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Die Untere Altstadt wird zur Bühne
An drei Abenden Mitte August verwandeln sich Berns Gassen jeweils in ein buntes Festival, das Buskers Bern. Atemberaubende Akrobatik,
Puppentheater und musikalische Leckerbissen aus dem In- und Ausland sorgen für kulturelle Entdeckungen und Foodstände für das leibliche Wohl.
144 Artists, die an 3 Abenden 321 Shows für Hutgeld statt einer festen Gage spielen, 60 Foodstände, über 200 Freiwillige und ein grosser Publikumsaufmarsch – das ist das Festival Buskers Bern. In der zweiten Augustwoche verwandelt sich die Untere Berner Altstadt jeweils von Donnerstag bis Freitag, von 18.00 Uhr bis nach Mitternacht, in ein buntes Gewusel. Danach wird an der Afterparty im Kornhaus weitergefeiert.
Kultur allen zugänglich zu machen, das ist der Kerngedanke des Strassenfestivals, das musikalische Acts und visuelle Darbietungen, darunter Theater, Tanz und Installationen, vereint. «Wir bringen Kultur zu den Leuten», so Christine Wyss. Vor 21 Jahren rief sie zusammen mit ihrer Schwester Lisette Wyss das Festival Buskers Bern ins Leben. Als Musikerin trat Lisette Wyss an Strassenfestivals im Ausland auf und trug diese Inspiration nach Hause. «Damals sind wir gleich mit 30 Gruppen, die während dreier Tage die Altstadt bespielten, volles Risiko gefahren», erinnert sich Christine Wyss, die heute das Festival zusammen mit Julia Wietlisbach und Stefan Jampen leitet. Das Risiko hat sich gelohnt. Während in der Berner Altstadt vor über zwanzig Jahren im Sommer noch eine kulturelle Dürre herrschte, strömen mittlerweile jährlich an die 60 000 Besucherinnen und Besucher ans Buskers-Festival.
Für ihr Engagement durfte Christine Wyss letztes Jahr den Bäredräck, den Preis des Bärentrusts, entgegennehmen. Ist denn irgendwann bei dem grossen Publikumsandrang auch eine kritische Grösse erreicht? «Das Publikum reguliert sich selbst», meint Wyss gelassen und Julia Wietlisbach fügt hinzu, dass es eine Intensität brauche, um überhaupt erst eine Stimmung aufkommen zu lassen. Es empfehle sich, jeweils frühzeitig vor Ort zu sein, wenn einem ein Act besonders am Herzen liege. Einen Campingstuhl mitzubringen sei durchaus erlaubt, lacht Wyss.
Die Strasse als Königsdisziplin
Während Christine Wyss für das Booking der Musikerinnen und Musiker zuständig ist, obliegt Julia Wietlisbach die Verantwortung für die visuellen Acts. Die Shows müssen «catchy» sein, damit sie das Publikum während 20 bis 30 Minuten fesseln. Nach wie vor besuchen Wyss und Wietlisbach selbst Festivals im In- und Ausland, um auf neue Acts aufmerksam zu werden. «Erst auf der Strasse zeigt sich, ob Präsenz und Qualität ‹verhäben›», so Wyss. «Die Acts sind bei uns selbst für den Ton verantwortlich. Viele Bands erzählen uns, dass sie nach dem Buskers bereit sind, ins Studio zu gehen».
Ein Highlight dürften dieses Jahr die lebensgrossen Giraffen des Teatro Pavana aus den Niederlanden sein, verkörpert von drei Performerinnen und einem Performer. Cho Kairin aus Japan sorgt mit seiner Akrobatik für Nervenkitzel: Er balanciert auf einem zwölf Meter hohen Stuhlturm, inspiriert von der traditionellen chinesischen Bühnenkunst. Neben Puppentheater fürs junge Publikum – zum Beispiel vom Figurentheater Matou aus Winterthur, gibt es mit Panoptikum P&T aus Belgien die Entsprechung für Erwachsene: Jean Michel Distexhe widmet sein Stück «GDOGD» dem letzten Hund und seinem Herrchen. Dabei wirft er die Frage nach dem Lebenssinn auf und irritiert mit der Frage: «Was, wenn eine Rasse ausstirbt?»
Christine Wyss freut sich besonders auf HENGE: Die Band aus Manchester, die für gewöhnlich riesige Bühnen bespielt, bringt eine Musik von fernen Planeten nach Bern – umschrieben mit «Cosmic Electronic Prog Rave». Ihre ausserplanetarische Kostümierung ist mehr als nur das Tüpfchen auf dem i – möglicherweise sind HENGE interstellare Botschafter der friedlich-surrealen Zusammenkunft.
Um Flamenco Queer ans Buskers zu bringen, hat Wyss all ihre Queer-Kontakte in Spanien spielen lassen. Das Ensemble, inspiriert von der Queer-, Drag- und Flamencoszene, die Anfang der 1990er-Jahre in Barcelonas Hafenvierteln aufeinandertrafen, tritt zum ersten Mal an einem Strassenfestival auf. Der Programmtext verspricht eine «elektro-traditionelle Drag-Fantasie».
Junge Bühne Bern mit kleinem Festival
Beim Lischetti-Brunnen, unterhalb des Rathausplatzes, veranstaltet die Junge Bühne Bern ein eigenes kleines Festival mit Konzerten und visuellen Shows. Zu hören ist beispielweise das Berner ALMAR-Trio, das Elemente des Mittelmeerraumes mit lateinamerikanischen Einflüssen vermischt.
Cello, Classic und Crossover verspricht Jeremi Zschocke. Der Musiker wurde mit dem Downsyndrom und einem Herzfehler geboren. Nach diversen medizinischen Zwischenfällen kann er sich heute ganz seiner Begabung und Leidenschaft widmen – dem Musizieren.
Für eine besondere Interaktion mit dem Publikum sorgt der Aktionsmarkt Bizaar auf der Münsterplattform. Hier können Interessierte ihr eigenes therapeutisches Öl mischen, ein psychedelisches Porträt erstellen lassen, sich aus der Hand lesen lassen, Zinnfiguren giessen und vieles mehr.
Das Festivalgelände ist frei zugänglich, wobei sich das Festival Buskers Bern zu einem Drittel durch die Festivalbändeli finanziert. Christine Wyss verweist darauf, dass die Wertschöpfung des Festivals in der Region bleibt: «Der Grafiker befindet sich gleich in Nachbarschaft des Vereinssitzes, der Bühnenbauer stammt aus Worb, der Koch aus Zollikofen, auch gedruckt wird alles im Breitenrain». Das Buskers finanziert Transport, Kost und Logis der Künstlerinnen und Künstler. Für ihre Gage ist das Publikum verantwortlich, das freundlich dazu aufgerufen wird, für die Fütterung des Hutes Bargeld mitzubringen.
Nach wie vor sucht das Festival freiwillige Helferinnen und Helfer. Es soll auch Paare geben, die sich bei einem solchen Freiwilligeneinsatz kennengelernt haben.
Untere Berner Altstadt zwischen Kornhaus und Nydegg, 8. bis 10. August.
Festivalbändeli mit Programmheft an 29 Verkaufsstellen in Bern, während des Festivals bei fliegenden Verkäuferinnen und Verkäufern, an sechs Infoständen in der Altstadt und im Festivalbüro an der Rathausgasse 20 erhältlich.
Weitere Infos: buskersbern.ch