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Waren Sie schon mal in Dubai? Wohl kaum. Die grösste Stadt der Vereinigen Arabischen Emirate (VEA) ist vor allem für Wolkenkratzer, Kunstschneepisten und Luxus-Shopping bekannt. Der legendäre Reichtum des Wüstenstaates entspringt dem Öl. Die Emirate besitzen die sechstgrössten Ölvorräte der Welt und haben im Ländervergleich den viertgrössten Treibhausgasausstoss pro Kopf. Ausgerechnet hier findet in diesem Jahr die internationale Klimakonferenz COP 28 statt. Geradeso gut könnte man einen Vegetarierkongress in einer Metzgerei durchführen.
Nun sind auch die reichen Golfstaaten nicht vor den Folgen der Klimakrise gefeit. Fachleute gehen davon aus, dass ein ungebremster globaler Temperaturanstieg die gesamte Region bis 2100 unbewohnbar machen wird. Es drohen sengende Hitze, Sandstürme und ein um 5 Meter ansteigender Meeresspiegel. Das hat auch die Scheichs am Golf alarmiert. Sie bereiten sich mit riesigen Solaranlagen und grünem Wasserstoff auf das Ende des Ölzeitalters vor. Trotzdem wollen sie auf ihre Öl- und Gasgeschäfte nicht verzichten. Ihre Doppelzüngigkeit wird der COP 28 enorm schaden.
Immerhin wird an der diesjährigen Klimakonferenz endlich der «Schutz- und Schadensfonds» für die armen Länder des Südens konkretisiert. Denn ausgerechnet die Menschen, die am wenigsten zur globalen Klimaerhitzung beigetragen haben, sind heute am stärksten davon betroffen. Sie können sich keine Schutzmassnahmen leisten, so wie zum Beispiel die Stadt Bern mit ihrem Wasserbauplan. Im November haben hier ja über 80 Prozent der Stimmberechtigten den 149-Millionen-Franken-Kredit für den Schutz vor Aare-
Hochwasser gutgeheissen. Davon können Menschen in Pakistan, Haiti oder Nigeria nur träumen. Wollen sie ihre Dörfer, Städte, ihre Bauernbetriebe und Infrastrukturen vor Temperaturrekorden und Extremwetter schützen, brauchen sie die Hilfe der Länder, die ihnen die ganze Suppe eingebrockt haben. Dazu gehört auch die Schweiz mit ihrem globalen Finanz- und Rohstoffhandelsplatz.
Wie stark sich die offizielle Schweiz am «Schutz- und Schadensfonds» beteiligen wird, ist noch offen. Aber schon heute ist klar: Die Klima-Schulden unseres Landes sind gross. Rechnen wir neben den fossilen Investitionen von «Schweizer» Banken und Konzernen alles dazu, was wir an Klimabelastung mit dem Kauf von Mobiltelefonen, Turnschuhen, Fleisch, Baumaterialien, Textilien usw. in die Schweiz importieren, dann gehören wir zu den grossen Fischen. Viele Unternehmen haben das längst verstanden. Sie investieren beherzt in die Energiewende und die lokale Kreislaufwirtschaft. Auch wir Einzelne können viel bewegen, gerade jetzt, in der glitzernden Vorweihnachtszeit. Wir können entscheiden, ob wir uns nützliche, langfristige, nachhaltig produzierte Dinge unter den Tannenbaum legen – oder überflüssigen Wegwerfplunder aus China. Wir können entscheiden, ob wir uns Materialberge schenken oder vielleicht auch einfach mehr Zeit, Neugier und Grosszügigkeit. Mein Weihnachtsmotto heisst: Mehr menschliche Wärme statt heisse Luft aus Dubai.
Zur Person
Regula Rytz ist Historikerin und amtet als Präsidentin von Helvetas. Sie war Gemeinderätin der Stadt Bern, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen Schweiz.