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Die SP hatte es Anfang Jahr angekündigt: Stephan Lack (FDP) soll nicht still gewählt werden. Nun hat sie geliefert. Ins Rennen um das Gemeindepräsidium in Berns steuergünstigster Agglomerationsgemeinde schickt sie Jan Köbeli. Köbeli sitzt seit Anfang Jahr für die SP im Gemeindeparlament von Muri und ist auch im Parteivorstand. Er ist ehemaliger Banker und heute als Berufsschiedsrichter für den Schweizerischen Fussballverband tätig.
Stephan Lack ist erst seit einem Jahr im Amt. Die ungeschriebenen Gesetze von Muri würden ihm in diesem Fall eine stille Wahl zugestehen. Dass dieses «Gesetz» gebrochen wird, dürfte weniger mit seiner Politik als mit seinen persönlichen Schwierigkeiten zusammenhängen.
Skandale nach der Wahl
Als es 2022 um die Nachfolge seines langjährigen Vorgängers und Parteikollegen Thomas Hanke ging, gewann Lack nach einem harten Wahlkampf gegen Gabriele Siegenthaler vom «Forum». Kurz nach Amtsantritt wurde bekannt, dass er sowohl in seinen privaten wie auch in den Finanzen seiner Uhrenfirma, gelinde gesagt, etwas Unordnung hatte. Wegen einer nicht bezahlten Krankenkassenrechnung wurde kurzzeitig der Konkurs über ihn verhängt, und seine Firma liess Zulieferer monatelang auf ihr Geld warten.
Dazu sei mittlerweile alles gesagt, sagt SP-Präsident Angelo Zaccaria und bestreitet, dass diese Verfehlungen den Anstoss gegeben hätten zum Angriff der SP. «Aber es ist natürlich bekannt und nun muss die Wählerschaft entscheiden, wie sie damit umgeht.»
Primärer Hoffnungsgeber der SP sei nicht die Arbeit des Amtsinhabers oder eine Kritik an ihm, sondern die Ergebnisse der nationalen Wahlen. Dort hatten der SP in Muri im letzten Herbst nur wenige Stimmen gefehlt, um die FDP als stärkste Kraft abzulösen.
Forum hält sich bedeckt
Auch Köbeli selber betont, mit der Kandidatur wolle man in erster Linie eine stille Wahl verhindern. Punkten wolle er mit seinem beruflichen Hintergrund, also der Finanzkompetenz als Bankkaufmann, und mit den Soft Skills aus seiner Tätigkeit als Schiedsrichter-Ausbildner. «Als Schiedsrichter habe ich Führungserfahrung und mir sind Fairplay und eine offene Kommunikation sehr wichtig. Zudem kann ich Entscheide unter Druck fällen und gut mit Kritik umgehen.»
Die Kandidatur der SP ist kein gemeinsames Projekt der Mitte-Links-Parteien. Die Unterstützung der Grünen, die sich immer klar gegen eine eigene Kandidatur geäussert haben, hat Köbeli aber wohl, auch wenn der offizielle Entscheid der Partei noch nicht gefallen ist. Auch die SVP hat sich bereits positioniert und wird Stephan Lack auch bei der kommenden Wahl wieder unterstützen.
Die Mitte-Parteien Forum, EVP und Mitte lassen sich dagegen noch nicht in die Karten blicken. Anfragen des «Anzeigers» beim Forum waren bis Redaktionsschluss nicht erfolgreich. Gegenüber «Bund» und «Berner Zeitung» gab sich Forum-Wahlkampfleiterin Patricia Messerli bedeckt. Die Strategie für die Gemeindewahlen ist demnach Thema in der nächsten Fraktionssitzung.
Keine Kandidatur stellen wird die Mitte Muri-Gümligen, die heuer zum ersten Mal zu den Gemeinderatswahlen antritt. Man werde auch keinen der Kandidaten unterstützen oder empfehlen, sagt Parteipräsident und Gemeinderatskandidat Gjem Adam Zekaj auf Anfrage. Zu den Gründen für diesen Entscheid wollte er sich nicht äussern.
Bleibt es bei Lack und Köbeli als Kandidaten, wird der neue Gemeindepräsident von Muri am 9. Juni feststehen. Steigt eine weitere Person ins Rennen, ist ein zweiter Wahlgang wahrscheinlich.
FDP unter Druck
Amtsinhaber Stephan Lack wurde erst vor wenigen Tagen von seiner Partei offiziell nominiert. Laut Parteipräsident Johannes Matyassy geschah dies mit grossem Applaus. Überrascht sei er nicht deswegen, schreibt Lack auf Anfrage. Die Unterstützung durch Parteivorstand und Fraktion sei ausser Frage gestanden. Auch dass er überhaupt herausgefordert wird, nehme er sportlich. Nun könne die Stimmbevölkerung entscheiden, ob sie mit seiner Amtsführung zufrieden sei. «Ich bin da sehr optimistisch.»
Für die FDP Muri, aber auch für die Kantonalpartei, wäre die Abwahl Lacks ein weiterer Tiefschlag auf dem Weg nach unten. Nicht nur in Muri verlor sie im letzten Herbst Stimmen. Sie musste auch einen ihrer beiden Nationalratssitze abgeben und ist nun in der Delegation aus dem Kanton Bern nur noch mit Christian Wasserfallen vertreten. Eine Niederlage in Muri mit seiner gut situierten und traditionell bürgerlichen Wählerschaft wäre für die Partei schmerzhaft.
«Es geht hier um eine Gmeindewahl», sagt Lack dazu. «Ich verspüre da keinen zusätzlichen Druck.»