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Kampagne gegen staatliche Konkurrenz zeigt Erfolge
Der Druck der Wirtschaftsverbände wirkt: Das nationale Parlament fordert nun klare Regeln für staatsnahe Betriebe. Nationalrat und GLP-Präsident Jürg Grossen möchte einen Schritt weiter gehen und Bundesbetriebe weg von Bern in andere Regionen verlagern.
Bern beherbergt als Kantonshauptstadt und Bundesstadt eine Vielzahl von staatlichen oder staatsnahen Einrichtungen und Unternehmen. Es überrascht daher wenig, dass gerade Berner Wirtschafts- und Branchenverbände bei der Arbeit solcher Betriebe genauer hinschauen. Im Mai 2017 lancierte der kantonale Gewerbeverband Berner KMU die öffentliche Kampagne «Fair ist anders». Unterstützung findet sie von zahlreichen Berner Branchenverbänden und ist mittlerweile über die Kantonsgrenzen hinaus aktiv.
Immer mehr Unternehmen der öffentlichen Hand würden zu direkten Konkurrenten der Privatwirtschaft, ist auf der Kampagnen-Webseite zu lesen. Beispielsweise mit neuen Dienstleistungen oder durch Firmenübernahmen. Zudem würden sich öffentliche Unternehmen im Wettbewerb dank hoher Kapitalkraft mit überhöhten Kaufpreisen und zu tiefen Angebotsofferten gegen private Gewerbe durchsetzen.
Analog zur Kampagne existiert seit 2021 eine gleichnamige parlamentarische Gruppe, die rund 30 Mitglieder im National- und Ständerat zählt. In deren Co-Präsidium nehmen gleich zwei Nationalräte aus dem Kanton Bern Einsitz: Der Direktor des Gewerbeverbandes Berner KMU Lars Guggisberg (SVP) und Jürg Grossen (GLP).
Wirtschaftsstandort Bern entspannen
Grossen erhielt mit zwei Vorstössen, die sich mit Wettbewerbsverzerrung durch staatliche und staatsnahe Betriebe auseinandersetzen, jüngst Unterstützung aus dem Nationalrat. Dieser nahm entgegen der Empfehlung des Bundesrates im März eine Motion Grossens an, die auf eine Eindämmung unfairer Konkurrenz durch Bundesbetriebe abzielt.
Zudem fordert Grossen in einer parlamentarischen Initiative (Paiv), gesetzlich festzulegen, welche Leistungen Bundesunternehmen im Wettbewerb mit Privaten einbringen dürfen: Das Parlament soll definieren, welche Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zu schaffen sind. Zu diesem Vorstoss sagten die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben von National- und Ständerat bereits Ja. Wann das Parlament die Paiv berät, ist noch offen.
Verlagerung in andere Regionen
Die Paiv führe idealerweise dazu, dass der Staat sich auf die Grundversorgung konzentriere, erklärt Grossen auf Anfrage. Staatliche Unternehmen sollen demnach keine Leistungen mehr im freien Markt anbieten. Auf den Wirtschaftsstandort Bern habe eine solche Regelung ebenfalls Auswirkungen: «Sie kann mindestens dazu beitragen, die Konkurrenzsituation für Privatunternehmen und KMUs in Stadt und
Region Bern zu entspannen.»
Neben den in der Initiative vorgeschlagenen Massnahmen könnten zusätzliche Schritte dazu dienen, in der Wirtschaftsregion Bern einen fairen Wettbewerb zu garantieren: «Eine Möglichkeit wäre, die Standortpolitik staatlicher und staatsnaher Betriebe zu überprüfen und anzupassen», nennt Grossen als Beispiel. Einrichtungen, die keine direkte Nähe zur Bundesverwaltung erfordern, könnte man in andere Regionen verlagern. Das würde die Konzentration in der Region Bern verringern, hält der Nationalrat aus Frutigen fest.
