Skip to main content

-


Anzeige

Anzeige


Über das grosse Danach

Unsere Kolumnistin Saskia Winkelmann überbrückt die Leere nach einem grossen Projekt mit Gamen - eine spät entdeckte Freude, denn als Kind besass sie keine Spielkonsole.

| Saskia Winkelmann | Kultur
Saskia
Foto: Eglė Šalkauskyte

Wenn grosse Projekte zu Ende gegangen sind, egal wie gut und bereichernd, dann verspüre ich gar nichts. Erst mal sitze ich drei Tage da. Danach kommt eine sehr langsame Woche. Die Gefühle kommen meistens zeitversetzt in Häppchen. Ich preise ja Pausen, aber manchmal bin ich gar nicht so gut ­darin, welche zu machen. Nach langen Arbeitsphasen fehlt mir schlicht die Ruhe zum Ruhen. Wie paradox! Was
da meistens – überraschenderweise – in den ersten Tagen hilft, ist gamen. Das hätte ich vor einem halben Jahr auch noch nicht gedacht. Ich spiele noch nicht lange auf Spielkonsolen, doch als ich letzten Dezember an einem Sonntag zu Hause sass, es stürmte und mir war zum Heulen zu Mute, habe ich meinen Mitbewohner gefragt, ob er mir zeigen könne, wie man die Nintendo Switch bediene. Ich wusste schon lange, dass ich gerne gamen ­werde, befürchtete aber, dass ich mich darin verlieren würde, so wie als Kind in Fantasybüchern.

Ich spiele Zelda, eines der populärsten Games, so wie es meine Gschpändli schon um die Jahrtausendwende getan haben. Ich, die nie eine eigene Konsole besass, habe damals nur zugeschaut. Das hat teilweise sicher damit zu tun, dass ich weiblich sozialisiert wurde. Technik war nicht für uns. Was übrigens auch meine spätere Zeit als DJ beeinflusst hat (aber davon in einer anderen Kolumne). Inzwischen bin ich dreiunddreissig und es gibt das Spiel neu in einer gestochen scharfen Grafik. In der Open World (so nennt man eine Game-Welt, in der man sich frei bewegen und fast tun und lassen kann, was man will) kann ich Stunden damit verbringen, ohne Ziel herumzuwandern, mir anzusehen, wie die Sonne in einem Teich glitzert, durch eine Schneelandschaft zu stapfen, im Dschungel Früchte zu pflücken und manchmal nebenbei ein Rätsel zu lösen oder ein Monster zu erledigen. Ich kann nicht genug betonen, wie entspannend das ist. Wie lesen, aber interaktiv; dafür fordert es natürlich weniger Vorstellungskraft.
Also habe ich, als letzte Woche die fünf Vorstellungen, die wir mehrere Jahre und sechs intensive Wochen vorbereitet hatten, vorbei waren, die Konsole angemacht und bin losspaziert. Inzwischen ist diese erste Phase vorbei. Gerade lag ein Häppchen Freude und Erleichterung über die gelungenen Vorstellungen neben meinem Morgenkaffee auf der Untertasse.

Saskia Winkelmann ist freie Autorin und DJ. Die Performance «Hundsköpfige» mit Marie Popall, die im Mai im Fabriktheater Zürich zu sehen war, kommt im Oktober nach Basel und im Dezember 2024 nach Bern. Sie empfiehlt das Game «Zelda – Breath Of The Wild».


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


Klassenlager für Erwachsene

Unsere Kolumnistin Saskia Winkelmann berichtet in dieser Kolumne von den Endproben der Performance «Hundsköpfige», die sie zusammen mit Marie Popall und Team realisiert. Dabei scheinen die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit zu verschwimmen...

Traumhafte Spiegelungen

In dieser Kolumne erzählen Carola Ertle und Günther Ketterer von einem Künstler, der sich dem Werk von Ernst Ludwig Kirchner in besonderer Weise annähert.

No Country for old Gonzos

In dieser Kolumne gibt Bubi Rufener Tipps mit dem Anfangsbuchstaben F wie Frühling. Die Redaktion erlaubt sich, der Liste «Früehlig» von Bubi Eifach hinzuzufügen - einer der traurigschönsten Songs zum Frühling, der manchmal auch Abschied bedeutet.