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Einer, der zuhört und die Leute «gschpürt»

Trotz Kritik an seinem Schweigen zur Fusionsfrage sitzt der parteilose Gemeindepräsident von Ostermundigen Thomas Iten fest im Sattel. In seiner vierten Amtszeit werden aber ein paar harte Brocken auf ihn warten.

| Anina Bundi | Politik
Thomas Iten (parteilos) will Gemeindepräsident von Ostermundigen bleiben. Foto: Nik Egger
Thomas Iten (parteilos) will Gemeindepräsident von Ostermundigen bleiben. Foto: Nik Egger

«Weiterlaufen lassen. Er hat schon viel geschafft und ist offensichtlich noch nicht müde», so der Kommentar von Ueli Steiner, Co-Präsident der SVP Ostermundigen, zu Gemeindepräsident Thomas Iten (parteilos), nachdem dieser seine Kandidatur für eine vierte Amtszeit bekannt gegeben hat. Auch sonst ist seitens politischer Parteien fast nur Gutes zu hören über Iten: Er packe Dinge an, sei 24 Stunden am Tag und 7 Tage pro Woche verfügbar, er sei gut vernetzt, schnell im Erfassen von Sachverhalten, könne gut zuhören, rede mit allen und finde dadurch mehrheitsfähige Lösungen. «Überall, wo er war, übernahm er den Lead», sagt Ernst Synes, Leiter der Ortssektion der «Mitte», der mit Iten befreundet ist, seit sie Kinder waren.

In diesem Lob erkenne er sich wieder, nickt Iten. «Neugierig», fügt er noch als Eigenschaft hinzu. Und er habe «das Gschpüri dafür, was die Leute beschäftigt». Dieses wird er noch mehrmals erwähnen im Gespräch mit dem «Anzeiger». Dass diese Qualität auch eine Kehrseite hat, sagt Adrian Tanner, Präsident der Grünen Ostermundigen: «Bei Iten fehlen mir manchmal eigene Positionen. Er richtet sich etwas nach dem Wind.»

Schweigen vor der Abstimmung

Der grösste Vorwurf ist denn auch, dass er in einem wichtigen Moment für die Gemeinde still blieb. Als das Mundiger Stimmvolk im letzten Herbst über die Fusion mit Bern entschied, gaben der Gemeinderat und der Gemeindepräsident keine Empfehlung ab. Er sei es aber gewesen, so sagt er es selber, «der am Karren gerissen hat, sonst wäre es gar nicht bis zur Abstimmung gekommen». Sich nicht zu positionieren, sei ein Mehrheitsentscheid gewesen im Gemeinderat und habe nichts damit zu tun, dass er wiedergewählt werden wolle, wie das einige Medien suggerierten. Auch sei die Fusion mit über 57 Prozent so deutlich abgelehnt worden, dass die Neutralität des Gemeinderats wohl nicht entscheidend war für das Resultat. 

«Das ist kein Thema mehr», sagt Iten heute zur Fusionsgeschichte. Nur die Abrechnung des Projektkredits stehe noch bevor. «Wie es aussieht, haben wir nicht einmal die Hälfte der 590 000 Franken gebraucht.» Die Finanzen – für Ostermundigen ein schwieriges Thema. Für das laufende Jahr ist ein Defizit von über 2,6 Millionen vorgesehen. «Iten hat viele schöne Strategien und Visionen, ob sie dann auch umgesetzt werden, wird sich zeigen», kritisiert Kathrin Balmer, Präsidentin der SP Ostermundigen. Zwar gebe es eine «Finanzstrategie», diese habe aber bis jetzt nichts an den Zahlen verändert. Dem widerspricht Iten nicht. «Die Finanzstrategie ist ein Instrument, damit wir besser abschätzen können, wie sich die Gemeinde aus finanzieller Sicht entwickelt.» Nachdem sie seit fünf Jahren existiere, sei nun bald Zeit, Bilanz zu ziehen. «Aber ja, wir sind noch nicht über den Berg.»

«Zu viel Billigst-Wohnraum»

Ansetzen will Iten unter anderem beim Bevölkerungsmix. In Ostermundigen gibt es, anders als in der Stadt Bern, noch günstigen Wohnraum. «Ein kontroverses Thema», sagt er auf die Frage, was der Gemeinderat tut, um diesen zu erhalten. «Wir haben zu viel Billigst-Wohnraum», ist er nämlich überzeugt. Um bessere Steuerzahler anzuziehen, seien andere Wohnungen nötig. «Eine gute Balance» brauche es. Deshalb habe der Gemeinderat etwa auf dem Tell-Areal ein Stück Land zu einem marktüblichen Baurechtszins abgegeben. Bei der zukünftigen Tramschlaufe dagegen habe man sich für einen günstigen Baurechtszins entschieden, damit die gebauten Wohnungen nicht zu teuer würden.

