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Mitte-rechts setzt zum Powerplay an

Die Finanzkommission des Grossen Rates will die Steuerstrategie stärker auf Gutverdienende ausrichten – und scheint damit bei der Parlamentsmehrheit durchzudringen. Für eine Überraschung sorgen könnte die Forderung nach einer Erbschaftssteuer.

| Fabian Christl | Politik
Im Berner Rathaus steht nächste Woche eine Steuerdebatte an.
Im Berner Rathaus steht nächste Woche eine Steuerdebatte an. Foto: zvg / Susanne Goldschmid

Nächste Woche debattiert das Kantonsparlament im Rahmen der Frühlingssession die «Steuerstrategie ab 2023». Bereits zeichnet sich ab: Die Debatte dürfte gehässig werden.

Das überrascht. Denn eigentlich schien es, als sei dem Regierungsrat mit der neuen Steuerstrategie ein Coup gelungen. Klar, die Ratsrechte hätte eine etwas ambitioniertere Gangart gewünscht. Und die Ratslinke lehnt Steuersenkungen ohnehin ab, weil wegen der Steuerprogression Haushalte mit hohem Einkommen überdurchschnittlich davon profitieren.

Doch die austarierte Vorlage sorgte zumindest dafür, dass ein Aufschrei ausblieb. So sieht die neue Strategie gewichtige Steueranlagensenkungen für natürliche und juristische Personen bis 2030 auf Niveau Mittelfeld der Kantone vor – und trug damit langjährigen Forderungen der bürgerlichen Parteien Rechnung.

Gleichzeitig sollte eine Glättung der Steuerprogression vor allem tiefe Einkommen entlasten. Dies, weil der untere Mittelstand im Kanton Bern schweizweit am stärksten besteuert wird. Ausserdem beteuerte die Kantonsregierung, dass die Steuersenkungen nicht mittels Sparprogrammen finanziert werden sollten. Damit nahm sie den Linken den Wind aus den Segeln, die in der Vergangenheit schon mehrfach Steuersenkungen zu verhindern wussten. 

Fiko schlägt Warnung in Wind

Die Finanzkommission (Fiko) liess sich aber von vergangenen Niederlagen nicht abschrecken. Eine Mehrheit der Fiko wollte trotz Warnungen der Kantonsregierung, damit die Mehrheitsfähigkeit der geplanten Steuersenkungen zu gefährden, eine Schippe drauflegen.

So formulierte die Fiko mehrere Planungserklärungen, die darauf abzielen, die Steuerstrategie stärker auf die Interessen der Gutverdienenden auszurichten. Konkret möchte sie Sparprogramme durchaus in Erwägung ziehen, um Steuersenkungen zu finanzieren. Zudem sollen Steueranlagensenkungen gegenüber der Entlastungsmassnahme für den unteren Mittelstand priorisiert werden – zeitlich wie auch betreffend der einzusetzenden Mittel, wie es in der entsprechenden Medienmitteilung heisst.

Wie eine Umfrage des «Anzeiger» bei den Parteien ergab, scheint die Fiko damit bei der Parlamentsmehrheit durchzudringen. Mitte und GLP geben auf Anfrage an, den beiden umstrittenen Planungserklärungen im Rahmen der Frühlingssession zustimmen zu wollen. Gemeinsam mit FDP und SVP verfügen sie über eine solide Mehrheit im Rat.

Reiche am Wegzug hindern

Für Fiko-Präsident und SVP-Grossrat Daniel Bichsel sind das gute Nachrichten. «Das Kantonsparlament kann dem Regierungsrat so signalisieren, dass dieser der Steueranlagensenkung ausreichende Priorität beizumessen hat», sagt er. Allerdings, so Bichsel, fordere die Fiko nicht explizit ein Sparprogramm. «Anders als der Regierungsrat sind wir aber gegen ein Denkverbot.»

Laut Bichsel drohten in der Steuerstrategie des Regierungsrats jene, die am meisten an das steuerliche Aufkommen beitragen, vergessen zu gehen. «Wenn wir Gutverdienende mit einer Steuersenkung vom Wegzug abhalten können, ist damit allen gedient.» Es gehe also darum, festzulegen, wo die Mittel für die Steuerentlastungen prioritär eingesetzt werden sollen.

Allerdings, selbst wenn die Planungserklärungen wie erwartet überwiesen werden, ist noch unklar, was sie überhaupt bewirken. Mitte-Fraktionschef Peter Gerber verweist etwa darauf, dass es bei der Steuerstrategie um die grundlegende Stossrichtung gehe. Ans «Eingemachte» gehe es dann bei der Budgetdebatte, wenn Steuersätze und Sparmassnahmen verbindlich festgelegt werden. «Wir sind sicher nicht bereit, einen sozialen Kahlschlag zu akzeptieren», sagt Gerber.

Dass aber wie von der Fiko verlangt mehr Geld in die Steueranlagensenkung als in die Glättung der Progression fliessen soll, erachtet Gerber als sinnvoll. «Fakt ist, dass alle Einkommensklassen von einer Steueranlagesenkung profitieren, auch die tieferen Einkommen», richtet er aus.

Gerber verweist ausserdem auf die grosse Anzahl an Personen, die im Kanton Bern arbeiten, aber in einem steuergünstigeren Nachbarkanton wohnen. Gerade in «Grenzregionen» sei es schwer vermittelbar, dass (Kader-)Angestellte im Kanton wohnen sollten, wenn sie im angrenzenden Kanton, der vielleicht nur über eine kurze Fahrt erreichbar sei, deutlich weniger Steuern bezahlten. «Steuersenkungen im Kanton Bern können somit mehr als kompensiert werden!»