Mit der Post und den SBB in Bern sowie der Swisscom in Ittigen haben gleich drei bundesnahe Unternehmen ihren Sitz in der Region Bern. Die Post machte in der Vergangenheit mit ihrem Strategiewechsel und einer damit verbundenen Expansion Schlagzeilen: Gemäss Medienberichten vom Oktober 2023 hat das Service-Public-Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 28 Firmen aufgekauft. Auch die Swisscom erschloss in der Vergangenheit mit dem Kauf und Bau von Kinos neue Märkte für sich – unter anderem mit dem Blue Cinema in Muri bei Bern.
Hinzu kommen Unternehmen, die vollständig in der Hand des Kantons oder der Stadt liegen. Den kantonseigenen IT-Dienstleister Bedag führt die Kampagne «Fair ist anders» als Beispiel auf: Das Unternehmen mit Sitz in der Stadt Bern verfüge praktisch über eine Monopolstellung für grössere IT-Dienstleistungen im Kanton, lautet hier der Vorwurf. Der Kanton ist an zahlreichen weiteren Unternehmen als Träger beteiligt: Online führt er 43 Unternehmen und Einrichtungen auf, die dem Regierungsrat jährlich Bericht erstatten. Weitere 40 Unternehmen und Institutionen, an denen der Kanton als Träger beteiligt ist, haben keine Berichterstattungspflicht.
Klare gesetzliche Vorgaben
Doch nicht alle sehen die Situation so dramatisch. Unternehmen müssten sich permanent weiterentwickeln und neue Märkte erschliessen können, erklärt Andreas Lienhard vom Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern: «Das gilt grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen. So erwartet der Staat als Eigentümer häufig auch von ihnen eine Rendite.» Effiziente und wirksame Verwaltungsdienstleistungen kämen letztendlich auch der Privatwirtschaft zugute – beispielsweise durch raschere Bewilligungsentscheide.
Zu beachten sei, dass öffentliche Unternehmen lediglich in einem bestimmten Aufgabenbereich tätig sein sollten. «Mit klaren Vorgaben im Gesetz und in strategischen Zielen ist deshalb sicherzustellen, dass sie nicht in bereichsfremde Tätigkeitsfelder eindringen», erklärt der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht.
Grundsätzlich gebe es keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor staatlicher Konkurrenz: «Wichtig ist aber, dass Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.» Neben möglichen Wettbewerbsvorteilen seien jedoch auch potenzielle Wettbewerbsnachteile von öffentlichen Unternehmen zu berücksichtigen: «Beispielsweise durch regionalpolitisch begründete Leistungsvorgaben oder besondere Berichterstattungspflichten.»
Erste Erfolge
Die Kampagne «Fair ist anders» ziehe in Bern Erfolge nach sich, sagt der Präsident des Gewerbeverbandes KMU Stadt Bern, Peter Steck, auf Anfrage. Diese würden unter anderem in verhinderten Einstiegen von staatsnahen Betrieben in privatwirtschaftliche Felder liegen. Die Gebäudeversicherung Bern, die keine weiteren Versicherungen anbieten durfte, führt Steck als Beispiel an.
Für den städtischen Raum nennt Steck regelmässig geführte Gespräche mit dem stadteigenen Versorgungsunternehmen Energie Wasser Bern (ewb) als Beispiel: «Diese Gespräche haben unter anderem dazu geführt, dass aus unserer Sicht heikle Publikationen entfernt oder geändert wurden.» Die Arbeit gehe jedoch weiter: «Wir sind an weiteren unfair konkurrenzierenden Staatsangeboten dran», sagt Steck.
Mit der parlamentarischen Gruppe auf nationaler Ebene und der Sensibilisierung für das Thema bleibt auch die Kampagne «Fair ist anders» am Thema dran. An der Rolle Berns als Kantons- und Bundesstadt wird sich in absehbarer Zeit wohl hingegen nichts ändern.