Das Tram ist nur eines der Projekte, um die sich Iten kümmern muss, falls er im Herbst wiedergewählt wird. Und eher nicht das komplizierteste: Abgestimmt ist, Anfang Juli ist Baustart. Eine härtere Nuss wird wohl die Ortsplanungsrevision. Zwar wurde die «Räumliche Entwicklungsstrategie» im Gemeindeparlament einstimmig angenommen. Die bauliche Grundordnung, dazu gehören die Zonenpläne und das Baureglement, geht aber erst im Mai in die öffentliche Mitwirkung, die Volksabstimmung über die Gesamtrevision «O’mundo» ist frühestens 2026. Vorgesehen ist, vor allem entlang der Bernstrasse zu verdichten. Bis zu sechs Vollgeschosse hoch soll man hier inskünftig bauen können. Heute sind je nach Abschnitt bis zu vier Geschosse erlaubt. Das Gesicht der Bernstrasse wird sich damit verändern und städtischer werden. Das ist nicht unbedingt, was die Ostermundigerinnen und Ostermundiger wollen, wenn man das Nein zur Fusion als Gradmesser nimmt. Er habe ein gutes Gefühl und sei gespannt auf möglichst viele Rückmeldungen aus der Mitwirkung, auch zu den kontroversen Punkten, sagt Iten aber. Angst, zu scheitern, habe er jedenfalls nicht. «Aber grossen Respekt.» Auch auf die Wahlen im September freue er sich. Ob er herausgefordert wird, ist noch nicht klar. Die Mitte, die SVP, die FDP und die GLP werden ihn, Stand heute, ziemlich sicher unterstützen und keine eigene Kandidatur aufbauen. «Er ist der Richtige, um die laufenden Themen weiterzubegleiten und umzusetzen», sagt etwa FDP-Vizepräsident Tobias Weibel. 

Nur die SP greift vielleicht an

Einzig die SP ist noch unentschlossen. «Er hat sich etwas gar lange Zeit gelassen mit einer Ansage», moniert Parteipräsidentin Balmer. «Für die Parteien wäre es angenehmer, früher Bescheid zu wissen. So eine Kampagne ist aufwendig.» Das Verhältnis zwischen Iten und der SP ist kompliziert. Vor seiner Wahl als Gemeindepräsident 2012 sass Iten für die SP im Gemeinderat, trat dann aber im letzten Moment aus der Partei aus und eroberte als wilder Kandidat, unter anderem gegen einen SP-Mann, das Präsidium. Seither wurde er einmal still wiedergewählt und 2020 von der SP herausgefordert. Chancenlos. Davon, dass Iten so fest im Sattel sitzt, wolle man sich aber nicht abhalten lassen, sagt Balmer.  «Dass es keine stille Wahl gab, sorgte dafür, dass der Wahlkampf insgesamt stärker wahrgenommen wurde.» Das habe vermutlich dazu beigetragen, dass die SP bei den Parlamentswahlen zwei Sitze hinzugewinnen konnte.

«Ich kann schlecht Nein sagen», nennt Iten als eine seiner Schwächen. Was auch mit seiner grenzenlosen Neugierde zusammenhänge. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche verfügbar; das ist das Stichwort für die Frage, die alle Gemeindepräsidenten beantworten müssen, die mit der Autorin dieses Texts sprechen. Wann hat Thomas Iten Zeit für seine Frau und die beiden Kinder im Teenageralter? «Sie wissen, dass Gemeindepräsident kein Nine-to-five-Job ist. Und wir haben Rituale», so Iten. «Wir essen immer zusammen Zmorge, gehen zusammen in die Ferien und ich versuche, alle Matches und Konzerte meiner Söhne zu besuchen.» Ausserdem gehe die Familie manchmal bewusst ausserhalb von Ostermundigen einkaufen, damit er nicht dauernd angesprochen werde. Obwohl er gerade diese Gespräche auf der Strasse und an der Migros-Kasse sehr schätze. «Man spürt dann, was die Leute beschäftigt.» 


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