Gerber widerspricht damit einem Expertengutachten, das der Kanton in Auftrag gab. Demnach führen im Kanton Bern steuerliche Entlastungsmassnahmen bei den natürlichen Personen zu praktisch gleich hohen Einnahmeausfällen.

Offen ist ausserdem, wie sich die GLP in den kommenden Budgetdebatten verhalten wird. Ende 2023 betonte die Partei, Steuersenkungen nur zu akzeptieren, wenn diese ohne Sparmassnahmen finanzierbar seien. Doch wieso unterstützt sie nun eine Planungserklärung, die explizit verlangt, Sparmassnahmen zur Finanzierung von Steuersenkungen zu berücksichtigen?

Wie Fiko-Mitglied und GLP-Grossrat Tobias Vögeli ausführt, erhofft er sich von der Planungserklärung, dass der Regierungsrat künftig bei Steuerdebatten aufzeigt, was Sparprogramme für Folgen hätten, um die Mehrheit dazu zu bewegen, Leistungsabbau abzulehnen. «Der Kanton muss seine Aufgaben wahrnehmen können. Nur wenn dann noch Geld übrig bleibt, kann man dieses für Steuersenkungen einsetzen – daran halten wir fest.» 

Riesen: «Politik für Reiche»

Bei der Ratslinken stösst Vögeli mit dieser Argumentation nicht durch – im Gegenteil. «Mitte-rechts hat wieder einmal eindrücklich bewiesen, dass sie eine Politik für die Reichen machen und nicht für die, die es am meisten nötig hätten», sagt Fiko-Mitglied und sozialdemokratische Grossrätin Maurane Riesen.

Sie wird im Rat mehrere Minderheitsanträge vertreten. Sie verlangen etwa, dass Steuerabzüge durch Gutschriften ergänzt werden, dass eine Erbschaftssteuer auch für Nachkommen eingeführt und über die Schaffung einer progressiven Umweltsteuer nachgedacht wird. «Uns ging es darum, aufzuzeigen, wie eine soziale Steuerstrategie aussehen könnte», sagt Riesen.

GLP fordert Erbschaftssteuer

Während die meisten dieser Vorschläge kaum Aussichten auf Erfolg haben dürften, erhält die Forderung nach einer Erbschaftssteuer unerwarteten Sukkurs von der GLP. In einer Mitteilung von Montag kündigte die Partei einen Vorstoss an, der die Einführung einer solchen auch für Nachkommen fordert. Der GLP schweben Freibeträge bis 10 Millionen Franken vor, damit kleinere und mittlere Vermögen, aber auch KMU weiterhin steuerfrei vererbt werden können, wie es in der Mitteilung heisst. Die zusätzlichen Einnahmen sollen für eine Senkung der Einkommenssteuern eingesetzt werden. Tobias Vögeli meint dazu: «Wenn ich etwas erarbeite, muss ich darauf hohe Einkommenssteuern bezahlen. Wenn ich aber das Glück habe, in eine sehr reiche Familie geboren zu werden, muss ich keine Steuern zahlen. Leistung wird also besteuert, Glück nicht. Das sollte genau umgekehrt sein.»

Klar ist, FDP und SVP lehnen den Vorstoss ab. «Die Leute denken bei Vermögen fälschlicherweise immer an Bargeld oder Geld, das auf der Bank liegt», sagt FDP-Fraktionschef Carlos Reinhard. Allerdings sei ein grosser Teil des übrigens bereits einmal versteuerten Geldes in Firmen investiert. «Es kann nicht sein, dass wir mit einer Erbschaftssteuer Familien in Bedrängnis bringen und sie sogar ihre Firmen verkaufen müssen.»

Ob der Vorstoss eine Mehrheit findet, hängt aber massgeblich von der Mitte ab. Wie sich die Partei zu dieser Frage positioniert, ist allerdings offen. Fraktionschef Gerber wollte sich auf Anfrage dazu nicht äussern. 

Weitere wichtige Geschäfte der Frühlingssession

 

Seit Montag findet im Berner Rathaus die Frühlingssession statt. Sie dauert bis am Donnerstag, 14. März. Die Traktandenliste umfasst 116 Punkte. Die wichtigsten Geschäfte:

    • Debattiert wird die Solar-Initiative der Grünen. Offen ist vor allem, ob sich der Rat auf einen Gegenvorschlag einigen kann. Die zuständige Kommission hat gleich zwei Vorschläge verworfen, worauf der Regierungsrat noch eine dritte Variante ausgearbeitet hat.
    • Ebenfalls traktandiert ist das Moutier-Konkordat. Es regelt die Modalitäten des Kantonswechsels von Moutier. Die Kantonsregierungen von Jura und Bern haben das Papier bereits im November 2023 unterzeichnet. Die Volksabstimmung ist für September vorgesehen. 
    • Der Grosse Rat befindet ausserdem über eine Totalrevision des Gemeindefusionsgesetzes. Es sieht eine zusätzliche finanzielle Unterstützung kleiner Gemeinden vor, wenn sie sich mit einer Zentrumsgemeinde zusammenschliessen. 
    • Schliesslich steht die umstrittene Umwandlung des Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamts in eine öffentlich-rechtliche Anstalt zur Debatte. Die vorberatende Kommission empfahl Rückweisung. 

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