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Peter Stämpfli: Natur ist, was uns passt

Sind Katzen mehr Natur als Insekten? Warum gefährden wir mit unseren Besuchen genau jene Tiere, die uns so wertvoll erscheinen? Und überhaupt: Wie sollen wir unsere Freiheiten nützen? «Anzeiger»-Kolumnist
Peter Stämpfli macht sich Gedanken über Grundsätzliches.

| Peter Stämpfli | Politik
Peter Stämpfli.Foto: zvg
Peter Stämpfli.Foto: zvg

Die nachdenklich stimmende Kolumne von Regula Rytz vom 5. Juni über die Störche in Bern hat in mir erneut einen Gedanken angestossen, der mich seit Langem nicht loslässt. Vor einiger Zeit habe ich in einer sda-Mitteilung gelesen: «Mit Geschäftsideen, die der Natur erste Priorität einräumen, könnten Geschäfte im Wert von gut zehn Billionen Dollar realisiert werden.» Eindrücklich! Was aber heisst Natur, und was erste Priorität? Natur ist ein mehrdeutiger Begriff und unser Umgang mit ihr widersprüchlich. 

«Leben im Einklang mit der Natur» ist erstrebenswert; schränkt es mich ein, ist es mit der ersten Priorität vorbei. Die Natur kann gefährlich sein, das wussten unsere Vorfahren. Barcelona, Lima, Tokio und andere Städte wurden nicht unmittelbar ans Meer gebaut oder dann an eine Bucht, die vor Fluten und Winden schützt. Heute verdrängen wir das Bedrohliche der Natur. Die Gebirgswelt begehen wir mit funktionaler Bekleidung, bis die Rega uns holt. Wir sind auf Distanz zur Natur, wir schauen von aussen auf sie. Wir wollen sie im Griff haben. Corona hatten wir nur beschränkt im Griff. Doch auch Viren sind Natur, wie Amöben, die Würfelqualle oder das Altern unseres Körpers. 

Die meisten interessieren sich mehr für Katzen als für Insekten. Deren Rückgang aber bedroht das auf dieser Welt wichtige Gleichgewicht. Was uns an der Natur nicht passt, beseitigen wir oder versuchen, es technisch zu beherrschen. Natur soll sein, wie wir sie uns wünschen. Der Bund wusste einmal zu berichten: «Im Dezember wurde eine Pflegerin von einem Krokodil in die Hand gebissen, doch sie überlebte. Das Krokodil wurde erschossen.» Das war für die Pflegerin eine glückliche Wendung, für das Krokodil weniger. Wie Tiere sich zu benehmen haben, bestimmen wir Menschen. Auch den Taifun würden wir mässigen, wenn wir könnten. Dazu passt, wie wählerisch wir sind: Wir schützen den «prachtvollen» Tiger, doch die «hässliche», bedrohte Spinnenart interessiert uns nicht. 

Eine Mutter sagte: «Ich reise mit den Kindern auf die Galapagosinseln, solange ich sie ihnen noch zeigen kann.» Wir besuchen das urtümlich Schöne. Wir erleben es als wertvoll und gefährden es. Für uns Menschen ist die Natur wunderbar, wenn sie uns nützt. Wir wollen die Natur beherrschen, um sicher zu leben. Doch es ist längstens Zeit, uns zu hinterfragen, mit welchen Mitteln und in welchem Ausmass wir dies dürfen, um nicht uns selbst und anderen zu schaden. Das Hinterfragen beginnt bei mir selbst. Wie beeinflusst mein Verhalten die Natur: meine Einkäufe, meine Mobilität, meine Lichtverschmutzung, meine Abfälle, meine Kleidung? Darf ich alles, was ich wünsche und was mir möglich ist? Erste Priorität kann bedeuten, vor dem Handeln den Nutzen für die und den Schaden an der Natur vor Augen zu haben, und nicht zuerst mein Ego zu befriedigen. Ich kann freudvoll leben und mich schützen, ohne die Natur nachhaltig zu gefährden.

Zur Person:

Peter Stämpfli leitet zusammen mit seinem Bruder die Stämpfli-Gruppe, Verlags- und Kommunikationsunternehmen, in Bern. Er engagiert sich für wirtschafts- und ­sozialpolitische Anliegen, u. a. als Präsident der Unternehmergruppe Fokus Bern.


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