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«Diese mobile Inszenierung wirkt enthemmend»

Bühnen Bern zeigt diesen Sommer «Romeo und Julia» in einem speziellen Format, in der Villa Morillon und dem dazugehörigen Park. Hauptdarstellerin Vanessa Bärtsch verrät, was
diese Umsetzung des wohlbekannten Stücks sowohl für die Schauspielerinnen und Schauspieler als auch für das Publikum besonders macht.

| Muriel Willi | Kultur
Julia
Romeo (Linus Schütz) mit Julia (Venassa Bärtsch). Foto: Yoshiko Kusano

«Anzeiger Region Bern»: Frau Bärtsch, open-air zu spielen ist das eine, wo liegt die Heraus­forderung beim Spiel im mobilen Format dieser «Romeo und Julia»-Inszenierung?
Vanessa Bärtsch: Wir durchlaufen während des Stücks eine Art Parcours mit verschiedenen Stationen, man könnte sagen, es handelt sich um ein «Stationentheater». Das Setting ist wunderbar offen, aber das Wetter kann mit uns machen, was es will. Hier werden alle Vorstellungen, durch die vielen Ausseneinflüsse, ihren jeweils eigenen Touch bekommen. Wir spielen in der Villa Morillon und im Park, so klappt sich unsere Bühne wie eine Wundertüte immer weiter auf.

Ist es für die Schauspielenden und das Publikum nicht anspruchsvoll, sich immer wieder an andere Orte zu bewegen?
Es macht definitiv etwas mit uns Schauspielenden, immer wieder an neuen Orten in die Geschichte hinein-und wieder hinauszuspringen. Das gibt uns eine enorme Energie. Durch diese verschiedenen Spielorte möchten wir die Idee aufbrechen, wie Theater zu sein hat. Ich denke, diese mobile Inszenierung wirkt enthemmend und weniger elitär als eine Aufführung in so manchem klassischen Theatersaal.
Wir möchten das Erlebnis des Theaters neu kreieren und tradierte Vorstellungen auflockern. Es entsteht eine ­direktere Verbindung zwischen den Schauspielenden und dem Publikum. So kann bei den Zuschauenden ein ­Zugehörigkeitsgefühl geschaffen werden – der Eindruck, Teil der Geschichte zu sein. Ich hoffe, uns gelingt es auf ­diese Art, ein gemeinsames Erlebnis zu schaffen.

Die Kulisse ist mit der Villa Morillon klassisch. Wie verhält es sich mit der Inszenierung?
Wir arbeiten mit einer Übersetzung von Thomas Brasch, der einer Arbeiterfamilie aus der DDR entstammt. Das macht sich sprachlich, interpretatorisch bemerkbar. Die Inszenierung ist eine gute Mischung aus klassischen und zeitgenössischen Elementen. Das Stück kommt aufgrund verschiedener Ideen sehr frisch rüber. So habe ich für mich diverse neue Aspekte an dieser klassischen Rolle entdeckt.
Auch die wunderbaren Kostüme, die Dominique Steinegger kreiert hat, oszillieren zwischen klassisch und zeitgenössisch. Die Kostüme vermögen es ausserdem, die Zuspitzung der Not, in der sich die jeweiligen Personen befinden, zu widerspiegeln.
Wie gelang es Ihnen, sich in die Lebenswelt der Julia hineinzuversetzen, die in dieser Villa lebt und sich in einer gehobenen Gesellschaftsschicht bewegt?
Ich muss gestehen, anfangs wirkte die Grösse des Settings und die Welt in und um die Villa etwas überfordernd auf mich. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, uns dieser Welt anzunehmen und sie auf gewisse Weise wieder aufzubrechen. Das Publikum wird, indem es sich auf diesen speziellen Ort einlässt, viel dazu beitragen, ob ich mich als Julia in der Villa Morillon zu Hause fühle.

Sie erwähnen die Herkunft Julias, die im Kontrast zu Romeos familiärem Hintergrund steht. Welchen Einfluss hat die soziale Zugehörigkeit auch heute noch auf unser Leben und wie wird das im Stück sichtbar?
Wir möchten aufzeigen, was die Charaktere für ein Selbstverständnis – oder eben auch nicht – haben, wenn sie sich in den jeweiligen Schichten bewegen, und was passiert, wenn sie aufeinandertreffen. Das Stück arbeitet heraus, was auf ganz unterschiedlichen Ebenen ausgelöst wird, wenn verschiedene Milieus miteinander in Kontakt treten.

Lässt sich mit dieser Inszenierung des «Romeo und Julia»-Stoffs eine Brücke in die Gegenwart schlagen?
Unser Ziel war, die Geschichte neu und anders nahbar zu machen. Ich bin der Meinung, es gibt Stoffe, die sollten heute nicht mehr auf die Bühne gebracht werden. Einfach weil sie eine andere, nicht mehr gültige Wirklichkeit abbilden und oft stark patriarchale oder ­anderweitig problematische Momentaufnahmen abbilden, denen wir nichts abgewinnen können. «Romeo und ­Julia» gehört definitiv nicht zu diesen Stücken. Es wirken derart starke Kräfte zwischen den Charakteren und ihre Beziehungen zueinander werden eindrücklich herausgearbeitet. So führt einem das Stück das menschliche Verhalten, Versagen und Irren derart klar vor Augen, was auch heute noch seine Gültigkeit behält.
Da die Regisseurin Ruth Mensah und die Dramaturgin Elisa Elwert auf die Essenz des Stückes vertraut haben, lassen sie die Figuren in reduzierter Zahl, aber mit viel Aussagekraft auf­treten. Die zwischenmenschlichen Themen können so intensiver und ehrlicher ausgehandelt werden.

Die Regisseurin Ruth Mensah ist Anfang 30. Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen sind teils noch jünger. Wie ist es, in einem so jungen Team arbeiten zu dürfen?
Das Verständnis dafür, in welchem ­Lebensabschnitt man sich gerade befindet und mit welchen Themen man sich da auseinandersetzt, macht die Kommunikation einfacher. In dieser Produktion entstanden im Team eine gemeinsame Klangfarbe, gemeinsame Vibrationen. Das hilft ungemein dabei, in der Erarbeitung des Stücks Schwierigkeiten auszuhalten.

Sie sind momentan gefordert. Parallel zu «Romeo und Julia» spielen Sie im Stück «Die Dampfnudel», einer zeitgenössischen Komödie. Was liegt Ihnen besser, Komödie oder Tragödie; klassisch oder zeitgenössisch?
Lange dachte ich, dass mir nur Tragödien und antike Stoffe liegen. Nun bin ich dennoch oft in Komödien besetzt, wovor ich anfangs Angst hatte, da ich mich auf der Bühne nie lustig fand. Ich habe aber bemerkt, dass wohl gerade meine vermeintliche «Unlustigkeit» witzig wirkt. An den Komödien bin ich definitiv gewachsen, so geniesse ich es, mittlerweile sowohl Komödien als auch Tragödien spielen zu dürfen.
Ohne zu viel zu verraten, kann ich sagen, dass es auch in «Romeo und ­Julia» den einen oder anderen amüsanten Moment geben wird.

 

Villa Morillon, Bern, 14. Juni, 20.30 Uhr, 19. und 20. Juni, 17.00 und 20.30 Uhr, 21./22. und 29. Juni jeweils 20.30 Uhr.

Weitere Infos und Spieldaten: buehnebern.ch


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