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«Es käme zu weniger Gewalt, wenn sich Opfer zu wehren wüssten»

SVP-Grossrat Mathias Müller möchte Schüler mittels Kampfsport wehrhafter machen. Gewaltfrei leben sei gut, aber im Fall der Fälle müsse man sich Angreifern entgegenstellen.

| Fabian Christl | Politik
Mathias Müller. Foto: zvg
Mathias Müller. Foto: zvg

Herr Müller, Sie wollen Kampfsport in den obligatorischen Schulunterricht integrieren. Ist das Ihr Ernst?

Ja. Ich bin der Überzeugung, dass es zu weniger Gewalt käme, wenn die potenziellen Opfer sich besser zu wehren wüssten.

Man sollte doch die Kinder lehren, Konflikte gewaltfrei auszutragen, und nicht, sich besser zu prügeln.

Lassen Sie mich Ihnen eine philosophische Antwort geben: Nur wer in der Lage ist, Gewalt anzuwenden, kann sich auch als Pazifist bezeichnen. Sonst findet ja kein Verzicht auf Gewalt statt. Aber verstehen Sie mich nicht falsch. Ich halte gewaltfreie Ansätze für äusserst wichtig.

Aber?

Sie scheinen nicht auszureichen. Wir versuchen seit rund 40 Jahren, Gewalt mit deeskalierenden Massnahmen und Gesprächen zu verhindern. Trotzdem wird in den letzten Jahren gerade an Schulen wieder eine Zunahme von Gewalt beobachtet. Deshalb braucht es andere Methoden als Ergänzung.

Und da denken Sie an Kampfsport?

An Kampfsport oder an Selbstverteidigung. Wenn ein Mädchen etwa weiss, wie sich zu verteidigen, strahlt es mehr Selbstbewusstsein aus und wird weniger leicht zum Opfer – gerade weil sich die Täter ja meist schwache Personen aussuchen. Es geht aber auch um Zivilcourage. Wenn ich weiss, wie ich reagieren soll, kann ich bei Auseinandersetzungen besser eingreifen.

Sie schreiben in ihrer Motion, die Erfahrung zeige, dass Jugendliche weniger gewalttätig würden, wenn sie ihre Energie im Rahmen von Kampfsport auslebten. Auf was für Erfahrungen beziehen Sie sich?

Wer selber Kampfsport gemacht hat, weiss, was für eine Wirkung seine Schläge haben – und auch wie es ist, selber geschlagen zu werden. Man geht dann anders damit um. Man lernt auch, den Gegner mit Respekt zu behandeln. Bei Auseinandersetzungen an Schulen sieht man häufig, dass sich die Opfer hinknien und die Prügel einfach über sich ergehen lassen. Das ist die denkbar schlechteste Reaktion.

Das mag logisch tönen. In der Realität ist es aber so, dass viele Kriminelle Kampfsport-erprobt sind. Von strukturellen Verbindungen der Kampfsportszene und kriminellen Gruppierungen ganz zu schweigen.

Es kann sein, dass Leute mit einem Hang zur Gewalt sich vom Kampfsport angezogen fühlen. Aber es ist sicher nicht so, dass die Leute kriminell werden, weil sie Kampfsport betreiben. Man hat etwa gute Ergebnisse erzielt, indem man versucht hat, Jugendliche mit Kampfsport von der Strasse zu ­holen.

Laut Mitteilung der SVP steht Ihr Vorstoss im Zusammenhang mit der Sicherheitslage, die sich aufgrund internationaler Konflikte offenbar verschlechtert hat. Können Sie das ausführen?

In unserem Land leben Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Es ist daher völlig normal, wenn sich gewisse Konflikte auf einem Mikrolevel auch bei uns auswirken. Nehmen Sie das Beispiel Israel/Palästina. Seit der Konflikt entbrannt ist, haben Angriffe auf jüdische Schülerinnen und Schüler zugenommen. Viele getrauen sich gar nicht mehr in die Schule, aus Angst, ­geschlagen zu werden.

Aber gerade in Ihrem Beispiel zeigt sich, dass die Aggressoren ja aus Kulturkreisen stammen, in denen Gewaltfreiheit in der Pädagogik eine untergeordnete Rolle einnimmt. 

Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu klischiert wird. Sozio-ökonomische Faktoren und andere Gründe können auch eine Rolle spielen, wenn es zu Gewalt kommt.

Einverstanden. Was ich sagen will: Der Fokus auf Gewaltfreiheit hat sich insgesamt bewährt. Die westliche Gesellschaft ist friedlicher geworden.

Ja – und das ist auch zu begrüssen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht schwach werden. Fortschrittliche Werte müssen auch verteidigt werden können. Man kann noch so moralisch, wissen­schaftlich und gewaltfrei sein – wenn dann ein Barbar kommt und alles niederschlägt, muss man sich dem entgegenstellen.

Zur Person:

 

Mathias Müller ist Berufsoffizier und arbeitet im Stab des Chefs der Armee. Zuvor amtete er als Rekrutierungschef.

Müller hat drei erwachsene Kinder und schon mehrere Bücher veröffentlicht. Er lebt in Orvin. 


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