen ein wildes, warmes Set: Strandmusik, Verschrobenes, Verzerrtes, Kindheitserinnerungen. Es gibt lauwarme Sangria aus dem Kochtopf, Kaffee, ein paar Mutige werfen sich gar in den See.
Es könnte sogar sein, dass der Regen dieser Kilbi gutgetan hat, nicht nur hier unten, wo man normalerweise kaum einen Schritt tun kann vor lauter halbnackten, trägen Körpern. Am ganzen Festival wirkt das Publikum fokussiert, aber nicht zielstrebig, aufgeregt, aber friedlich. Sogar dann, als spät in der Nacht ein cis-männlicher DJ im Haus sein T-Shirt auszieht, entsteht keine blöde Stimmung, niemand tut es ihm nach, es wird bloss für unnötig befunden. Es ist ein gutes Beisammensein, irgendwann ist all der Schlamm egal.
Was ist sonst passiert? DJ Marcelle sieht in ihren roten Ledersandalen und mit der langen bunten Halskette aus wie eine Handarbeitslehrerin, sie spielt auf ihren drei Plattenspielern ein wildes, eklektisches Set. «Die Sonne scheint im Club» ist die alljährliche Floskel dazu, die eben auch jetzt wieder wahr ist. YHWH Nailgun aus New York spielen ein verrücktes, grössenwahnsinnig-karges Wahnsinnskonzert um vier Uhr nachmittags und Flo sagt: Jetzt könnte ich eigentlich heimgehen. Naomie Klaus schart das ungefähr gesamte Publikum dieses Festivals um sich in der Zeltbühne, spielt ungefähr immer wieder den gleichen Song, immer besser, ich möchte alles aufsaugen. Kabeaushé spielt eine der wenigen Rapshows dieses Jahr, es ist übertrieben gut, ebenso leichtfüssig wie dringlich, dann ist es im Haus so heiss, dass wir es verlassen müssen.
Am Sonntagmittag werden wir von einem freundlichen Traktorfahrer geweckt, der unseren Camper mitsamt all der Bagage aus dem Schlamm ziehen wird. Zeit, zu gehen.
Alice Galizia schreibt über Musik, zum Beispiel im KSB Kulturmagazin und in der WOZ, und veranstaltet Konzerte, zum Beispiel im Café Kairo. Sie lebt in Bern.