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So schlägt sich die Grüne im Machoclub
Brigitte Hilty-Haller boxt und amtet dabei auch als Ring- und Punktrichterin. Dass sie sich damit in einem ganz anderen Umfeld bewegt als im Berufsalltag, fasziniert sie, beschäftigt sie sonst aber nicht weiter. «Ich suche nicht nach dem, was uns trennt.»
Am Anfang dieses Artikels standen ganz viele Vorurteile: Boxer, oder überhaupt Kampfsportler, sind rechts, Machos, potenziell gewalttätig. Und die Frage: Wie ist es, sich als linke Politikerin in diesem Umfeld zu bewegen?
Im Gespräch zeigte sich: So gross ist dieser Widerspruch nicht. In erster Linie ist das Boxen im Boxclub Bern für die Grüne Brigitte Hilty-Haller ein faszinierender Sport. Ein Hobby, für das sie durchaus in eine fremde Welt eingetaucht ist und das auch geniesst. Aber nicht eine Welt, in der sie den Widerspruch sucht oder auch fürchtet.
Die Politikerin
Hilty-Haller sass mehrere Jahre für die Grüne Freie Liste (GFL) im Berner Stadtrat und ist seit 2022 Grossrätin und Co-Präsidentin der Grünen Kanton Bern. Als politische Schwerpunkte nennt sie auf ihrer Website unter anderem Gleichstellung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie ist gelernte Kindergärtnerin, war später Berufsschullehrerin und arbeitet heute für eine Werbe-und Kommunikationsfirma. Nebenbei ist sie lizenzierte Ring- und Punkterichterin für olympisches Boxen und Mitglied der Ethikkommission von Swissboxing.
«Politik ist beim Boxen kein Thema», sagt sie. Von den meisten Boxern oder Boxerinnen bekomme sie gar nicht mit, wo sie politisch stehen. «Es gibt sicher Rechte bei uns. Aber ich habe die Grundhaltung, dass ich mit allen im Austausch sein will. Auch wenn jemand anders denkt als ich, kann ich die Person mögen. Solange sie nicht verletzend ist oder gegen andere hetzt. Das Boxen ist das, was uns verbindet, und ich suche nicht nach dem, was uns trennt.» Auf ihre Politkarriere angesprochen werde sie nie. «Höchstens mal: Ich habe dich in der Zeitung gesehen.»
Und die Machokultur? «Swissboxing ist grossmehrheitlich ein Männerclub. Es ist ein wenig wie im Militär, wenn Männer unter sich sind. Aber ich habe persönlich nicht so ein Problem mit Männerclubs. Ich setze mich mit an den Tisch und hatte noch nie das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Ich muss hier nicht das System verändern und auch nicht die Geschichte umschreiben. Das Boxen war nun mal lange ein ausschliesslich männlicher Sport. Die Anzahl boxender Frauen nimmt aber stetig zu.»
Was Hilty-Haller aber auch betont: «Boxen ist eine der diversesten Sportarten, die es gibt. Bei uns im Club gibt es alles: Bauarbeiter, Lebemenschen, Künstlerinnen und ganz viele Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist auch kein teurer Sport. Man braucht Boxhandschuhe, Bandagen für die Hände und einen Mundschutz, fertig.»
Fairnessregeln
Was schliesslich die Gewalt angeht, ist sie überzeugt: «Es ist besser, die Leute kämpfen im Ring, mit klaren Fairnessregeln, als dass sie sich auf der Strasse prügeln.» Zwar gebe es Geschichten von Boxern, die in Strassenkämpfe verwickelt waren, die seien aber sehr selten. «Bei allen Kampfsportarten gilt: Das Können ausserhalb des sportlich legitimierten Rahmens anzuwenden, ist unsportlich. Diesen Kodex müssen die Clubs mitgeben.»
Ganz ohne ist aber, bei allen Fairnessregeln, auch das Geschehen im Ring nicht. Immerhin schlagen sich die Boxer und Boxerinnen ins Gesicht, da fliesst auch mal Blut oder brechen Nasenbeine. Wie ist das mit einer pazifistischen Haltung vereinbar, wie sie die Grünen mehr als alle anderen politischen Parteien transportieren? «Es ist nicht so, dass es mir gefällt, wenn Blut fliesst. Aber Faustkampf ist etwas Faszinierendes. Im Ring geht man anders um mit Nähe und Distanz. Man kann sich auch nicht verstecken und muss sich ganz in die Situation reingeben. Es ist ein sehr ehrlicher und direkter Sport.»
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«Wenn es draussen 20 Grad warm ist, kaufen sich die Leute keine Wintermäntel»
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